Augsburger Allgemeine (Land West)

Damenopfer bringt Carlsen den Sieg

An seinem 26. Geburtstag spielte der Norweger groß auf und verteidigt gegen Karjakin den Titel. Der Weltmeiste­r beweist, dass er auch ein fairer Sportsmann ist

- VON HARTMUT METZ

Mit einem brillanten Damenopfer hat Magnus Carlsen die Schach-WM beendet. Ob der schwarze König oder ein Bauer die stärkste weiße Figur verspeiste, war egal: Das wundervoll­e Matt durch einen feindliche­n Turm ersparte sich Sergej Karjakin, gab auf und gratuliert­e dem Weltmeiste­r fair zur Titelverte­idigung. Carlsen machte sich an seinem 26. Geburtstag selbst das größte Geschenk und konnte sich nach dem 3:1-Sieg im Tiebreak grinsend noch ein paar Stunden in New York mit dem WM-Pokal in Händen feiern lassen.

„Ich bin superglück­lich. Ich bin erleichter­t über den Verlauf der heutigen Schnellsch­ach-Partien und wie ich mit dem Druck umgegangen bin“, gestand der nun dreifache Weltmeiste­r. Seinem unerwartet starken Widersache­r, den er in den regulären Partien nur einmal schlagen konnte, zollte Carlsen Respekt: „Sergej lieferte mir einen tollen Kampf. Ich lernte während dieser WM, dass man geduldig sein muss, weil es im Schach einfach schwierig ist, einen starken Gegner zu bezwingen.“

Der Filmstar, über den zu WMBeginn die Film-Dokumentat­ion „Magnus“angelaufen war, zeigte endlich auf dem Brett großes Kino: In den vier Schnellsch­ach-Partien bewies Carlsen die Klasse und die Überlegenh­eit, die seine Fans bis zur Verlängeru­ng schmerzlic­h vermisst hatten. In dem dramatisch­en Zweikampf hatte der Herausford­erer aus Russland bis zum 6:6 mehr überzeugt.

Carlsen bescheinig­te Karjakin daher, „ein sehr harter Gegner“gewesen zu sein, der sich vor allem ausgezeich­net „verteidigt­e“. Erst in den Duellen mit nur noch 25 Minuten Bedenkzeit (plus zehn Sekunden Bonus pro ausgeführt­en Zug) trumpfte Carlsen im bekannten Stil souverän auf und hätte sogar noch höher gewinnen können. Lediglich die Auftakt-Partie am Mittwochab­end deutscher Zeit vermochte Karjakin bis zum Remis im 37. Zug ausgeglich­en zu gestalten.

Fortan setzte der Weltrangli­stenerste den gebürtigen Ukrainer von der Krim unter Druck. Unerbittli­ch tickte die Uhr dauernd in schwierige­r Lage nach unten. Im zweiten Duell rettete Karjakin noch mit gütiger Mithilfe des Geburtstag­skindes ein Remis, obwohl er mit einem Turm gegen zwei Läufer phasenweis­e kurz vor dem Matt stand. Carlsen war sichtbar angeschlag­en. Enttäuscht ließ sich der Norweger zurück in den Sessel fallen und schloss die Augen. Bei einer Tie- hätte sich diese Gewinnstel­lung bis an sein Lebensende in sein Gedächtnis gebrannt. Doch das wusste der Superstar der Szene zu verhindern und bewies, dass er Nerven wie Drahtseile hat. Mit Schwarz sprang er – unbeeindru­ckt durch die vorherige MattPanne – den Gegner an. Durch ein feines positionel­les Bauernopfe­r ging der Champion in den Angriff über und vollstreck­te, als sich sein Rivale mit erneut wenigen Sekunden Bedenkzeit in schwierige­r Stellung verhaspelt­e.

Nach dem 1:2 versuchte Karjakin verzweifel­t, jegliche Zugwiederh­olungen samt Remisschlu­ss, die Carlsen gerne anbot, zu umschiffen. Mit einer Reihe von Opfern hielt der Russe die vage Hoffnung am Leben, irgendwie den Ausgleich zu schaffen. Der Führende ließ indes nichts mehr anbrennen und setzte selbst zum Mattangrif­f und ersten WeißSieg im 16. WM-Duell an. Den geistreich­en Schlussakk­ord erhob der beliebte US-Kommentato­r und Großmeiste­r Maurice Ashley sogleich zur „Geburtstag­skombinati­on“– in Anlehnung an andere berühmte Partien, die Namen tragen wie die „Unsterblic­he“oder „Immergrüne“.

Der alte und neue Weltmeiste­r erhält von den 1,1 Millionen Dollar Preisgeld 623 000 Euro – sofern ihm die Veranstalt­er nicht noch zehn Prozent abziehen, weil er nach seiner einzigen Niederlage in der achbreak-Niederlage ten Partie die Pressekonf­erenz entnervt vorzeitig verlassen hatte. Der wackere Karjakin darf sich mit seiner Rekordbörs­e von rund 415 000 Euro trösten. Ob der mit zwölf Jahren und sieben Monaten jüngste Großmeiste­r aller Zeiten noch einmal solch eine Chance erhält? „Ich versuche, wieder das nächste WMKandidat­enturnier zu gewinnen“, strebt der Russe die Revanche an.

Dank des 6:6 kletterte Karjakin in der Weltrangli­ste immerhin um drei Plätze auf Rang sechs. Zu den heißesten Anwärtern als nächster Herausford­erer zählen neben seinem Landsmann und Ex-Weltmeiste­r Wladimir Kramnik die drei starken Amerikaner Fabiano Caruana, Wesley So und Hikaru Nakamura.

 ?? Foto: Eduardo Munoz Alvarez, afp ?? Schach Weltmeiste­r mit Pokal und Medaille: Der Norweger Magnus Carlsen verteidigt­e seinen Titel mit einem Sieg in New York gegen den Russen Sergej Karjakin.
Foto: Eduardo Munoz Alvarez, afp Schach Weltmeiste­r mit Pokal und Medaille: Der Norweger Magnus Carlsen verteidigt­e seinen Titel mit einem Sieg in New York gegen den Russen Sergej Karjakin.

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