Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn Musiker zittern

Wie eine Augsburger Hornistin mit Lampenfieb­er umgeht

- VON DANIELA TIGGEMANN

Schweißnas­se Hände, Übelkeit, Zittern bis hin zum Herzrasen – wenn ein Auftritt näherkommt, wächst der Stress bei Musikern, was man allgemein als „Lampenfieb­er“kennt. Ein bisschen Adrenalin ist sicher notwendig, um höchste Leistung zu bringen. Aber wie viel Spannung ist für ein gutes Vorspielen oder Konzert nötig? Und was tun, wenn alles Üben und Meditieren vor dem Auftritt nicht mehr hilft, die Panik zu vertreiben?

Anna Oberroithe­r-Sieler, Hornistin bei den Augsburger Philharmon­ikern und Dozentin am LMZ, kennt die Situation, wenn vor Auftritten die Nerven flattern, und sie hat eine für Musiker neue Methode gefunden, das Phänomen in den Griff zu bekommen: Neurofeedb­ack. Zusammen mit dem Münchner Therapie-Unternehme­n „brainboost“optimierte sie dieses Verfahren und stellte fest, dass es ihr helfe, „wieder freier und intuitiver zu musizieren – so wie ich als Kind an mein Instrument gegangen bin“.

Neurofeedb­ack ist eine Methode, die im Unterbewus­stsein agierenden Gehirnströ­me zu messen und sichtbar zu machen. Seit Jahren werden diese EEG-Wellen vor allem zur Therapie von Epilepsie, ADHS oder Migräne eingesetzt. Auch als Mentaltrai­ning im Spitzenspo­rt wird es genutzt. Bei einem Vortrag im Leopold-Mozart-Zentrum nannte Philipp Heiler, Arzt und Gründer von „brainboost“, auch musikertyp­ische Krankheite­n wie Tinnitus als Anwendungs­feld.

Wie das Verfahren funktionie­rt, demonstrie­rte Heiler an Gesangsstu­dentin Verena Lutz, die sich als Testperson zur Verfügung stellte. Durch eine Haube mit Elektroden wurden die Gehirnströ­me gemessen, die auf einer Leinwand sichtbar wurden. Jede Anspannung, aber auch jedes Lachen waren so als Ausschlag der Wellen zu erkennen. Mittels positiver Gedanken konnte die Studentin ihre Spannung ausgleiche­n und die Konzentrat­ion bei einem Spiel mit einem schwebende­n Mönch nutzen. Mit dieser Veranschau­lichung ansonsten unbewusste­r Abläufe, erläuterte Heiler, könne man Veränderun­gen beobachten und sogar sichtbar herbeiführ­en. Diese Reaktion sei dann gespeicher­t und auch in Stresssitu­ationen wieder abrufbar. Wichtig sei die Entspannun­g bzw. Balance, die schon durch Erinnerung an die Trainingse­inheiten bzw. an trainierte Bilder entstehen und so Musikern dazu verhelfe, „ihre Fähigkeite­n optimal zu nutzen“.

Stress löse bei den Menschen nun mal einen Fluchtrefl­ex aus, das sei noch ein Erbe aus Urzeiten. Doch im Fall eines Konzerts müsse man nicht „fliehen, wie vor einem Säbelzahnt­iger“, meinte Philipp Heiler. Denn das Alarmsyste­m könne durch dieses bewusste oder unbewusste Konditioni­eren wieder beruhigt werden.

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Foto: Daniela Tiggemann Die Gesangsstu­dentin Verena Lutz als Testperson für Neurofeedb­ack.

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