Augsburger Allgemeine (Land West)
Volle Windeln, volle Tonnen, leere Geldbeutel
Verbraucher Familien und kranke Erwachsene brauchen besondere Unterstützung. Ein Nachbarlandkreis will nun ein Signal setzen
Landkreis Augsburg Junge Eltern können davon ein Lied singen: Der Nachwuchs produziert Tag für Tag eine Menge Müll. Sauber in Plastik eingeschlagen wandern die Hinterlassenschaften der Sprösslinge in die Tonne. Täglich ist es etwas mehr als ein Kilo, im Jahr fast eine halbe Tonne. Das hat Folgen: Entweder muss eine größere Mülltonne her, oder die Abfuhr muss öfters anrücken. Und das geht ins Geld. Familien entlasten kann ein sogenannter Windelbonus. Wie der funktioniert, zeigen die Nachbarn aus dem Landkreis Günzburg.
50 Euro sollen Eltern von Kleinkindern genauso wie Pflegebedürftige, die an Inkontinenz leiden, ab 2018 im Jahr erhalten. Für die Kleinen gibt es den Bonus in den ersten beiden Lebensjahren, für kranke Senioren ohne Begrenzung.
Die Diskussion über den Zuschuss für die Entsorgung wurde schon vor Jahren im Landkreis Augsburg geführt. Damals habe es für den Bonus kein grünes Licht gegeben, erinnert sich der Werkleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs, Günther Prestele. Man habe gebührenrechtliche Probleme gesehen. Lösungen gibt es trotzdem: Beispielsweise könnte aus einem Sozialtopf eine gewisse Summe für den Windelbonus zur Verfügung gestellt werden, erklärt Prestele. Das Geld könnte dann im Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises in der Kalkulation als Einnahme verbucht werden.
Im Landkreis Günzburg haben sich die Kreisräte auf eine Rückvergütung bei den Müllgebühren geeinigt – die einfachste Lösung in den Augen der Politiker. Statt Windelsäcken wie in anderen Kommunen oder größeren Tonnen gibt es eine Gutschrift. Vorausgesetzt, Eltern, Angehörige oder Pflegepatienten können den Bedarf für den Windelbonus nachweisen. Den Landkreis, der sich als Kinder- und Familienregion empfiehlt, kostet das bei rund 1000 Geburten im Jahr rund 50000 Euro plus die Summe für die Pflegepatienten, die noch unklar ist. Im Landkreis Augsburg wären es bei rund 2200 Geburten (2015: 2170 Geburten) 110 000 Euro plus der Summe für die Senioren.
61 statt 111 Euro für eine 120-Liter-Restmülltonne (Günzburg: 144 statt 194 Euro), die zweiwöchentlich geleert wird: Junge Familien könnten sich mit dem Bonus anfreunden. „Wir würden da sicherlich nicht Nein sagen“, meint Michael Knoll aus Fischach, der vorrechnet: Die Ersparnis ist fast so viel wie der Windelbedarf für zwei Monate, den die Eltern für ihre bald einjährige Tochter Lisa kaufen müssen.
Auch Menschen mit Inkontinenz würde ein Bonus wie im Landkreis Günzburg helfen. „Das wäre ein Zeichen“, meint Christine Huhsmann vom Pflegeteam Nord, einem Pflegedienst in Langweid, Gersthofen, Gablingen, Biberbach und angrenzenden Ortschaften mit rund 70 Mitarbeitern.
Als „Signal“versteht Martina Fischer, die Geschäftsführerin der Sozialstation Augsburger Land West, den Windelbonus. Schließlich stehen den 50 Euro ganz andere Kosten gegenüber. Martina Fischer weiß: Auf bis zu 800 Euro im Jahr summieren sich bei vielen Senioren mit Inkontinenz die Ausgaben für spezielle Windelhosen. Die sind nötig, weil die von der Kasse finanzierten Vorlagen gerade nachts ihren Zweck nicht erfüllten. 800 Euro aus der eigenen Tasche tun weh – gerade bei Senioren, denen oft nicht mehr als 500 Euro Rente zur Verfügung stehen. „Solche Fälle haben wir genügend“, sagt Martina Fischer. Es sei ein Glück, dass diese Senioren meistens Unterstützung von Angehörigen bekommen. Fischer: „Sonst wird es eng.“