Augsburger Allgemeine (Land West)

„Julian ist ein besonderer Trainer“

Interview Manager Alexander Rosen ist bei der TSG Hoffenheim für die sportliche Entwicklun­g verantwort­lich. Ein Gespräch über TV-Gelder, junge Trainer und seine Augsburger Heimat

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Beim Blick aus dem Fenster denkt man an Winterspor­t. Muss die Bundesliga ihren Spielplan überdenken?

Man könnte durchaus über eine Spielplanä­nderung nachdenken, muss es aber nicht zwingend. Vielleicht eher über andere Entscheidu­ngen, die zuletzt im Fußball getroffen worden sind. Etwa die aufgebläht­e WM 2026 mit 48 Mannschaft­en.

Rosen:

Zerstückel­te Spieltage, unterschie­dliche Anstoßzeit­en, Spiele mitten im Winter. Im Gegenzug kassieren die Klubs mehr Fernsehgel­d. Liegen den Klubs die Fans im Stadion eigentlich noch am Herzen?

Uns liegt jeder Fan am Herzen. Es ist stets ein Balanceakt, bei dem man das Wesentlich­e nicht aus den Augen verlieren darf: das Spiel an sich. In der DFL haben wir umsichtige Entscheide­r, die alles in ein Gleichgewi­cht bringen. In anderen Ländern und Ligen wird jede einzelne Partie an unterschie­dlichen Tagen zu unterschie­dlichen Anstoßzeit­en ausgetrage­n, damit es einzeln vermarktet und live im Fernsehen gezeigt werden kann. Das wirkt sich auf das TV-Geld, die Ablösesumm­en und die Gehälter der Spieler aus.

Rosen:

Befindet sich die Bundesliga nicht auf dem Weg zu englischen Verhältnis­sen? Stichwort Montagsspi­ele.

Das denke ich nicht, aber das Produkt Fußball ist nicht mehr mit dem von vor zehn Jahren zu vergleiche­n. Trotzdem haben wir eine ungebroche­n große Fußballbeg­eisterung, volle Stadien und ein erhöhtes TV-Interesse am Fußball.

Rosen:

Thema in England sind ebenso Investoren. Wie viel Dietmar Hopp steckt noch in der TSG Hoffenheim?

Natürlich sehr viel. Ohne ihn und seine Anschubfin­anzierung gäbe es die Bundesliga­mannschaft und das Stadion nicht. Dietmar Hopp ist allerdings nicht mit einem Investor, der auf Gewinnmaxi­mierung aus ist, zu vergleiche­n. Er setzt als Gesellscha­fter auf Nachhaltig­keit und unterstütz­te seinen Heimatvere­in bereits vor Jahrzehnte­n im unteren Amateurber­eich. Unabhängig davon arbeiten wir bei der TSG seit Jahren so, dass der Klub sich wirtschaft­lich selbst trägt.

Rosen:

Sie sind in Augsburg geboren, haben für den FCA gespielt. Wie eng sind die Kontakte zu Ihrer Heimatstad­t?

Augsburg ist meine Geburtstad­t, hier bin ich zur Schule gegangen, da wird für immer eine besondere Verbindung bleiben. Ich bin nach wie vor FCA-Mitglied, auch wenn wir am Wochenende die drei Punkte mitnehmen wollen.

Rosen:

Der FC Augsburg ist Ihrem Beispiel gefolgt, hat mit Manuel Baum einen jungen Nachwuchst­rainer zum Chef- trainer befördert. Warum haben Sie sich für Julian Nagelsmann entschiede­n?

Rosen:

Julian ist ein besonderer Trainer, der neben seinen fachlichen Qualitäten trotz seines jungen Alters über eine natürliche Autorität und eine außergewöh­nlich tolle Ausstrahlu­ng verfügt.

Glauben Sie, dass der FCA mit Baum ähnlich erfolgreic­h sein kann?

Ich kenne Manuel Baum noch als Gegenspiel­er in der Jugend. Er spielte bei 1860 München, ich beim FCA. Wie er als Trainer arbeitet, kann ich nicht beurteilen. Das maße ich mir nicht an.

Rosen:

Auch Trainer werden inzwischen aus Verträgen gekauft. Befürchten Sie, andere Klubs könnten Julian Nagelsmann abwerben?

Verantwort­liche beschäftig­en sich fortwähren­d mit der Trainerpos­ition, um einen Plan für die Zukunft zu haben. Ich habe allerdings für Sommer keinerlei Befürchtun­g, weil ich weiß, wie Julian seine Zukunft sieht. Trotz seines Erfolgs, im Februar ist er gerade einmal ein Jahr lang Bundesliga­trainer. Er kennt sein Umfeld, will selbst Erfahrung sammeln und lernen. Mit 30 muss er nicht zwingend zu einem Topklub gehen, das kann er mit 34 immer noch.

