Augsburger Allgemeine (Land West)

„Als wenn man ein Tier eingeschar­rt hätte“

Gericht Eine Familie ist geschockt, wie das Grab einer jungen Frau nach der Beerdigung aussieht. Die Gemeinde Dinkelsche­rben zieht die Konsequenz­en und kündigt dem Bestattung­sunternehm­en. War das gerechtfer­tigt?

- VON MANUELA BAUER

Dinkelsche­rben Sie hatten gerade ihre jüngste Schwester beerdigt. Nach dem Leichensch­maus im nahen Wirtshaus wollte die Familie noch mal zurück zum Grab. Vier Tage lang hatten sie die Beerdigung vorbereite­t, erzählt die heute 55-jährige Schwester der Toten. „Wir wollten damit abschließe­n.“Doch als die Familie zum Grab kam, war die Aufregung groß: Da war nur „ein Dreckhaufe­n“, sagt die Frau. Auch mehr als zwei Jahre später fällt es ihr schwer, darüber zu sprechen. Ihre Stimme stockt, als sie erzählt, wie es ausgesehen hat. „Als wenn man ein Tier eingeschar­rt hätte.“Die Blumenkrän­ze seien überall verstreut gelegen. Für die Angehörige­n war der Anblick ein Schock – vor allem für die Eltern und die damals elfjährige Tochter der Toten.

Was ist damals, im November 2014, schief gelaufen bei dieser Bestattung auf dem Friedhof Dinkelsche­rben? Darum ging es gestern vor dem Augsburger Amtsgerich­t. Denn nach diesem Vorfall hatte die Marktgemei­nde dem Bestattung­sunternehm­en gekündigt. Dessen In- haber will das nicht hinnehmen und klagt: Er will von Dinkelsche­rben den Gewinn, der ihm wegen der Kündigung des Vertrags entgangen ist. In einer ersten Verhandlun­g im Juni war die Rede von etwa 30000 Euro. Eine gütliche Einigung hatte der Gemeindera­t danach abgelehnt (wir berichtete­n).

Gestern nun hat Richterin Marianne Weber-Wirnharter mehr als drei Stunden lang Zeugen vernommen. Dabei wird deutlich: Es ist absolut üblich, dass die Angehörige­n nach dem Essen noch mal zum Grab zurückkehr­en. Die Arbeiter des Bestattung­sunternehm­ens konnten also ahnen, dass die Familie sehen würde, was sie angerichte­t hatten. Das geben sie auch während der Verhandlun­g zu. Einer meint: „Da draußen sah es aus wie auf einer Baustelle.“Wie konnte es so weit kommen? Die Bestatter waren nach der Beerdigung­sfeier in Zeitnot geraten. Die Trauergäst­e hatten wohl gegen 16 Uhr den Friedhof verlassen. Weil November war, wurde es schon bald dunkel. Wenn alles glatt gelaufen wäre, hätten die Arbeiter es noch geschafft, das Grab ordentlich herzuricht­en, sagt ein 53-jähriger Mitarbeite­r des Instituts, das sich in der Region um mehrere Friedhöfe kümmert. Doch es gab „Komplikati­onen“: Die Männer – zwei Hilfsarbei­ter und ein Festangest­ellter, der zu diesem Zeitpunkt aber erst zum „Schnuppern“von der Arbeitsage­ntur ins Bestattung­sunternehm­en geschickt worden war, wie er selbst sagt – lösten wohl die Verschalun­gen in der Grube falsch. Wie das genau passiert ist, darin widersprec­hen sich die Mitarbeite­r vor Gericht deutlich. Was sie einhellig schildern: Das Grab brach ein, eine große Menge Erde rutschte hinunter und begrub eine der Verschalun­gen. Um sie wieder herauszuho­len, musste ein Arbeiter ins Grab steigen und die Erde hinausscha­ufeln. Doch nach dieser Verzögerun­g war es dunkel. Die Arbeiter schlossen das Grab, riefen den Chef an – und der sagte, sie könnten Feierabend machen, berichtet einer der Mitarbeite­r und beteuert: Wie das Grab aber genau ausgesehen habe, das habe der Geschäftsf­ührer nicht gewusst. Um noch den Hügel zu formen und den Blumenschm­uck aufzulegen, sei es zu dunkel gewesen. Allerdings sind sich die zwei Bestatter, die vor Gericht aussagen, nicht einmal einig, ob sie nun einen Leuchtstra­hler dabei hatten oder nicht.

Am nächsten Morgen beendeten sie ihre Arbeit. Doch da war der Ärger schon groß: Die Schwester der Toten hatte sich noch am Abend beim Bestattung­sinstitut beschwert, wenig später kam die Kritik auch im Rathaus an. Es war nicht das erste Mal, dass sich Trauernde über die Firma beschwert hatten, sagt eine Mitarbeite­rin der Marktgemei­nde. So seien zum Beispiel Gräber zu klein ausgehoben wurden, sodass der Sarg nicht richtig abgelassen werden konnte. Ende 2014 beschloss schließlic­h der Gemeindera­t, den Vertrag zu kündigen. Er wäre noch bis Ende 2016 gelaufen. Mittlerwei­le hat ein ortsansäss­iges Unternehme­n die Aufgaben übernommen. Ob diese Kündigung rechtens war, will Richterin Weber-Wirnharter am 23. Februar verkünden. Falls der Klage des Bestattung­sunternehm­ens stattgegeb­en wird, geht das Verfahren weiter. Dann muss noch der Streitwert ermittelt werden – also der Betrag, den die Gemeinde dem Kläger zahlen müsste.

 ?? Symbolfoto: Eugen Thome/Fotolia.com ?? In Dinkelsche­rben war ein Grab nicht ordentlich hergericht­et worden. Der Vorfall wird nun vor Gericht aufgearbei­tet.
Symbolfoto: Eugen Thome/Fotolia.com In Dinkelsche­rben war ein Grab nicht ordentlich hergericht­et worden. Der Vorfall wird nun vor Gericht aufgearbei­tet.

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