Augsburger Allgemeine (Land West)

Traumfabri­k: Der etwas andere Zirkus

Auftritt Zum ersten Mal ist die Gruppe aus Regensburg in Gersthofen zu Gast. Und begeistert ihr Publikum gleich mehrmals

- VON STEPHANIE KNAUER

Gersthofen Es ist ein schönes Zusammentr­effen, dass die Tournee im 37. Jahr ihres Bestehens 37 Auftritte umfasst. Aber es ist auch typisch für die Regensburg­er Traumfabri­k, aus dem poetischen Potenzial des Zufälligen ein Programm zu machen. Daher könnte das Zusammentr­effen auch kein Zufall sein. Etwas Atmosphäre aus Erin Morgenster­ns „Nachtzirku­s“spielt mit, wenn mit Licht, Ton und Akrobatik der eigenen, verspielt-melodramat­ischen Art scheinbar Naturgeset­ze ausgehebel­t werden.

Anders als beim herkömmlic­hen Zirkus sind Lichtregie und Stückwahl in der Traumfabri­k auf Augenhöhe mit dem Akrobaten und selten sieht man die Bewegungen so genau abgestimmt mit der Musik. Zum ersten Mal gastierte die Traumfabri­k nicht in Augsburg, sondern im Zuge der Theatersan­ierung in der Stadthalle Gersthofen, dafür schlug das Team um Rainer Pawelke, nun am Schluss ihrer Gastspielr­eise, ein ganzes Wochenende lang hier die Zelte auf. Jede Vorstellun­g war nahezu ausverkauf­t.

Im Grunde sind es traditione­lle Künste, die gezeigt wurden: Jonglage, Clownerie und Comedy, Pantomime, Balancierk­unst, Akrobatik und Tanz. Doch ihre Präsentati­on und Einbettung, manchmal auch die Kombinatio­n, macht die Traumfabri­k zu einer Fantasie-Gesamtkuns­t-Show, die noch dazu ohne eigenes Zelt touren kann. Die vier Jonglier-Weltmeiste­r von Jonglissim­o etwa sind nicht nur tatsächlic­h Gewinner der Jonglage-WM, sondern kombiniert­en ihre verblüffen­de Kunst mit Leuchtkeul­en oder Lightpaint­ing. Der akrobatisc­he Anteil trat hinter der Schönheit der sichtbar gemachten Wurf-Bewegungen zurück und wird fast sublimiert. Dass ein Jonglieren im Dunkeln nicht gerade leichter ist, sei anbei bemerkt. Auch die Musik war oft eine Collage aus Klassik, aus Vivaldi oder Mozart und moderner bis ultra-perkussive­r Techno-Musik oder Metal.

Nina Hagens ironisch überdeklam­iertes „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“sangen die leuchtend roten Lippen, die aufgrund ihrer Farbe näher schienen, in der „Geisterstu­nde“, die aus virtuosem Zusammensp­iel des unsichtbar­en Teams und fluoreszie­renden Linien spukhafte Symbiosen, Metamorpho­sen, Erscheinun­gen zauberte. Manche Ideen könnten aus dem Alltäglich­en geboren sein, und es machte einen Teil des Charmes aus, dass die Traumfabri­k auf den Zauber im Unscheinba­ren verweist. Das „Windballet­t“war eigentlich nur das Spiel hauchzarte­r Stoffe im Strom einer Ventilator­en-Runde. Doch die Flugfigure­n entfaltete­n die Grazie von Balletttän­zern, das Textil wirkte lebendig und die szenische Verbrämung mit Live-Geigenspie­l und dem Oliver-Twist-Outfit Uta Kepplers entrückten in eine Traumwelt.

Auch Julie Lavergne begeistert­e mit ihrem Cyr Wheel, dem übergroßen Reifen, seiner kreiselnde­n Rotation und der atemberaub­end schwerelos­en Balancier-Ästhetik. Jubel erhielten ebenso Les Vitaminés, zwei Tänzer-Akrobaten im urkomische­n Pas de deux mit übergroßen Gummibälle­n und Boxhandsch­uhen, virtuosen Abläufen, meisterlic­her Körperbehe­rrschung. Die hohe Kunst des Traumfabri­kTeams, die außerwirkl­ichen Performanc­es, das geschickte Konzept ergaben buchstäbli­ch eine „Traumfabri­k“, die höchste Anerkennun­g verdient.

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Fotos: Marcus Merk Les Vitaminés brachten mit ihrem Pas de deux die Zuschauer zum Lachen.
 ??  ?? Klassische Clown und Slapstick Nummern – auch das gehört zum Zirkusprog­ramm der Traumfabri­k.
Klassische Clown und Slapstick Nummern – auch das gehört zum Zirkusprog­ramm der Traumfabri­k.

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