Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein „Männerberuf“, der gar keiner mehr ist
Ausbildung Elisabeth Schmid ist die beste Fahrzeugsattlerin in der Region. Besonders Oldtimer haben es ihr angetan
Gersthofen/Augsburg Während der Arbeit an schnittigen Sportwagen, wertvollen Oldtimern oder Motorrädern zu basteln, klingt für manchen verlockend. Die 18-jährige Elisabeth Schmid aus Gersthofen hat so einen Beruf: Sie ist gelernte Fahrzeugsattlerin, und noch dazu die beste in ganz Schwaben.
Ob Autositze neu bespannen oder gleich eine maßgeschneiderte Innenverkleidung einbauen – Fahrzeugsattler kümmern sich stets um das perfekte Innenleben von Auto, Motorrad, Boot, Schiff und Flugzeug. Bei dem Kammerwettbewerb der Handwerkskammer Schwaben wurde die Gersthoferin für ihre gute Leistung in der praktischen Gesellenprüfung ausgezeichnet. Obwohl Schmid zu den besten Nachwuchsfahrzeugsattlern in der Region zählt, will sie schon bald eine zweite Ausbildung beginnen.
In der Augsburger Fahrzeugsattlerei von Corrado Di Benedetto begann Schmid vor drei Jahren ihre Lehre. Dass sie sich als junge Frau für einen vermeintlichen Männerberuf entschied, schreckte sie damals nicht ab. Überhaupt sei es falsch, dass der Beruf des Fahrzeugsattlers überwiegend von jungen Männern angestrebt werde, sagte der ehemalige Ausbilder. Denn fast die Hälfte aller Lehrlinge in Schmids Jahrgang waren weiblich. Und auch in ihrem Ausbildungsbetrieb war sie keine Neuheit. Di Benedetto habe bereits schon mehrfach jungen Frauen die Chance geboten, in seiner Werkstatt eine Lehre zu absolvieren. Besonders schätzt Di Benedetto an den weiblichen Auszubildenden, dass sie, anders als die männlichen Kollegen, oft mehr Gefühl für die notwendigen Feinarbeiten aufbringen.
In den ersten Wochen ihrer Ausbildung kam Schmid jeden Tag von der Arbeit nach Hause und schwärmte ihren Eltern von den tollen Autos vor, die sie tagsüber gemeinsam mit ihren Kollegen aufpeppen durfte, erinnerte sich Schmid. Vor allem von Oldtimern sei sie begeistert. Und ein Modell hat es ihr ganz besonders angetan: der Mercedes-Benz 190 Cabriolet. Die Liebe zu dem Klassiker teile sie übrigens mit ihrem Ausbilder, der für seine Meisterprüfung eben so ein Modell ausstattete.
Zwar besitzt Schmid selbst noch keinen Oldtimer, aber dafür schon eine mehr als 30 Jahre alte Vespa. Die dunkelgrüne und cremefarbene Maschine war ein Geburtstagsgeschenk von ihren Eltern. Während ihrer Ausbildungszeit durfte sie daran sogar selbst Hand anlegen und eine neue Sitzbank auf dem kultigen Gefährt anbringen.
Zwar war die Begeisterung für Autos und Motorräder schon immer da, aber dennoch war die Ausbildung nicht ihre erste Wahl. Ursprünglich wollte Schmid Raumausstatterin werden, da sie bereits in der Schulzeit in dem Berufsfeld verschiedene Praktika absolviert hatte. Als sich jedoch keine Lehre auftat, entschied sie sich für die Fahrzeugsattlerei. Und das war keine falsche Entscheidung, denn Raumausstatter haben mehr mit Fahrzeugsattlern gemein, als man zunächst denken möchte, sagte Di Benedetto. In der Vergangenheit seien neben den klassischen Arbeiten an Fahrzeugen auch der Bezug von Stühlen, Sesseln und Couchgarnituren als wichtiger Bestandteil des alltäglichen Geschäfts von Fahrzeugsattlern hinzugekommen. Also Arbeiten, die auch ein Raumausstatter beherrschen müsse.
Bei der Abschlussprüfung im Sommer musste Schmid neben den theoretischen Prüfungen auch eine praktische Aufgabe meistern. Nur zwei Arbeitstage hatte die 18-Jährige Zeit, um den aktuellen Autositz eines BMW 1er zu bespannen. Dabei war nicht nur viel Maßarbeit nötig, sondern auch der Umgang mit verschiedenen Materialien wie Autostoff und Kunstleder.
Ganz salopp gesagt, sei die Arbeit der Fahrzeugsattler ein großes Puzzle, erklärte Di Benedetto. Denn zwischen jeder Naht seien zunächst einzelne Stoffstückchen, die am Ende zu einem Ganzen werden. Schmid musste für ihr Gesellenstück ein Sitzgestell, das bereits mit Schaumstoff gepolstert war, überziehen. Nachdem sie sich die notwendigen Linien für die spätere Naht angezeichnet hatte, fertigte sie davon durchsichtige Schablonen. Diese waren die Vorlagen, mit denen später der zu verarbeitende Stoff zugeschnitten wurde. Nach dem Zurechtschneiden der Stofffetzen nähte sie Stückchen für Stückchen an seinen richtigen Platz.
Derzeit arbeitet Schmid in einer Fahrzeugsattlerei in Gersthofen. Aber schon bald wird sie Schwaben den Rücken zukehren und für ein halbes Jahr nach Kanada gehen. Und wenn alles klappt, bereits im kommenden Herbst ihre zweite Ausbildung beginnen – als Raumausstatterin.