Augsburger Allgemeine (Land West)

Schauen wir bald in die Röhre?

Hintergrun­d Die nächsten Olympische­n Spiele werden erstmals in der Geschichte des deutschen Fernsehens nicht von ARD und ZDF übertragen. Zuschauer müssen nun ihre Sehgewohnh­eiten ändern. Und sie müssen sich auch auf zusätzlich­e Kosten einstellen

- VON DANIEL WIRSCHING

Es ist das Medienthem­a der Woche. Weil es alles hat, das zum „Aufreger“taugt: Sport und die Emotionen, die er auslöst; das internatio­nale Großereign­is Olympische Spiele, das vom skandalumw­itterten IOC organisier­t wird; das Fernsehen, das es überträgt, im Speziellen der gebührenfi­nanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk; schließlic­h geht es um Geld, viel Geld. ARD und ZDF haben also den Poker um die Übertragun­gsrechte für die nächsten vier Olympische­n Spiele verloren.

Nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur haben die beiden Sender für Sub-Lizenzen – um Exklusivre­chte ging es gar nicht – rund 200 Millionen Euro geboten, das US-Unternehme­n Discovery mit seinem Tochterunt­ernehmen Eurosport aber etwa 300 Millionen Euro verlangt. Das wollten die Öffentlich-Rechtliche­n nicht zahlen.

Der in der ARD für die Sportrecht­e zuständige Intendant des Bayerische­n Rundfunks, Ulrich Wilhelm, betonte: „Wir sind zu wirtschaft­lichem Umgang mit Beitragsge­ldern verpflicht­et.“Das IOC hatte die TV-Rechte für den europäisch­en Markt 2015 für 1,3 Milliarden Euro an Discovery vergeben.

Künftig wird also Eurosport live von den Wettkämpfe­n berichten – und Zuschauer werden nicht nur ihre Sehgewohnh­eiten umstellen müssen: Der Sender kündigte bereits an, dass er die Spiele zwar auf seinem frei empfangbar­en Kanal Eurosport 1 zeigen wird. Er wird jedoch zudem ein kostenpfli­chtiges Angebot haben, auf seiner OnlinePlat­tform Eurosport Player (Abogebühr pro Jahr: 59,99 Euro) sowie auf seinem Pay-TV-Sender Eurosport 2.

Eine der spannendst­en medienpoli­tischen Fragen lautet nun: Wird Sport in absehbarer Zeit aus dem frei empfangbar­en Fernsehen verschwind­en? Und: Gehört er zur „Grundverso­rgung“, die ARD und ZDF bieten müssen? Welche Sportart fällt eigentlich unter „Grundverso­rgung“? Noch vor drei Jahren sagte dazu BR-Intendant Wilhelm, dass die „Berichters­tattung über sportliche Großereign­isse durch den Informatio­nsauftrag der öffentlich­rechtliche­n Sender gedeckt sei. Dies haben das Bundesverf­assungsger­icht und auch die EU-Kommission ausdrückli­ch bestätigt. Fußball gehört zur Grundverso­rgung.“

Heute halten Experten ein Verschwind­en von Sport aus dem Free TV für möglich. Denn Sportrecht­e werden immer teurer. Alleine die Rechte für die nächsten beiden Fußball-WM kosten ARD und ZDF schätzungs­weise jeweils über 200 Millionen Euro. Und schon jetzt überbot sie RTL im Rechte-Poker um die WM-Qualifikat­ionsspiele.

Zugleich müssen sie massiv sparen wegen ihrer ineffizien­ten Strukturen und hoher (künftiger) Pensionsla­sten. Erst gestern genehmigte der BR-Rundfunkra­t weitere Einsparmaß­nahmen in Höhe von rund 21 Millionen Euro. Doch auch für die frei empfangbar­en Privatsend­er dürfte es schwierige­r werden, die hohen Summen zu stemmen. Folge: Die Zuschauer werden wohl verstärkt zur Kasse gebeten, Sport wird zum „Bezahl-Inhalt“.

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Foto: dpa IOC Präsi dent Thomas Bach: Die Übertra gungsrecht­e sind ein Milliarden Geschäft.

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