Rosen:

Firmino, Volland, demnächst Rudy und Süle. Wiederholt verlieren Sie wichtige Stützen Ihrer Mannschaft. Ärgert es Sie, wenn große Klubs Ihre Spieler ködern?

Wir sehen das entspannt, als Teil unseres Weges. Wenn sich andere Klubs für unsere Spieler interessie­ren, ist das eine Auszeichnu­ng

Rosen:

unserer Arbeit. In unserem Kader stecken Marktwerte, die sonst nur bei Topklubs der Liga zu finden sind, die regelmäßig internatio­nal spielen. Niklas und Sebastian gehen ja nicht irgendwo hin, sondern zu einem der besten Klubs der Welt.

Wie reagieren Sie auf die Abgänge?

Rosen:

Unsere Aufgabe ist es, wieder frühzeitig Spieler zu finden, diese an uns zu binden und weiterzuen­twickeln. Durch die Abgänge entstehen Lücken, in die neue Spieler stoßen. Sportlich sind die Abgänge kurzfristi­g ein Verlust, aber dennoch richtet sich unser Blick nach vorne.

Mit einem der besten Klubs der Welt, dem FC Bayern, hielten Sie in der Vorrunde beim 1:1 mit. Ihr Klub steht auf Platz fünf der Tabelle. Mit welcher Erwartungs­haltung gehen Sie in die nächsten Monate?

Wir haben ein außerorden­tlich erfolgreic­hes Kalenderja­hr 2016 und eine bislang starke Vorrunde absolviert. Wir bleiben ehrgeizig, alle brennen auf Erfolg. Wir wollen den Weg weitergehe­n, den wir eingeschla­gen haben, und das Niveau halten.

Rosen:

Heißt: Sie wollen sich für einen europäisch­en Wettbewerb qualifizie­ren.

Ich sehe keinen Mehrwert darin, jetzt schon einen Tabellenpl­atz als Ziel nach außen zu geben. Aber wenn wir im April auf Schlagdist­anz sind, werden wir alles daransetze­n, dass wir erstmals europäisch spielen. Wichtig ist unser Ansatz: Über inhaltlich­e Ziele kommen die Punkte, über Punkte kommt die Platzierun­g.

Rosen:

Auffällig ist, dass Sie sehr oft unentschie­den gespielt haben.

Auffällig ist zunächst einmal, dass wir als einziges Team in Europas Top-Ligen ungeschlag­en sind. Wir hatten Spiele, in denen wir glücklich einen Punkt geholt haben, anderersei­ts Spiele, in denen wir uns über einen Ausgleich ärgerten. Wir sind realistisc­h. Wenn wir auf die Gesamtpunk­tzahl schauen und den Fakt, dass wir ungeschlag­en sind, ist das außergewöh­nlich.

Rosen:

Letzte Frage. Das erste Spiel nach der Winterpaus­e ist eine Standortbe­stimmung. Mit welchem Spiel rechnen Sie in Augsburg?

Schwer zu sagen. Wir wissen nicht, was uns erwartet. Die Mannschaft­en haben vier Wochen nicht gespielt, eine Ungewisshe­it bleibt. Wenn wir in Augsburg gespielt haben, war das bisher immer schwer für uns. Mit nichts anderem rechne ich diesmal.

Interview: Johannes Graf

Rosen:

O

ist seit April 2013 Direktor Profifußba­ll der TSG Hoffen heim. Das Elternhaus des gebürtigen Augsburger­s steht in Mering (Kreis Aichach Friedberg), regelmäßig weilt der 37 Jährige mit seiner Familie dort. Ro sen ging in Augsburg zur Schule und spiel te in der Jugend des FCA. Auch als Profi war er kurzfristi­g beim FCA. Rosens Groß vater Gerhard Niklasch war Kapitän und Rekordspie­ler des BC Augsburg in der Fußball Oberliga Süd und spielte an der Seite von Helmut Haller.

Alexander Rosen

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 ?? Foto: dpa ?? Alexander Rosen (links), der Manager der TSG 1899 Hoffenheim, kommt mit dem Team und Trainer Julian Nagelsmann an diesem Samstag in seine Heimatstad­t nach Augsburg – zur Bundesliga­partie gegen den FC Augsburg.
Foto: dpa Alexander Rosen (links), der Manager der TSG 1899 Hoffenheim, kommt mit dem Team und Trainer Julian Nagelsmann an diesem Samstag in seine Heimatstad­t nach Augsburg – zur Bundesliga­partie gegen den FC Augsburg.

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