Augsburger Allgemeine (Land West)
SPD sieht sich in einer schwierigen Lage
Neujahrsempfang Skandale um Förster und Wolbergs machen den Genossen zu schaffen. Die Stadtratsfraktion sieht aber viele Erfolge im Augsburger Regierungsbündnis
Umfragewerte von 14 Prozent bei den Wählern, ein amtierender und ein ehemaliger Parteivertreter in Untersuchungshaft: Das Tief der Sozialdemokraten in Bayern ging am Neujahrsempfang der SPDStadtratsfraktion in Augsburg nicht spurlos vorbei. „Die SPD befindet sich in einer sehr schwierigen Lage“, sagte Fraktionsvorsitzende Margarete Heinrich. Dennoch sieht sie Anlass zu Hoffnung. Die Partei habe in über 150 Jahren schon viele politische Höhen und Tiefen durchlebt. Das zeige die Geschichte.
Immerhin: Der Zustrom von Besuchern war beim Neujahrsempfang im Rathaus am Freitagabend ungebrochen. Rund 500 Gäste kamen, darunter Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU), der Lindauer Oberbürgermeister Gerhard Ecker (SPD) und Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) aus Fürth. Die Stimmung im Saal war gut.
Fraktionschefin Heinrich gab sich in ihrer Rede kämpferisch. Sie verwies auf Erfolge der Sozialdemokraten in Bund, Land und Kommunen. Leider werde gerade in diesen Zeiten das Positive oft vergessen, verschwiegen oder nicht berichtet, kritisierte sie, „da müssen wir etwas entgegensetzen“.
Heinrich ging ausführlich auf die Leistungen der Augsburger SPDFraktion in den vergangenen drei Jahren ein. Zusammen mit CSU und Grünen sind die Sozialdemokraten in der Regierungsverantwortung. Eine erfolgreiche Arbeit hätten Sozialreferent Stefan Kiefer und Ordnungsreferent Dirk Wurm geleistet. Als Beispiele nannte sie etwa die Senkung des Defizits in der Altenhilfe von sieben Millionen Euro auf geplant unter zwei Millionen Euro in diesem Jahr.
Derzeit werde ein Mietspiegel erstellt, um einen Überblick über die zu haben. Es gebe Fortschritte bei der Sanierung von Bädern und Sportanlagen. Beim Thema Flüchtlinge sei Augsburg bayernweit Vorbild für eine dezentrale Unterbringung und Betreuung. Applaus gab es beim Neujahrsempfang für den Einsatz der vielen ehrenamtlichen Helfer.
Im Wahljahr 2017 ist eines der Top-Themen die innere Sicherheit, auch für die SPD. In Augsburg wird gerade über eine Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen diskutiert. Heinrich vertrat die Ansicht, dass mehr Kameras nicht zu einer optimalen Sicherheit beitragen; sie forderte eine personelle Aufstockung der Polizei. Das zweite große Wahlkampfthema ist das Wohnen. Nicht nur die Augsburger SPD macht sich für mehr geförderten Wohnraum stark. Auch der Fürther OB forderte beim Neujahrsempfang mehr Wohnangebote für Menschen mit wenig Geld wie Senioren mit kleinen Renten, Studenten, Familien oder Alleinerziehende. In Ballungsräumen wie München und Augsburg spitze sich die Lage zu, so Jung. „Über 80 Prozent der Menschen dort haben Sorgen wegen der Wohnungssituation.“
Um den Wohnungsbau stärker anzukurbeln, forderte er eine höhere Grundsteuer für brachliegende Grundstücke. Traurig sei auch, dass der reiche Freistaat Bayern keine eiMietpreisentwicklung gene Landeswohnungsbaugesellschaft habe, um preisgünstigen Wohnraum zu schaffen, etwa für Staatsbedienstete wie Polizisten. Der Fürther Oberbürgermeister, der früher Staatsanwalt war, ermahnte die Genossen, den Wunsch vieler Menschen nach persönlicher Sicherheit nicht zu unterschätzen. Sehr viele Bürger seien für mehr Überwachung. Beim Thema Sicherheit ist Augsburg aber auch Vorbild für Fürth: Dort wird ein Ordnungsdienst wie in Augsburg eingeführt.
SPD-Abgeordnete Ulrike Bahr richtete ihren Blick auf die Bundestagswahl im Herbst. Sie sieht ihre Partei im Wahlkampf vor großen Herausforderungen. Auch wegen der Skandale um den zurückgetretenen schwäbischen Parteichef Linus Förster, dem Sexuladelikte vorgeworfen werden, und um den Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, der unter Korruptionsverdacht steht.
Ohne Namen zu nennen, sagte Bahr: „Es ist eine Katastrophe für die SPD, wenn Mitglieder und Mandatsträger Prinzipien verraten.“Umso mehr müssten die Genossen für ihre Werte und soziale Gerechtigkeit eintreten. Schwierig werde auch die Auseinandersetzung mit Parteien am rechten Rand wie der AfD, so Bahr, denn die Spaltung von Gesellschaften in Europa und den USA nehme zu.