Augsburger Allgemeine (Land West)
Schauen wir bald in die Röhre?
Hintergrund Die nächsten Olympischen Spiele werden erstmals in der Geschichte des deutschen Fernsehens nicht von ARD und ZDF übertragen. Zuschauer müssen nun ihre Sehgewohnheiten ändern. Und sie müssen sich auch auf zusätzliche Kosten einstellen
Es ist das Medienthema der Woche. Weil es alles hat, das zum „Aufreger“taugt: Sport und die Emotionen, die er auslöst; das internationale Großereignis Olympische Spiele, das vom skandalumwitterten IOC organisiert wird; das Fernsehen, das es überträgt, im Speziellen der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk; schließlich geht es um Geld, viel Geld. ARD und ZDF haben also den Poker um die Übertragungsrechte für die nächsten vier Olympischen Spiele verloren.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur haben die beiden Sender für Sub-Lizenzen – um Exklusivrechte ging es gar nicht – rund 200 Millionen Euro geboten, das US-Unternehmen Discovery mit seinem Tochterunternehmen Eurosport aber etwa 300 Millionen Euro verlangt. Das wollten die Öffentlich-Rechtlichen nicht zahlen.
Der in der ARD für die Sportrechte zuständige Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, betonte: „Wir sind zu wirtschaftlichem Umgang mit Beitragsgeldern verpflichtet.“Das IOC hatte die TV-Rechte für den europäischen Markt 2015 für 1,3 Milliarden Euro an Discovery vergeben.
Künftig wird also Eurosport live von den Wettkämpfen berichten – und Zuschauer werden nicht nur ihre Sehgewohnheiten umstellen müssen: Der Sender kündigte bereits an, dass er die Spiele zwar auf seinem frei empfangbaren Kanal Eurosport 1 zeigen wird. Er wird jedoch zudem ein kostenpflichtiges Angebot haben, auf seiner OnlinePlattform Eurosport Player (Abogebühr pro Jahr: 59,99 Euro) sowie auf seinem Pay-TV-Sender Eurosport 2.
Eine der spannendsten medienpolitischen Fragen lautet nun: Wird Sport in absehbarer Zeit aus dem frei empfangbaren Fernsehen verschwinden? Und: Gehört er zur „Grundversorgung“, die ARD und ZDF bieten müssen? Welche Sportart fällt eigentlich unter „Grundversorgung“? Noch vor drei Jahren sagte dazu BR-Intendant Wilhelm, dass die „Berichterstattung über sportliche Großereignisse durch den Informationsauftrag der öffentlichrechtlichen Sender gedeckt sei. Dies haben das Bundesverfassungsgericht und auch die EU-Kommission ausdrücklich bestätigt. Fußball gehört zur Grundversorgung.“
Heute halten Experten ein Verschwinden von Sport aus dem Free TV für möglich. Denn Sportrechte werden immer teurer. Alleine die Rechte für die nächsten beiden Fußball-WM kosten ARD und ZDF schätzungsweise jeweils über 200 Millionen Euro. Und schon jetzt überbot sie RTL im Rechte-Poker um die WM-Qualifikationsspiele.
Zugleich müssen sie massiv sparen wegen ihrer ineffizienten Strukturen und hoher (künftiger) Pensionslasten. Erst gestern genehmigte der BR-Rundfunkrat weitere Einsparmaßnahmen in Höhe von rund 21 Millionen Euro. Doch auch für die frei empfangbaren Privatsender dürfte es schwieriger werden, die hohen Summen zu stemmen. Folge: Die Zuschauer werden wohl verstärkt zur Kasse gebeten, Sport wird zum „Bezahl-Inhalt“.