Augsburger Allgemeine (Land West)
Fastnacht: Fest der Maskeraden und der Fleischeslust
Brauchtum Schwäbisch-alemannischer Fasching wohl 500 Jahre alt. Vor der Fastenzeit kam das Vergnügen. Geburtenanstieg verzeichnet
Landkreis Augsburg Eine Fundgrube für Volkskundler und Brauchtumsforscher ist die Fastnacht. Obwohl unser schwäbisch-bayerischer Landstrich – anders als das benachbarte Oberschwaben jenseits der Iller – keine echte Fastnachtlandschaft ist, in der sich typische Bräuche entwickelt haben, wurde Fas(t)nacht und Karneval doch von alters her überall gefeiert.
Maskerade, Faschingsbälle, Faschingskränzchen und Mummenschanz sind durchaus Begriffe, die in frühen Umfragen über das Fastnachtsbrauchtum auch bei uns genannt werden. Die Haupttage der Fastnacht sind auch in BayerischSchwaben der „G(l)umpige“– im alemannischen Sprachgebrauch der „Schmotzige“– Donnerstag, der „Rußige Freitag“, der „Schmalzige Samstag“(Schmalz und Fett mussten noch verwendet werden, ehe die Fastenzeit begann), der Faschingssonntag, Rosenmontag und Faschingsdienstag, die sogenannte richtige Fas(t)nacht.
Die schwäbische Fastnacht ist nicht zu verwechseln mit den verhältnismäßig jungen, Ende der 1960er-Jahre aus dem rheinischen Karneval entsprungenen Faschingsgesellschaften. Die Frage, wie alt die schwäbische Fastnacht ist, beantwortet der Rottweiler Fastnachtforscher Werner Mezger in der Mitte zwischen „einige Jahrzehnte“und „in grauer Vorzeit“: Der Volkskundler sieht die Wurzeln der schwäbisch-alemannischen Fastnacht vor rund 500 Jahren. Von der katholischen Kirche sei das traditionelle „Schwellenfest“vor den Beginn der 40-tägigen vorösterlichen Fastenzeit gesetzt worden.
Fastnacht war noch einmal ein „Fest der Fleischlichkeit“, da die Fastenzeit einen ungeheuren Einschnitt in das Wirtschaftsjahr bedeutete. Fastenzeit hieß ja nicht nur, dass kein Fleisch mehr gegessen werden durfte, vielmehr war auch der Verzehr aller anderen tierischen Produkte wie Milch, Käse, Eier und Schmalz untersagt. Fest der Fleischlichkeit auch in anderer Hinsicht: Nicht nur das Essen von Fleisch wurde vor der Fastenzeit noch einmal richtig „inszeniert“, sondern in der Fastnacht ließ man auch der sonstigen Fleischeslust, nämlich der Sexualität, noch einmal freien Lauf.
Nicht von ungefähr kam es daher, dass Fastnacht ein beliebter Heiratstermin war, sollten doch die Hochzeitsnacht und der Vollzug der Ehe noch in die „tollen Tage“gelegt werden. Dies sollte unter keinen Umständen in der anschließenden sogenannten „geschlossenen Zeit“geschehen. Statistiken belegen übrigens eindeutig, dass sich die Menschen sehr genau an diese kirchlichen Vorgaben hielten: Jeweils neun Monate nach Fastnacht sei überall im Lande ein deutlicher Geburtenanstieg festzustellen gewesen. Noch heute sei es ja vielerorts so, dass die geschlossenen Zeiten Advent und österliche Fastenzeit keine beliebten Termine für Tanzveranstaltungen und Hochzeiten sind, so Mezger.
Die Berufsgruppe, die durch die Fastnacht noch einmal zu Geld kommen konnte, waren die Metzger. Sie durften deswegen in vielen Städten die Fastnacht „ausrichten“oder hatten in dieser Zeit ganz besondere Privilegien.
Unter den vielen weiteren Formen der Vergnügung und der Darstellung in der Fastnacht tritt besonders das weitverbreitete Fastnachtsspiel hervor. Während das ganze Jahr über vorwiegend liturgisches und geistliches Theater dargeboten wurde, durften einmal im Jahr auch rein weltliche Stoffe inszeniert werden. Für diese Fastnachtsspiele bedienten sich die Darsteller häufig der Requisiten, Kostüme und Masken, die im kirchlichen Fundus vorrätig waren und sonst für religiöse Schauspiele benötigt wurden. Am liebsten wurden dabei natürlich die Negativgestalten, wie etwa der Teufel, ausgewählt.