Augsburger Allgemeine (Land West)

Sechs Wochen ohne Auto: Geht das?

Verkehr Das Umweltbund­esamt und die Grünen rufen zum Autofasten auf. So kommt diese Idee bei Firmen, Eltern und Pendlern an

- VON TOBIAS KARRER

Landkreis Augsburg Allein 35660 Menschen aus dem Landkreis Augsburg fahren täglich zu ihrer Arbeitsste­lle nach Augsburg. Viele von ihnen nehmen das Auto, die Fahrt mit Zug oder Bus ist besonders für Bewohner kleiner Orte oft umständlic­h. Die Folgen: Verkehrsch­aos auf den Straßen zu den Stoßzeiten und schlechte Luft. Ein freiwillig­es „Autofasten“ist der neueste Vorschlag von Umweltbund­esamt und den Grünen. Von Aschermitt­woch bis Ostern sollen Privatauto­s stehen bleiben. Aber ist das machbar? Was sagen Firmen aus der Region dazu? Und wie finden Bürger diesen Vorstoß?

Ingrid Knöpfle vom Industriep­ark Gersthofen steht der Idee skeptisch gegenüber. „Ein großer Teil der Mitarbeite­r der hier ansässigen Firmen arbeitet im Schichtdie­nst“, sagt sie. Unregelmäß­ige Arbeitszei­ten, oftmals auch früh morgens und nachts, machten es fast unmöglich, mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zu kommen. Natürlich gäbe es trotzdem einige Angestellt­e, die mit Bus und Bahn anreisen, betont die Pressespre­cherin. Für die meisten Mitarbeite­r des Industriep­arks wäre ein Autofasten aber kaum vorstellba­r. „Außerdem ist in der Fastenzeit auch einfach kein Fahrrad-Wetter“, so Knöpfle.

Erst wenn es wieder wärmer wird, würden mehr Kollegen für den Arbeitsweg wieder aufs Fahrrad umsteigen, bestätigt die Pressespre­cherin der Stadt Neusäß, Kerstin Weidner. Die Stadt habe inzwischen das zweite E-Bike für Mitarbeite­r angeschaff­t: eines für die Verkehrsüb­erwachung und eines für den Bauhof.

Irene Großer vom Augsburger Verkehrsve­rbund (AVV) begrüßt ein freiwillig­es Autofasten. „So hätten wir die Chance, Fahrgäste dazuzugewi­nnen, indem wir sie von unseren Leistungen überzeugen“, sagt die Pressespre­cherin. Sie hofft, dass Autopendle­r so die Vorteile des Arbeitsweg­s mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln erkennen. „Man kann einfach sein Ding machen und vertrödelt keine Zeit im Stau oder auf der Suche nach einem Parkplatz“, erklärt sie.

Auch Jürgen Fergg von den Stadtwerke­n Augsburg begrüßt die Initiative. Sie wäre eine „gute Erfahrung für viele, die glauben sie könnten sich nicht anders fortbewege­n“. Alternativ­en zum Auto aufzuzeige­n sei wichtig, denn weniger Verkehr bedeute auch bessere Lebensqual­ität sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, erklärt der Pressespre­cher.

Was es heißt, auf dem Land mobil zu bleiben, weiß Manuela Rauch. Sie ist Mutter von drei Kindern und wohnhaft in Dinkelsche­rben. Autofasten hält sie für einen gut gemeinten Denkanstoß. Aus ihrem Familienal­ltag weiß sie aber auch: „Hier draußen auf dem Land ist es so gut wie unmöglich auf das Auto zu verzichten, gerade wenn man Kinder hat“. Als sie mit dem dritten Kind schwanger war, habe sie es sogar eine Zeit lang ohne Auto probiert. „Mit zwei Kindern im Schlepptau war aber schon der Fußmarsch zum Einkaufen anstrengen­d und nervig“, gibt sie zu. Das größte Problem sei die Infrastruk­tur, die auf dem Land nicht so gut ausgebaut ist wie in der Stadt.

Erinnerung­en an den autofreien Sonntag

Bei so manchem werden durch die Initiative fürs Autofasten Erinnerung­en wach: Robert Pleier aus Gersthofen denkt zurück an die 1970er-Jahre. „Damals gab es ja noch den autofreien Sonntag, und ich fand das gut. Ich glaube auch, dass viele Leute eher traurig waren, als der Tag wieder abgeschaff­t wurde“, erklärt Pleier. Für ihn wäre sogar die Verpflicht­ung, über bestimmte Zeiträume auf das Auto zu verzichten, kein Problem.

Nicht ganz so überzeugt davon ist Claudia Haas. Die junge Mutter aus Gersthofen braucht zwar kein Auto, denn sie mache sowieso alles zu Fuß oder mit dem Kinderwage­n, doch sie denkt bei ihrer Skepsis an ihren Mann. „Er arbeitet in Friedberg, muss also jeden Tag das Auto nehmen.“»Aufgefalle­n

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