Augsburger Allgemeine (Land West)
Loslassen und Halt geben
Was eine Kindertherapeutin den Eltern pubertierender Jugendlicher rät. Seelische Veränderung dauert länger als die körperliche
Dinkelscherben Sie sind inzwischen eine feste Einrichtung an der HelenKeller-Schule in Dinkelscherben: die Vortragsreihen, in denen Fachleute nicht nur über Probleme Jugendlicher referieren, sondern den Eltern auch Hilfestellungen anbieten, wie man in entsprechenden Problemsituationen reagieren kann.
Den Auftakt der diesjährigen Vortragsreihe bildete ein Referat der Kindertherapeutin Karin Seibold. Unter dem Motto „Vom Kind zum Jugendlichen“nahm sie zur Situation der Jugendlichen in der Pubertät und Adoleszenz Stellung. Während mit „Pubertät“vor allem die körperlichen Veränderungen bei Jugendlichen gemeint ist, bezieht sich die „Adoleszenz“vorwiegend auf deren seelische Entwicklung, wobei diese länger dauert als die Pubertät. Die Veränderungen beim Jugendlichen verlaufen heute ganz anders als vor 40 Jahren, betonte Seibold. So haben sich unter anderem die Familienstrukturen geändert. Der ständige Wechsel zwischen den getrennt lebenden Partnern stelle eine Dauerbelastung für das Kind dar. In der Adoleszenz ändert sich sehr stark das Sozialverhalten, Wertvorstellungen wackeln, die Identifizierung mit Idolen findet verstärkt statt.
Aufgabe der Eltern sei es, rechtzeitig für eine stabile Eltern-KindBindung zu sorgen. Je stärker diese ist, desto besser ist das Kind in der Lage, neue Bindungen zu knüpfen. Was für Karin Seibold besonders schlimm ist, ist der uneingeschränkte Zugang Jugendlicher zu pornografischen Darstellungen im Internet. Sie beklagte, dass hier von staatlicher Seite kein Verbot der prosperierenden „Pornoindustrie“erfolge und Jugendliche gerade in der Entwicklung ihrer Sexualität nicht geschützt würden. Die Referentin riet den Eltern, Interesse daran zu zeigen, womit sich ihre Kinder im Internet beschäftigen, sie zu kontrollieren, was sie sich ansehen, und wie viel Zeit sie mit den modernen Medien verbringen.
Jugendliche neigen in der Pubertät eher dazu, ein Risikoverhalten zu zeigen, was die Unfallgefährdung steigen lässt. Vielfach werden von ihnen bewusst Grenzen überschritten, die jedoch auch einen Hilferuf darstellen können, sagte Seibold. Deswegen müssten die Eltern ein Feingefühl für die Situation ihrer Kinder entwickeln, ihnen Verständnis entgegenbringen, Vertrauen aufbauen und vor allem Vorbilder sein. Sie sollen „ein sicherer Hafen“für ihre Kinder sein, den diese bei allen auftretenden Problemen ansteuern können. „Loslassen und Halt geben“, so fasste es die Referentin zusammen. (mima) O
Der nächste Vortrag findet am Don nerstag, 23. Februar, um 19.30 Uhr in der Schule statt. Dann geht es um Autis mus.
Interesse zeigen für die Aktivitäten mit modernen Medien