Augsburger Allgemeine (Land West)
Hilfe aus Horgau für die Insel der Widersprüche
Aktion Mit ihrer Initiative „Share“setzt sich Elfriede Käsmayr gegen Armut und Krankheit auf Sri Lanka ein. Warum sie nun kürzertritt
Horgau Erst seit wenigen Tagen ist Elfriede Käsmayr wieder in Deutschland. Mehrere Wochen war die Horgauerin auf Sri Lanka unterwegs, der kleinen Insel im Indischen Ozean, auf der 2004 durch einen Tsunami rund 280 000 Menschen ums Leben kamen. Käsmayr macht dort nicht etwa Urlaub. Sie hat vor fast 30 Jahren den Verein „Share“gegründet und sich die Hilfe von alten und kranken Menschen zur Lebensaufgabe gemacht.
Angefangen hat alles in den Slums der Hauptstadt Colombo. „Dort, wo sonst keine Hilfe ankommt“, wie Elfriede Käsmayr sagt. Sie erzählt vom Elend und der Armut, die fernab von schicken Hotelanlagen den Alltag der Menschen bestimmt. Sri Lanka, so sagt sie, sei eine Insel der Widersprüche. Das subtropische Klima sorgt für fruchtbaren Boden und macht den Inselstaat wegen seiner idyllischen Strände zum beliebten Reiseziel. Auch die Wirtschaft hat angezogen, vor allem, seit der jahrzehntelange Bürgerkrieg 2009 beendet wurde.
Doch nicht alle haben vom Boom profitiert. Wer es nicht schafft, sich in der Metropole das Überleben mit einem Job zu sichern, der landet nicht selten in einer der Baracken vor den Toren der Stadt. Im dichten Labyrinth aus Wellblech und Müll wohnen die Verlierer des Aufbruchs. „Wer in den Slums lebt, kommt meistens nicht wieder heraus“, sagt Käsmayr. Medizinische Versorgung und sauberes Wasser sind Mangelware. Infektionen breiten sich in Windeseile aus. „Schon eine harmlose Krankheit kann schnell lebensbedrohlich werden“, weiß Käsmayr.
Share kümmert sich zunächst um die alten Menschen. Eine bewusste Entscheidung, erklärt sie. „Kinder lassen oft ihre Eltern zurück, wenn sich die Gelegenheit bietet, woanders Arbeit zu finden.“Werden die Alten dann krank, nimmt das Drama seinen Lauf. Ein soziales Netz oder eine Absicherung gibt es nicht. „Die Menschen geraten in Vergessenheit und vegetieren nur noch dahin“, erzählt Käsmayr. So oft wie möglich reist sie auf die Insel, geht durch die Slums von Colombo, reinigt Wunden und verbindet offene Beine. Gemeinsam mit Celine, ihrer Freundin und Mitbegründerin von Share, organisiert sie Krankentransporte und Medikamente.
Irgendwann stellten sie die erste Krankenschwester ein. Heute sind es bereits 15 ausgebildete Fachkräfte, die für Share unterwegs sind, und längst helfen die Engel in der blauen Schwesterntracht nicht mehr nur in den Slums der Hauptstadt.
Auch im Süden und Norden des Landes hat der Verein Projekte. Dort fahren die Krankenschwestern auf die Dörfer, die selbst mit dem Auto schwer zu erreichen sind. Die Regionen sind von der Agrarwirtschaft geprägt. Die floriert zwar, doch der Erfolg hat seinen Preis. „Die Bauern verwenden oft sehr viel Düngemittel, weil höhere Erträge auch mehr Gewinn versprechen“, sagt Käsmayr. Die intensive Landwirtschaft führt vielerorts zu großen Problemen, denn Stickstoffe und Pestizide gelangen ins Grundwasser und verseuchen Brunnen und Quellen. Viele Bauern werden schon in jungen Jahren schwer krank. Die Initiative organisiert regelmäßige Fahrten zum Arzt und zur Dialysestation.
Zuletzt hatte der Verein Wassertanks beschafft, die das Regenwasser filtern und so für sauberes Trinkwasser sorgen. „Es sind die vielen kleinen Dinge, die wir geschafft haben“, sagt Käsmayr. In fast 30 Jahren hat der Verein zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht und mehr als 3000 Menschen geholfen.
Elfriede Käsmayr ist stolz darauf. Jetzt sei es an der Zeit, etwas kürzerzutreten. „Die Reisen werden in meinem Alter zunehmend anstrengend“, sagt sie, und es klingt beinahe etwas entschuldigend. Dabei wird sie bald 79 Jahre alt. In zwei Jahren will sie sich aus dem Vorstand zurückziehen. Rowina, die Tochter der Share-Mitgründerin, übernimmt den Vorsitz und sichert damit die Zukunft des Vereins. „Unser Ziel ist es, nach und nach die Projekte in die Hand der Einheimischen zu geben“, erklärt Käsmayr.
Ans Aufhören denkt die aktive Horgauerin aber nicht. Sie will weiter um Spenden werben und die Not der Inselbewohner in den Köpfen der Menschen wachhalten. Der FC Horgau, die Spielvereinigung Auerbach-Streitheim und die katholische Kirche gehören zu den langjährigen Förderern. Auch auf den Rückhalt des Katholischen Frauenbunds und die Hilfe von ihrer Familie und Freunden sei immer Verlass. Käsmayr weiß, ohne die finanzielle Unterstützung wäre die Arbeit vor Ort unmöglich. Share sei nun mal ihr Lebenswerk und ihr Antrieb, erklärt sei. Denn nach wie vor gelte der Grundsatz: „Wenn man krank und arm ist, hat man keine Chance zu überleben.“