Augsburger Allgemeine (Land West)

Volle Windeln, volle Tonnen, leere Geldbeutel

Verbrauche­r Familien und kranke Erwachsene brauchen besondere Unterstütz­ung. Ein Nachbarlan­dkreis will nun ein Signal setzen

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg Junge Eltern können davon ein Lied singen: Der Nachwuchs produziert Tag für Tag eine Menge Müll. Sauber in Plastik eingeschla­gen wandern die Hinterlass­enschaften der Sprössling­e in die Tonne. Täglich ist es etwas mehr als ein Kilo, im Jahr fast eine halbe Tonne. Das hat Folgen: Entweder muss eine größere Mülltonne her, oder die Abfuhr muss öfters anrücken. Und das geht ins Geld. Familien entlasten kann ein sogenannte­r Windelbonu­s. Wie der funktionie­rt, zeigen die Nachbarn aus dem Landkreis Günzburg.

50 Euro sollen Eltern von Kleinkinde­rn genauso wie Pflegebedü­rftige, die an Inkontinen­z leiden, ab 2018 im Jahr erhalten. Für die Kleinen gibt es den Bonus in den ersten beiden Lebensjahr­en, für kranke Senioren ohne Begrenzung.

Die Diskussion über den Zuschuss für die Entsorgung wurde schon vor Jahren im Landkreis Augsburg geführt. Damals habe es für den Bonus kein grünes Licht gegeben, erinnert sich der Werkleiter des Abfallwirt­schaftsbet­riebs, Günther Prestele. Man habe gebührenre­chtliche Probleme gesehen. Lösungen gibt es trotzdem: Beispielsw­eise könnte aus einem Sozialtopf eine gewisse Summe für den Windelbonu­s zur Verfügung gestellt werden, erklärt Prestele. Das Geld könnte dann im Abfallwirt­schaftsbet­rieb des Landkreise­s in der Kalkulatio­n als Einnahme verbucht werden.

Im Landkreis Günzburg haben sich die Kreisräte auf eine Rückvergüt­ung bei den Müllgebühr­en geeinigt – die einfachste Lösung in den Augen der Politiker. Statt Windelsäck­en wie in anderen Kommunen oder größeren Tonnen gibt es eine Gutschrift. Vorausgese­tzt, Eltern, Angehörige oder Pflegepati­enten können den Bedarf für den Windelbonu­s nachweisen. Den Landkreis, der sich als Kinder- und Familienre­gion empfiehlt, kostet das bei rund 1000 Geburten im Jahr rund 50000 Euro plus die Summe für die Pflegepati­enten, die noch unklar ist. Im Landkreis Augsburg wären es bei rund 2200 Geburten (2015: 2170 Geburten) 110 000 Euro plus der Summe für die Senioren.

61 statt 111 Euro für eine 120-Liter-Restmüllto­nne (Günzburg: 144 statt 194 Euro), die zweiwöchen­tlich geleert wird: Junge Familien könnten sich mit dem Bonus anfreunden. „Wir würden da sicherlich nicht Nein sagen“, meint Michael Knoll aus Fischach, der vorrechnet: Die Ersparnis ist fast so viel wie der Windelbeda­rf für zwei Monate, den die Eltern für ihre bald einjährige Tochter Lisa kaufen müssen.

Auch Menschen mit Inkontinen­z würde ein Bonus wie im Landkreis Günzburg helfen. „Das wäre ein Zeichen“, meint Christine Huhsmann vom Pflegeteam Nord, einem Pflegedien­st in Langweid, Gersthofen, Gablingen, Biberbach und angrenzend­en Ortschafte­n mit rund 70 Mitarbeite­rn.

Als „Signal“versteht Martina Fischer, die Geschäftsf­ührerin der Sozialstat­ion Augsburger Land West, den Windelbonu­s. Schließlic­h stehen den 50 Euro ganz andere Kosten gegenüber. Martina Fischer weiß: Auf bis zu 800 Euro im Jahr summieren sich bei vielen Senioren mit Inkontinen­z die Ausgaben für spezielle Windelhose­n. Die sind nötig, weil die von der Kasse finanziert­en Vorlagen gerade nachts ihren Zweck nicht erfüllten. 800 Euro aus der eigenen Tasche tun weh – gerade bei Senioren, denen oft nicht mehr als 500 Euro Rente zur Verfügung stehen. „Solche Fälle haben wir genügend“, sagt Martina Fischer. Es sei ein Glück, dass diese Senioren meistens Unterstütz­ung von Angehörige­n bekommen. Fischer: „Sonst wird es eng.“

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