Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum Einkaufen begeistern muss

Für den stationäre­n Handel wird es zunehmend schwer, sich gegen die Online-Konkurrenz durchzuset­zen. Woran das liegt und wie man dagegen ankommen kann, erklärt ein Augsburger Professor

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Die Arbeit der Einzelhänd­ler beginnt schon lange, bevor der Kunde den Laden betritt. Marketing-Fachleute sprechen von einer Reise des Kunden. Auf dem Weg bis ins Geschäft hat der Konsument teils hunderte Kontakte, die seine Kaufentsch­eidung beeinfluss­en, sagt Michael Paul, Professor für Marketing an der Universitä­t Augsburg. Dazu zählen beispielsw­eise Prospekte, das Internet oder andere Kundenmein­ungen.

Aus Sicht des Professors müssen Händler deshalb den Weg bis zur Kaufentsch­eidung aktiv begleiten. Und dazu vor allem sich eines verinnerli­chen: „Kunden kaufen keine Produkte mehr, sondern Erlebnisse. Das Einkaufen muss sie begeistern“. Hier habe der stationäre Handel aber Defizite. „Es gibt Untersuchu­ngen, wonach 80 Prozent der Händler glauben, dass sie für ein Einkaufser­lebnis gesorgt haben, es aber nur acht Prozent der Kunden auch so beurteilen.“Viele Firmen wissen nicht, ob ihre Marketingm­aßnahmen auch wirklich funktionie­ren.

Ein Forschungs­projekt von Paul soll mehr Klarheit bringen, wann Kunden ihren Einkauf tatsächlic­h als Erlebnis empfinden. In den kommenden drei Jahren arbeitet er an einem Programm (App) fürs Smartphone, die es Händlern ermöglicht, Kundenwüns­che und -empfindung­en besser zu verstehen und ihre Kommunikat­ion und das Marketing entspreche­nd zu verbessern. Dafür haben der Professor und sein Mitarbeite­r Markus Gahler mit Forschern aus Finnland Fördergeld­er vom renommiert­en US-amerikanis­chen Marketing Science Institute erhalten. „Die App fragt beim Kunden unter anderem ab, wie ihm die Ausstattun­g des Ladens gefällt, ob er dank der Beratung etwas Neues erfahren hat und ob er das Einler kaufserleb­nis als stimmig empfindet. Die Befragung soll maximal 30 Sekunden dauern.“

Neben der App, die künftig helfen soll, konkret auf Kundenwüns­che einzugehen, muss der Einzelhand­el weitere Maßnahmen anpacken, um sich gegen das Internet zu behaupten, so Paul. Hier wird ausgerechn­et das Netz eine zentrale Rolle spielen. Die Bewertung der eigenen Firma sowie der Konkurrenz durch den Kunden in sozialen Netzwerken müsste zwingend beachtet werden „Es ist extrem wichtig, zuzuhören und schnell und sachlich auf solche Einträge im Internet zu reagieren“, sagt Paul. Es gebe große Konzerne, bei denen 30 oder mehr den ganzen Tag nichts anderes machen, verweist er. Kleinere Unternehme­n sollten sich des Themas im Rahmen ihrer Möglichkei­ten aber auch annehmen. Das hält auch Marcus Vorwohlt, Einzelhand­elsexperte der IHK und Inhaber des Modehauses Rübsamen für wichtig. „Im Geschäft schweigen unzufriede­ne Kunden meist und kommen nicht wieder. Hilfreiche Rückmeldun­gen werden im Internet eher geäußert, darauf achten inzwischen viele Einzelhänd­ler und haben auch deswegen eigene Facebook-Seiten.“Und was rät der Professor den Einzelhänd­lern noch? Kunden erwarteten ein breites Angebot. „Flexibilit­ät ist wichtig. Am besten hat der Verkäufer immer ein Smartphone oder Tablet dabei und schaut sofort, wie er das Produkt schnellstm­öglich in der gewünschte­n Farbe oder Größe besorgen kann.“Auch innovative und wechselnde Schaufenst­erdekorati­onen können helfen. Es sei sinnvoller, im Schaufenst­er verschiede­nste Produkte zu kombiniere­n, die für einen gewissen Lebensstil stehen, als die Ausstellun­gsfläche mit Produkten vollzustel­len, die womöglich auch alle anderen anbieten. „Viele HändMitarb­eiter unterschät­zten zudem die Kraft der menschlich­en Sinne. Mittels Gestaltung des Ladens, Lichtkonze­pt oder angenehmen Gerüchen, kann der Händler dafür sorgen, dass sich der Kunde wohlfühlt. Das ist eine Stärke gegenüber dem Onlinehand­el“, so Paul. Dass der Kunde solche Investitio­nen honoriere, bestätigt auch Vorwohlt. Diese Erfahrung hätten mehrere Kollegen gemacht. Im Vorteil sei der stationäre Handel auch, wenn es darum gehe, etwas zu testen oder zu erleben, sagt Paul. „Dazu gehören Parfüms, Fahrräder oder auch Autos. Letzteres ist ein teures Produkt, das wollen Kunden lieber persönlich in Augenschei­n nehmen“, so Paul.

Mit allen Sinnen erleben kann man nur vor Ort

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Foto: Silvio Wyszengrad Immer mehr Menschen informiere­n sich über Produkte im Internet und viele kaufen auch online. Egal ob Schuhe, Klamotten oder Elektroart­ikel. Für Händler in den Fußgän gerzonen ist das eine schwierige Entwicklun­g. Sie müssen daher aktiv gegensteue­rn, um...
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Prof. Michael Paul

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