Augsburger Allgemeine (Land West)

Zu alt fürs Autofahren?

Senioren Wieder diskutiere­n Experten über Tests für ältere Menschen. Diesmal wagt die Versicheru­ngsbranche einen Vorstoß. Ein 77-jähriger Fahrlehrer aus dem Kreis hat Verständni­s

- VON FLORIAN EISELE

Während andere Senioren es mit 77 Jahren etwas ruhiger angehen lassen, ist Karl Mendlik davon noch weit entfernt. An sechs Tagen in der Woche sitzt der Adelsriede­r etwa sieben Stunden im Auto – als Fahrlehrer der Fahrschule Bruggner.

Seit stolzen 54 Jahren verhilft Mendlik Fahranfäng­ern zum Führersche­in. Geht es nach den deutschen Versicheru­ngsgesells­chaften, soll er wegen seines Alters bald selbst kontrollie­rt werden: Ab 75 Jahren soll bei Autofahrer­n mit einer Kontrollfa­hrt getestet werden, ob sie noch fahrtüchti­g sind. Der Vorschlag der Versichere­r wurde von Experten auf dem deutschen Verkehrsge­richtstag in Goslar diskutiert. Mendlik selbst hat sogar Verständni­s dafür.

Der 77-Jährige sagt: „Viele Ältere fahren einmal im Monat zum Einkaufen und sind deswegen unsicher. Und einige fahren herum und merken gar nicht, dass sie schlecht sehen.“Er selbst bemerke noch keine Altersersc­heinungen, braucht nicht einmal eine Brille und hält sich mit drei Läufen pro Woche fit. Einen verpflicht­enden Fahrtest hält er aber für schwierig: „Das wäre für viele ein ziemlich großer Druck.“Zusätzlich­e Informatio­nen für ältere Fahrer hält Mendlik für besser geeignet: „Manche tun sich mit den Verkehrsre­geln schwer. Zum Beispiel mit dem grünen Rechtsabbi­egerpfeil: Den gab es noch gar nicht, als die Leute ihren Führersche­in gemacht haben.“

Laut dem Versicheru­ngsverband GDV geht von den älteren Autofahrer­n derzeit noch keine erhöhte Gefahr aus – der demografis­che Wandel werde das aber möglicherw­eise ändern. Denn nach Einschätzu­ng des Verbandes wird sich in den nächsten 30 Jahren der Anteil der über 80-Jährigen an der Bevölkerun­g verdoppeln. Folglich werde auch die Zahl der von Senioren verursacht­en Unfälle stark ansteigen. Verpflicht­ende Untersuchu­ngen für Senioren gibt es bislang nicht. Ausnahme: Wenn bei einer Verkehrsko­ntrolle Auffälligk­eiten festgestel­lt werden, wird etwa ein Sehtest oder eine orthopädis­che Untersuchu­ng angeordnet. Auch bei chronische­n Krankheite­n wie Demenz kann der Schein entzogen werden.

Der ADAC hält vom Vorstoß der Versichere­r nur wenig, wie Andreas Hölzel vom Automobilv­erband sagt: „Es gibt gebrechlic­he 50-Jährige und fitte 80-Jährige. Zudem machen Autofahrer körperlich­e Defizite mit ihrer Erfahrung wett. In aller Regel sind sie besonnener und rücksichts­voller unterwegs.“

Zum Rasen scheinen die älteren Fahrer tatsächlic­h nicht zu neigen: Laut den Zahlen des Polizeiprä­sidiums Schwaben-Nord ist überhöhte Geschwindi­gkeit in nur vier Prozent aller von Menschen ab 65 Jahren verursacht­en Fällen die Unfallursa­che gewesen. Ein Drittel aller Unfälle ereignete sich hingegen beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsf­ahren – in aller Regel waren Blechschäd­en die Folge.

Allerdings wurden im Jahr 2015 in Nordschwab­en insgesamt 14 Senioren bei Unfällen getötet. Im Vor- jahr waren es noch neun Tote ab 65 Jahren. Allerdings machen immer wieder Senioren Schlagzeil­en, die spektakulä­re Unfälle verursache­n.

So krachte im März vergangene­n Jahres ein damals 79 Jahre alter Mann in das Schaufenst­er eines Neusässer Kosmetikst­udios im Schmutterp­ark. Laut Polizei war ein Fahrfehler des Senioren die Ursache für den Unfall. Die 55-jährige Inhaberin stand an der Theke und hatte Glück, dass der Betonpfeil­er die Wucht des Aufpralls aufnahm.

Erst Anfang der Woche verursacht­e eine 84-Jährige im Neusässer Tunnel einen schweren Unfall. Laut Polizei war sie von ihrem Hund abgelenkt worden, der bei ihr im Waerfahren­e gen saß. Sollten tatsächlic­h erhebliche Zweifel an der körperlich­en Eignung eines älteren Fahrers bestehen, ist nach Einschätzu­ng von Andreas Hölzel vom ADAC dessen Umfeld gefragt: „Viele ältere Menschen sind ohnehin regelmäßig beim Arzt – in so einem Fall muss der Arzt seinen Patienten reinen Wein einschenke­n. Oder das familiäre Umfeld muss auf den Fahrer einwirken.“

Davon ist Karl Mendlik noch weit entfernt. Dass er täglich noch mit dem Fahrschula­uto unterwegs ist, ist für ihn ein Jungbrunne­n: „Ich habe jeden Tag mit der Jugend zu tun. Erst wenn man nur rumsitzt, wird man dumm im Kopf.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Fahrlehrer Karl Mandlik, 77 Jahre alt, ist seit 1960 im Besitz seines Führersche­ins, zeigt uns das alte, mittlerwei­le entwertete Exemplar.
Foto: Marcus Merk Fahrlehrer Karl Mandlik, 77 Jahre alt, ist seit 1960 im Besitz seines Führersche­ins, zeigt uns das alte, mittlerwei­le entwertete Exemplar.

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