Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Helfer spüren eine große Verantwortung
Soziales In Neusäß gibt es die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe seit knapp vier Jahren. In dieser Zeit haben die Ehrenamtlichen viel gelernt und noch mehr geleistet
Neusäß Freitagabend ist für die meisten Flüchtlinge in Neusäß ein fester Termin. Dann trifft man sich nämlich im Salam – einem Ort der Begegnung hinter dem Rathaus. Den Treff hat die Flüchtlingshilfe Neusäß ins Leben gerufen, damit die rund 150 Asylbewerber im Stadtgebiet in lockerer Runde auch mit Leuten zusammenkommen können, die nicht in ihrer Unterkunft wohnen. „Das ersetzt ein bisschen die Kneipe um die Ecke“, erklärt Helge Bühne. Sie ist eine von 90 ehrenamtlichen Helfern und Mitglied im Koordinationsteam, dem auch Silvia Dassler und Susanne Kern angehören.
Die drei Neusässerinnen halten die vielen Fäden der Flüchtlingshilfe in der Hand, stimmen die Aktivitäten der Helfer ab und verwalten das „Gehirn“der Initiative: ein internes Internet-Forum, das nicht öffentlich zugänglich ist, wo aber alle Termine und Angelegenheiten von den Helfern eingetragen und abgesprochen werden.
Hier findet ein reger Austausch darüber statt, wer was an welchem Tag macht, wer sich um welches Problem kümmert. Und alle haben Zugang zu denselben Informationen. „Das ist extrem hilfreich“, erklärt Silvia Dassler, denn Flüchtlinge hätten zum Beispiel die Angewohnheit, ihre Bitte mehreren Helfern vorzutragen, „weil sie aus ihrem Heimatland nicht gewohnt sind, dass sonst überhaupt irgendwas passiert“. Die Folge war früher: Gleich mehrere Leute haben sich um das Anliegen gekümmert und hatten unnötige Mehrarbeit.
Wie die Koordinatorinnen schildern, laufe die Hilfe in Neusäß inzwischen nicht zuletzt aufgrund dieses Forums weitgehend wie am Schnürchen. Es gibt „Experten“für die verschiedenen Bereiche, die auch im Forum ihr eigenes „Kapitel“haben: Die einen geben Deutschkurse und Nachhilfe für Schüler, die anderen kümmern sich um Praktika, Ausbildung und Kurse, andere um die Wohnungssuche, die vielfältigen Anträge bei Behörden oder Arztbesuche. „Das war anfangs nicht einfach“, erzählt Susan- ne Kern, „aber viele Helfer haben sich richtig in die Thematik eingearbeitet, bis sie sich gut auskannten.“Sie seien schon stark gefordert.
Gut sei aber, dass sich nicht jeder für alle Probleme zuständig fühlen muss, die Last ist auf viele Schultern verteilt, jeder hat sein Spezialgebiet. „Trotzdem spüren die Helfer eine große Verantwortung“, sagt Silvia Dassler, im Sinne ihrer Schützlinge keine Frist zu versäumen, sie auf ihrem Weg weiterzubringen.
Die Gruppe der Ehrenamtlichen in Neusäß ist „eine Mischung querbeet“, so Helge Bühne: alle Altersund Berufsgruppen, jedoch mehr Frauen als Männer. Vor allem die arabischen Männer könnten von mehr männlichen Bezugspersonen profitieren, meinen die Koordinatorinnen.
In den vergangenen Monaten gab es immer mal wieder das Problem, dass Flüchtlinge in den falschen Kursen saßen: Ein Analphabet im Integrationskurs – das sei einfach rausgeschmissenes Geld gewesen. Doch das habe sich gebessert, die staatlichen Angebote und die Arbeit der Bildungskoordinatoren des Landkreises greifen. Gut klappt auch die Zusammenarbeit mit der Sozialberatung der Diakonie. „Inzwischen wissen die Helfer, wohin sie sich wenden müssen, wer wofür zuständig ist“, so Dassler.
Im Landratsamt selbst hält man das Durcheinander bei den Flüchtlingskursen für noch nicht bereinigt. Vom Kreistag ließ sich die Behörde eine weitere Stelle bewilligen, ein spezieller Koordinator soll jetzt versuchen, das Chaos bei den Flüchtlingskursen in den Griff zu bekommen. Dort gebe es ein Wirrwarr von Angeboten, hieß es Anfang Februar in einer Sitzung des Kreisausschusses, als es um das Thema ging (wir berichteten).
In Neusäß sind die Flüchtlinge im ganzen Stadtgebiet verteilt, die Hälfte lebt in Alt-Neusäß in den Häusern in der Siemensstraße in Viererzimmern (rund 70), weitere 80 sind auf die Stadtteile Ottmarshausen, Täfertingen, Steppach und Hainhofen verteilt. Sie kommen überwiegend aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Irak, Eritrea und Nigeria. Demnächst sollen wieder zwei Familien aus Nigeria ankommen, andere sind aus den Unterkünften bereits ausgezogen. Gegründet hat sich der Helferkreis 2013, als die ersten Asylsuchenden ankamen. Nachdem die Turnhalle der Realschule belegt wurde, haben sich bei einer Infoveranstaltung die ersten Ehrenamtlichen in eine Liste eingetragen. Seitdem ist der Kreis weiter gewachsen, wobei viele als Springer fungieren, einige hören auf, neue kommen hinzu. Es gibt feste Kümmerer für jeden Standort, zudem auch Familienpaten, die sich vor allem um die Anmeldung der Kinder in Kindergarten, Schule und Hort sowie um Impfungen und Arztbesuche kümmern. Von den insgesamt rund 150 Flüchtlingen sind 25 Kinder.
Einige Hilfen sind inzwischen feste Einrichtungen: Hinter der Unterkunft in der Siemensstraße gibt es eine Fahrradwerkstatt und eine Kleiderkammer, der Deutschunterricht findet an vier Tagen die Woche statt. Und dann der Freitagabend, wenn es ins Salam geht – das heißt Frieden.