Augsburger Allgemeine (Land West)
Münchner Friedensgespräche
Union CDU und CSU wollen sich bei ihrem Versöhnungstreffen endlich zusammenraufen. Seehofer steckt in einem Dilemma
München
Gerade mal zwei Wochen ist es her, als Horst Seehofer wieder äußerst zuversichtlich wirkte. Als Zielmarke für die Union bei der Bundestagswahl im September gab der CSU-Chef plötzlich 40 Prozent aus. Doch dann kam Martin Schulz. Seit die SPD ihren Kanzlerkandidaten präsentiert hat, geht es für CDU und CSU in Umfragen wieder bergab. Das trifft die Union ins Mark. Zumal der Zeitpunkt so ungünstig ist: Selten waren CDU und CSU – oder vielmehr ihre Vorsitzenden – derart zerstritten wie jetzt.
Mit einer Verfassungsklage hatte Seehofer der Kanzlerin gedroht, und nun will er seine Partei im Falle eines Wahlsiegs der Union an keiner Regierung im Bund beteiligen, wenn im Koalitionsvertrag nicht eine Obergrenze für neuankommende Flüchtlinge verankert würde. Das wäre der Bruch der traditionsreichen Fraktionsgemeinschaft der Schwesterparteien im Bundestag. Während die SPD Hoffnung schöpft, wollen CDU und CSU endlich Frieden schließen. Am Sonntag treffen sich die Spitzen beider Parteien in der CSU-Zentrale – offizieller Titel „Zukunftstreffen“, inoffizieller Titel „Versöhnungstreffen“. Sinn und Zweck: den tiefen Graben zuschütten, den Blick nach vorne richten. Am Montag soll Merkel endlich auch von der CSU zur Kanzlerkandidatin ausgerufen werden. Monatelang hatte die kleine bayerische Schwesterpartei die Kanzlerin hingehalten, hatte sich um ein klares Bekenntnis zu ihr gedrückt. Bei der CDU haben sie da nur noch die Augen verdreht. Doch Merkel blieb demonstrativ gelassen und hielt an dem so lange geplanten Treffen trotz aller Provokationen fest. Es ist die bekannte Doppelstrategie, die die CSU seit langem fährt: einerseits Merkel unterstützen, andererseits Distanz halten, etwa in der Flüchtlingspolitik, um so viele Wähler am rechten Rand zu binden wie möglich. Während die SPD ihren Schulz euphorisch feiert, wird Merkel von der CSU allenfalls kühl unterstützt. Doch selbst das geht manchem in der CSU zu weit. Viele, die Seehofers Anti-Merkel-Kurs seit Beginn der Flüchtlingskrise so gefeiert haben, sind ob des Einlenkens nun enttäuscht, manche erbost. Seehofer steckt in einem Dilemma – wie wütende Kommentare auf seiner Facebook-Seite zeigen.