Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein „Männerberu­f“, der gar keiner mehr ist

Ausbildung Elisabeth Schmid ist die beste Fahrzeugsa­ttlerin in der Region. Besonders Oldtimer haben es ihr angetan

- VON ANDREAS DENGLER

Gersthofen/Augsburg Während der Arbeit an schnittige­n Sportwagen, wertvollen Oldtimern oder Motorräder­n zu basteln, klingt für manchen verlockend. Die 18-jährige Elisabeth Schmid aus Gersthofen hat so einen Beruf: Sie ist gelernte Fahrzeugsa­ttlerin, und noch dazu die beste in ganz Schwaben.

Ob Autositze neu bespannen oder gleich eine maßgeschne­iderte Innenverkl­eidung einbauen – Fahrzeugsa­ttler kümmern sich stets um das perfekte Innenleben von Auto, Motorrad, Boot, Schiff und Flugzeug. Bei dem Kammerwett­bewerb der Handwerksk­ammer Schwaben wurde die Gersthofer­in für ihre gute Leistung in der praktische­n Gesellenpr­üfung ausgezeich­net. Obwohl Schmid zu den besten Nachwuchsf­ahrzeugsat­tlern in der Region zählt, will sie schon bald eine zweite Ausbildung beginnen.

In der Augsburger Fahrzeugsa­ttlerei von Corrado Di Benedetto begann Schmid vor drei Jahren ihre Lehre. Dass sie sich als junge Frau für einen vermeintli­chen Männerberu­f entschied, schreckte sie damals nicht ab. Überhaupt sei es falsch, dass der Beruf des Fahrzeugsa­ttlers überwiegen­d von jungen Männern angestrebt werde, sagte der ehemalige Ausbilder. Denn fast die Hälfte aller Lehrlinge in Schmids Jahrgang waren weiblich. Und auch in ihrem Ausbildung­sbetrieb war sie keine Neuheit. Di Benedetto habe bereits schon mehrfach jungen Frauen die Chance geboten, in seiner Werkstatt eine Lehre zu absolviere­n. Besonders schätzt Di Benedetto an den weiblichen Auszubilde­nden, dass sie, anders als die männlichen Kollegen, oft mehr Gefühl für die notwendige­n Feinarbeit­en aufbringen.

In den ersten Wochen ihrer Ausbildung kam Schmid jeden Tag von der Arbeit nach Hause und schwärmte ihren Eltern von den tollen Autos vor, die sie tagsüber gemeinsam mit ihren Kollegen aufpeppen durfte, erinnerte sich Schmid. Vor allem von Oldtimern sei sie begeistert. Und ein Modell hat es ihr ganz besonders angetan: der Mercedes-Benz 190 Cabriolet. Die Liebe zu dem Klassiker teile sie übrigens mit ihrem Ausbilder, der für seine Meisterprü­fung eben so ein Modell ausstattet­e.

Zwar besitzt Schmid selbst noch keinen Oldtimer, aber dafür schon eine mehr als 30 Jahre alte Vespa. Die dunkelgrün­e und cremefarbe­ne Maschine war ein Geburtstag­sgeschenk von ihren Eltern. Während ihrer Ausbildung­szeit durfte sie daran sogar selbst Hand anlegen und eine neue Sitzbank auf dem kultigen Gefährt anbringen.

Zwar war die Begeisteru­ng für Autos und Motorräder schon immer da, aber dennoch war die Ausbildung nicht ihre erste Wahl. Ursprüngli­ch wollte Schmid Raumaussta­tterin werden, da sie bereits in der Schulzeit in dem Berufsfeld verschiede­ne Praktika absolviert hatte. Als sich jedoch keine Lehre auftat, entschied sie sich für die Fahrzeugsa­ttlerei. Und das war keine falsche Entscheidu­ng, denn Raumaussta­tter haben mehr mit Fahrzeugsa­ttlern gemein, als man zunächst denken möchte, sagte Di Benedetto. In der Vergangenh­eit seien neben den klassische­n Arbeiten an Fahrzeugen auch der Bezug von Stühlen, Sesseln und Couchgarni­turen als wichtiger Bestandtei­l des alltäglich­en Geschäfts von Fahrzeugsa­ttlern hinzugekom­men. Also Arbeiten, die auch ein Raumaussta­tter beherrsche­n müsse.

Bei der Abschlussp­rüfung im Sommer musste Schmid neben den theoretisc­hen Prüfungen auch eine praktische Aufgabe meistern. Nur zwei Arbeitstag­e hatte die 18-Jährige Zeit, um den aktuellen Autositz eines BMW 1er zu bespannen. Dabei war nicht nur viel Maßarbeit nötig, sondern auch der Umgang mit verschiede­nen Materialie­n wie Autostoff und Kunstleder.

Ganz salopp gesagt, sei die Arbeit der Fahrzeugsa­ttler ein großes Puzzle, erklärte Di Benedetto. Denn zwischen jeder Naht seien zunächst einzelne Stoffstück­chen, die am Ende zu einem Ganzen werden. Schmid musste für ihr Gesellenst­ück ein Sitzgestel­l, das bereits mit Schaumstof­f gepolstert war, überziehen. Nachdem sie sich die notwendige­n Linien für die spätere Naht angezeichn­et hatte, fertigte sie davon durchsicht­ige Schablonen. Diese waren die Vorlagen, mit denen später der zu verarbeite­nde Stoff zugeschnit­ten wurde. Nach dem Zurechtsch­neiden der Stofffetze­n nähte sie Stückchen für Stückchen an seinen richtigen Platz.

Derzeit arbeitet Schmid in einer Fahrzeugsa­ttlerei in Gersthofen. Aber schon bald wird sie Schwaben den Rücken zukehren und für ein halbes Jahr nach Kanada gehen. Und wenn alles klappt, bereits im kommenden Herbst ihre zweite Ausbildung beginnen – als Raumaussta­tterin.

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Foto: Andreas Dengler Diesen Bezug für einen Autositz hat Elisabeth Schmid als Gesellenst­ück in zwei Tagen angefertig­t.

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