Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn Musiker zittern
Wie eine Augsburger Hornistin mit Lampenfieber umgeht
Schweißnasse Hände, Übelkeit, Zittern bis hin zum Herzrasen – wenn ein Auftritt näherkommt, wächst der Stress bei Musikern, was man allgemein als „Lampenfieber“kennt. Ein bisschen Adrenalin ist sicher notwendig, um höchste Leistung zu bringen. Aber wie viel Spannung ist für ein gutes Vorspielen oder Konzert nötig? Und was tun, wenn alles Üben und Meditieren vor dem Auftritt nicht mehr hilft, die Panik zu vertreiben?
Anna Oberroither-Sieler, Hornistin bei den Augsburger Philharmonikern und Dozentin am LMZ, kennt die Situation, wenn vor Auftritten die Nerven flattern, und sie hat eine für Musiker neue Methode gefunden, das Phänomen in den Griff zu bekommen: Neurofeedback. Zusammen mit dem Münchner Therapie-Unternehmen „brainboost“optimierte sie dieses Verfahren und stellte fest, dass es ihr helfe, „wieder freier und intuitiver zu musizieren – so wie ich als Kind an mein Instrument gegangen bin“.
Neurofeedback ist eine Methode, die im Unterbewusstsein agierenden Gehirnströme zu messen und sichtbar zu machen. Seit Jahren werden diese EEG-Wellen vor allem zur Therapie von Epilepsie, ADHS oder Migräne eingesetzt. Auch als Mentaltraining im Spitzensport wird es genutzt. Bei einem Vortrag im Leopold-Mozart-Zentrum nannte Philipp Heiler, Arzt und Gründer von „brainboost“, auch musikertypische Krankheiten wie Tinnitus als Anwendungsfeld.
Wie das Verfahren funktioniert, demonstrierte Heiler an Gesangsstudentin Verena Lutz, die sich als Testperson zur Verfügung stellte. Durch eine Haube mit Elektroden wurden die Gehirnströme gemessen, die auf einer Leinwand sichtbar wurden. Jede Anspannung, aber auch jedes Lachen waren so als Ausschlag der Wellen zu erkennen. Mittels positiver Gedanken konnte die Studentin ihre Spannung ausgleichen und die Konzentration bei einem Spiel mit einem schwebenden Mönch nutzen. Mit dieser Veranschaulichung ansonsten unbewusster Abläufe, erläuterte Heiler, könne man Veränderungen beobachten und sogar sichtbar herbeiführen. Diese Reaktion sei dann gespeichert und auch in Stresssituationen wieder abrufbar. Wichtig sei die Entspannung bzw. Balance, die schon durch Erinnerung an die Trainingseinheiten bzw. an trainierte Bilder entstehen und so Musikern dazu verhelfe, „ihre Fähigkeiten optimal zu nutzen“.
Stress löse bei den Menschen nun mal einen Fluchtreflex aus, das sei noch ein Erbe aus Urzeiten. Doch im Fall eines Konzerts müsse man nicht „fliehen, wie vor einem Säbelzahntiger“, meinte Philipp Heiler. Denn das Alarmsystem könne durch dieses bewusste oder unbewusste Konditionieren wieder beruhigt werden.