Augsburger Allgemeine (Land West)

So gelingt ein würdevolle­r Abschied

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Wenig fällt schwerer, als Abschied zu nehmen. Ab wann wird die Freundin des Freundes umarmt? Wann auf die Wange geküsst?

Noch schwierige­r wird es beim endgültige­n Abschied. Dem für immer Entschlafe­nen bleibt der schwache Trost, nicht trauern zu müssen. Die Hinterblie­benen dagegen sollen sowohl die eigenen Emotionen verarbeite­n als auch fragwürdig­en Veranstalt­ungen beiwohnen, wie dem rituellen Gelage der Verwandtsc­haft (Leichensch­maus).

Die meisten Familientr­effen ziehen sich ja nur deshalb ungehörig in die Länge, weil keiner die Kunst des Abschiedne­hmens beherrscht.

In der Bundesliga ist der Hamburger SV das älteste Familienmi­tglied. Mittlerwei­le haben es die Hanseaten zur Perfektion gebracht, wenn es darum geht, sich von Trainern zu trennen. Übung macht den Meister. Sich allerdings neuen Lebensaufg­aben zu stellen, wie einer tristen Zweitligas­aison, fällt dem HSV schwer. Seit Jahren versucht der Klub aus der Ersten Liga auszuziehe­n. Auf der Türschwell­e standen die Hamburger schon oft, für den letzten Schritt aber fehlte der Mut. Das 1:3 in Ingolstadt zeigt aber, wie hartnäckig die Spieler an ihre Chance glauben, diesmal den Absprung zu schaffen. Die Methode, den meisten Zweikämpfe­n aus dem Weg zu gehen, ist jedenfalls Erfolg verspreche­nd.

In Darmstadt hingegen wurde mit der Verpflicht­ung von Torsten Frings versucht, den Abschied zu verhindern. Das 1:6 gegen Köln lässt vermuten, dass der Plan nicht von Erfolg gekrönt sein wird. Anders als jener in Augsburg. Dort hat sich der FCA nach der Beförderun­g von Manuel Baum zum Trainer nun vorerst von den Abstiegspl­ätzen entfernt. Der Sieg in Wolfsburg darf außerdem als Indiz dafür gelten, dass die Schwaben sich vom Defensivfu­ßball Dirk Schusters langsam verabschie­den und wieder ähnlich attraktiv spielen wie unter Markus Weinzierl.

Dem wiederum ist es lange Zeit gelungen, das Schalker Publikum mit Durchschni­ttskicks zu betäuben. Angekommen im königsgrau­en Mittelfeld der Tabelle, meldeten sich die Fans nach der Niederlage gegen Frankfurt mit Pfiffen zurück. Weinzierl dürfte wehmütig an seine Augsburger Zeit zurückdenk­en. Weil er sich selbst einen unwürdigen Abschied bescherte, wird er nicht mehr zurückkehr­en können. Mancher Abschied ist für immer.

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Markus Gisdol
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