Augsburger Allgemeine (Land West)
So gelingt ein würdevoller Abschied
Wenig fällt schwerer, als Abschied zu nehmen. Ab wann wird die Freundin des Freundes umarmt? Wann auf die Wange geküsst?
Noch schwieriger wird es beim endgültigen Abschied. Dem für immer Entschlafenen bleibt der schwache Trost, nicht trauern zu müssen. Die Hinterbliebenen dagegen sollen sowohl die eigenen Emotionen verarbeiten als auch fragwürdigen Veranstaltungen beiwohnen, wie dem rituellen Gelage der Verwandtschaft (Leichenschmaus).
Die meisten Familientreffen ziehen sich ja nur deshalb ungehörig in die Länge, weil keiner die Kunst des Abschiednehmens beherrscht.
In der Bundesliga ist der Hamburger SV das älteste Familienmitglied. Mittlerweile haben es die Hanseaten zur Perfektion gebracht, wenn es darum geht, sich von Trainern zu trennen. Übung macht den Meister. Sich allerdings neuen Lebensaufgaben zu stellen, wie einer tristen Zweitligasaison, fällt dem HSV schwer. Seit Jahren versucht der Klub aus der Ersten Liga auszuziehen. Auf der Türschwelle standen die Hamburger schon oft, für den letzten Schritt aber fehlte der Mut. Das 1:3 in Ingolstadt zeigt aber, wie hartnäckig die Spieler an ihre Chance glauben, diesmal den Absprung zu schaffen. Die Methode, den meisten Zweikämpfen aus dem Weg zu gehen, ist jedenfalls Erfolg versprechend.
In Darmstadt hingegen wurde mit der Verpflichtung von Torsten Frings versucht, den Abschied zu verhindern. Das 1:6 gegen Köln lässt vermuten, dass der Plan nicht von Erfolg gekrönt sein wird. Anders als jener in Augsburg. Dort hat sich der FCA nach der Beförderung von Manuel Baum zum Trainer nun vorerst von den Abstiegsplätzen entfernt. Der Sieg in Wolfsburg darf außerdem als Indiz dafür gelten, dass die Schwaben sich vom Defensivfußball Dirk Schusters langsam verabschieden und wieder ähnlich attraktiv spielen wie unter Markus Weinzierl.
Dem wiederum ist es lange Zeit gelungen, das Schalker Publikum mit Durchschnittskicks zu betäuben. Angekommen im königsgrauen Mittelfeld der Tabelle, meldeten sich die Fans nach der Niederlage gegen Frankfurt mit Pfiffen zurück. Weinzierl dürfte wehmütig an seine Augsburger Zeit zurückdenken. Weil er sich selbst einen unwürdigen Abschied bescherte, wird er nicht mehr zurückkehren können. Mancher Abschied ist für immer.