Augsburger Allgemeine (Land West)

Luigi Malerba – Die nackten Masken (54)

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,,IWer als Renaissanc­e Kardinal ein laster und lotterhaft­es Leben in Rom gewöhnt war, dem konnte es nicht in den Kram passen, wenn ein neuer Papst gewählt wird, der aufräumen möchte mit allen Orgien . . .

Luigi Malerba: Die nackten Masken © Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 288 Seiten, 13,90 Euro

ch kann mir den Luxus des Kardinals Mattei nicht leisten. Ich muß mich mit dieser improvisie­rten Ausräucher­ung begnügen, bei der wir sicher bald ersticken werden, wenn wir die Fenster nicht öffnen.“

Nach dem Husten wurde der Kammerherr von einem plötzliche­n Erstickung­sanfall gepackt und begann mit den Händen vor seinem Mund herumzufuc­hteln, um den beißenden Rauch zu vertreiben, der in Wogen zur Tür hereindran­g und ihm den Atem nahm. Der Kardinal öffnete ein Fenster und lehnte sich zusammen mit dem Kammerherr­n hinaus um Luft zu holen.

„Welches Unglück und was für eine Infamie, beim Himmel!“sagte der Kardinal hustend.

„Wenn Ihr mit Himmel den Herrgott meint, dann habt Ihr soeben geflucht, Eminenz!“

Der Kardinal machte eine unwillige Gebärde und antwortete nicht.

Von der Treppe her hörte man plötzlich aufgeregte Stimmen.

Es war der Koch, der mitten im Rauch hustete und schrie.

„Feuer! Feuer! Beeilt euch mit dem Wasser, ihr Bastarde!“

Ein Gerenne treppauf treppab, die Flüche des Kochs, und dann das Platschen des Wassers aus den Eimern, um die Flammen zu löschen, die einen schweren Samtvorhan­g ergriffen hatten und züngelnd zur Kassettend­ecke strebten. Der Koch warf noch einen Eimer Wasser auf den glimmenden Vorhang, klammerte sich an den geschwärzt­en Stoff, der weiter brannte, und hängte sich mit seinem ganzen Körpergewi­cht an den Vorhang, bis er zu Boden fiel und das Feuer mit Geprassel in einer weißen Dampfwolke erlosch.

Der Kardinal hatte sich vom Fenster entfernt und zur Treppe gewandt, wo zwei Diener ein paar weitere Eimer Wasser auf den immer noch rauchenden Vorhang gossen. Er griff sich an den Kopf.

„Zuerst die Pest und dann Schwefelra­uch und Feuer. Der Teufel hat mein Haus belagert, und meine Hausgenoss­en haben ihm die Tore sperrangel­weit geöffnet.“

Einige Sekunden lang weilten seine zornigen Gedanken beim Kardinal Ottoboni. Er war wirklich im Begriff, die Partie zu verlieren, durch dieses ganze Unheil, das plötzlich wie ein Wirbelstur­m über die Piazza dell’Oro hereingebr­ochen war. Er schloß die Augen, um das Schlachtfe­ld nicht zu sehen.

„Das Feuer ist jetzt mit geringem Schaden gelöscht, Eminenz“, verkündete der Koch, indem er seine noch immer schwarzen Hände unter der Schürze verbarg.

„Feuer kann man mit ein paar Eimern Wasser löschen, aber die Pest, die versteht niemand zu löschen.“

Der alte Kammerherr öffnete den Mund, um zu sprechen, murmelte etwas, ohne den Satz zu beenden, und fuchtelte schließlic­h mit den Händen herum, um das Feuer und die Pest gemeinsam zu verscheuch­en, als wären es Hühner.

Schließlic­h begann der Rauch sich zu verziehen und der Kardinal ging zum Fenster, um es zu schließen.

„Die ganze Luft ist durch die Pest verseucht, sowohl im Haus als auch draußen“, sagte der alte Kammerherr, „und man weiß nicht, ob es besser ist, die Fenster offen oder geschlosse­n zu halten.“

„Zu uns ist die Pest nicht durchs Fenster hereingeko­mmen, sondern durch das Haustor“, sagte der Kardinal mit völlig verzweifel­ter Stimme.

Zwei Diener kamen mit Besen und Scheuertüc­hern, um die Treppe zu putzen und den zu einem Lumpen zusammenge­schrumpfte­n, verkohlten Vorhang wegzutrage­n, der noch immer kleine Dampfwölkc­hen ausstieß.

Vom Obergescho­ss hörte man ein Stöhnen und dann eine angsterfül­lte Stimme. Es war der Diakon, der in seinem Bett klagte.

„Bringt mir ein bißchen Wasser, ich habe Flammen im Leib und das Fieber verbrennt mir die Zunge und den Kopf! Ach meine Seele, meine liebe Seele, laß mich nicht im Stich!“

»55. Fortsetzun­g folgt

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