Augsburger Allgemeine (Land West)
Entsteht ein Bürokratiemonster?
Zukunft Die Verwaltung soll zu jährlich 400 Stadtratsvorlagen eine „Nachhaltigkeitseinschätzung“ausfüllen. Das macht viel zusätzliche Arbeit. Warum der Umweltausschuss trotzdem einen Probelauf befürwortet
Augsburg hat einen Ruf zu verteidigen – als eine der nachhaltigsten Großstädte Deutschlands. Die Erfahrungen aus Augsburg sind gerade bei einer zweitägigen Konferenz in Berlin gefragt. Doch wie läuft es im Alltag? Wie kann man lokal so leben, dass es für den Planeten Erde und seine Menschen auch in Zukunft verträglich ist. Dieses Thema sorgte im Umweltausschuss des Stadtrats für Kontroversen. Anlass ist eine neue „Nachhaltigkeitseinschätzung“. Sie soll probeweise für jährlich rund 400 Beschlüsse des Stadtrats eingeführt werden. Das zugehörige Formblatt halten einige Stadträte für ein „Bürokratiemonster“. Ist es das wirklich?
Grundsätzlich geht es darum, Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Stadträte für das Thema Nachhaltigkeit stärker zu sensibilisieren, das sagt Umweltreferent Reiner Erben (Grüne). „Man soll nicht erst darüber nachdenken, wenn Projekte schon begonnen sind.“Zwar hat sich Augsburg theoretisch schon gut aufgestellt. Für die nachhaltige Stadtentwicklung gibt es sogenannte Zukunftsleitlinien. Norbert Stamm vom Büro für Nachhaltigkeit hält das aber nicht für ausreichend. „Wir haben schöne Leitlinien, aber wie bekommt man sie ins tägliche Tun?“Helfen soll die neue „Nachhaltigkeitseinschätzung“. Das Projekt wird vom Bayerischen Umweltministerium gefördert.
Konkret sollen Beschlussvorlagen des Stadtrats mit einem eigenen Formblatt versehen werden. Darin vermerken Verwaltungsmitarbeiter, wie sich der Beschluss nach ihrer Einschätzung auf die zukunftsfähige Entwicklung Augsburgs auswirken wird. Für diesen Nachhaltigkeits-Check gab es im vergangenen Jahr einen sechsmonatigen Testlauf. Daran beteiligten sich 17 von rund 60 städtischen Dienststellen. Die Ergebnisse stellte Erben im Umweltausschuss vor.
Danach braucht ein Verwaltungsmitarbeiter etwa 20 bis 35 Minuten, um das Formular zur „Nachhaltigkeitseinschätzung“auszufüllen. Betroffen keits-Check über längere Zeit auszuprobieren.
Groß ist teilweise auch die Skepsis von Stadträten. Als „Verwaltungsmonster“, das nur Zeit und Geld koste, bezeichnet Markus Arnold (FDP) in einer Pressemitteilung das Nachhaltigkeitsformular. Thomas Lis (Pro Augsburg) spricht von einem „Papier, das man in die Tonne treten kann“. Der zusätzliche Verwaltungsaufwand sei groß und bringe keinen realen Nutzen mit sich. Auch Peter Uhl (CSU) glaubt nicht, dass die zusätzliche Bewertung nötig ist, einem weiteren Probelauf stimmt er jedoch zu.
Der neue Check hat aber auch Befürworter. „Der Sinn ist, die Zukunftsleitlinien in das tägliche Denken und in die Umsetzung zu bringen“, sagt Martina Wild (Grüne) mit Blick auf Verwaltung und Stadtrat. Gabriele Thoma (SPD) hält die Hinweise aus dem Formular für nützlich. Das Formular sei mit etwas Routine schnell auszufüllen. Christian Pettinger (ÖDP) forderte Kritiker auf, bessere Alternativen zur „Nachhaltigkeitseinschätzung“aufzuzeigen.
Letztendlich befürwortete eine Mehrheit im Umweltausschuss, den Nachhaltigkeits-Check ab Mai für zwei Jahre probeweise einzuführen und dann 2019 zeitnah auszuwerten. Endgültig entscheiden wird darüber der Stadtrat, und zwar voraussichtlich im Februar. Laut Umweltreferent Erben steht Augsburg mit dem geförderten Projekt unter Beobachtung. Augsburg gilt als die erste Stadt in Bayern, die eine „Nachhaltigkeitseinschätzung“einführt. Die Augsburger Erfahrungen sollen später an andere Kommunen im Freistaat weitergegeben werden. Bislang sei Heidelberg die einzige deutsche Stadt, die ein entsprechendes Instrument für eine nachhaltige Entwicklung anwendet, sagt Stamm.