Augsburger Allgemeine (Land West)
Hinter Schloss und Riegel
Prozess Ein 70-Jähriger verwandelt die Gartentür seines Grundstücks in ein Hindernis für seine Mieterin. Jetzt steht er vor Gericht
Günzburg Vor dem Günzburger Amtsgericht wurde ein kurioser Fall von Freiheitsberaubung behandelt. Richter Rafael Ruisinger musste sich mit einem Ereignis im Frühjahr 2016 in einer Stadt im Landkreis Günzburg befassen. Dort wollte eine Mieterin morgens gegen 9 Uhr zu einem Arzttermin. Doch daraus wurde nichts: Der Vermieter hatte das Gartentürchen des Anwesens mit einem Fahrradschloss in ein unüberwindliches Hindernis verwandelt. Das erboste die ältere Mieterin so, dass sie mit ihrem Mobiltelefon die Polizei zu Hilfe rief. Erst etwa eine Stunde später war das Hindernis überwunden, denn die Freunde und Helfer hatten die Ehefrau des Hauseigentümers herbeizitiert. Sie entfernte das Fahrradschloss.
Die juristische Einstufung dieses Geschehens als Freiheitsberaubung brachte dem Verursacher einen Strafbefehl über 25 Tagessätze zu 25 Euro ein, insgesamt also 750 Euro. Diesen Betrag wollte der knapp 70-Jährige nicht akzeptieren und ließ seine Rechtsanwältin Sabine Bieber Widerspruch einlegen. Deshalb kam es nun zur Verhandlung.
Der Angeklagte beschrieb, warum er zu dem ungewöhnlichen Mittel gegriffen hatte. „Die Mieterin hat das Tor nie richtig geschlossen.“Insbesondere wenn sie Besuch hatte, sei das Tor offen geblieben. Weil der Hauseigentümer Schäferhunde hielt, wollte er vermeiden, dass die Vierbeiner sich vom Grundstück entfernen und eventuell jemanden beißen. Deshalb habe er am Vorabend des fraglichen Tages zur Selbsthilfe in Form des Fahrradschlosses gegriffen. Am nächsten Morgen habe er aber wegen „Hektik“versäumt, das Schloss wieder zu entfernen. Und überhaupt wäre das Öffnen des Gartentores kein Problem gewesen: Die Mieterin hätte ja nur seine Ehefrau anzurufen brauchen, die im Haus gewesen sei: „Es war zu keinem Zeitpunkt die Absicht gewesen, die Frau einzusperren“, sagte der Angeklagte.
„Warum haben Sie das Tor doppelt gesichert?“, fragte Richter Ruisinger. Die Tür habe geklemmt, kam als Antwort. Beweisfotos, angefertigt von der Polizei, zeigten ein geschlossenes Gartentürchen. „Die Mieterin brachte es nicht auf“, versuchte der 69-Jährige eine Erklärung. Das Schloss habe er angebracht, weil ihm schon einmal vier nagelneue Reifen vom Hof gestohlen wurden und er Bedenken wegen Personen hätte, die das Grundstück einfach betreten könnten.
Auf Frage des Richters, warum der Angeklagte denn so lange mit der Reparatur des Schlosses gewartet habe, kam nur zur Antwort, dass das Türchen sich früher absperren ließ, aber in den vergangenen drei Jahren offen geblieben sei. Außerdem habe die Mieterin ja sonst nie so früh wegmüssen. Darauf komme es nicht an, gab ihm Richter Ruisinger zu verstehen. Allein die Absperrung mit dem Fahrradschloss reiche als „bedingter Vorsatz“. „Der Sinn und Zweck des Schlosses erschließt sich für mich nicht“, blieb Richter Ruisinger bei seiner Auffassung, dass die Freiheitsberaubung erfüllt sei.
Mittlerweile ist die betroffene Frau aus der Wohnung ausgezogen, war vor Gericht zu erfahren.
Über eine von der Anwältin ins Gespräch gebrachte Senkung der Tagessätze ließ der Richter nicht mit sich reden. Schließlich verfüge der Angeklagte mit seiner Frau über genügend Einkommen. Nach kurzer Beratung wurde der Einspruch gegen den Strafbefehl zurückgenommen, sodass die Verwendung des Fahrradschlosses mit einer Geldstrafe von 750 Euro eine ziemlich teure Angelegenheit wurde.
Eigentlich sollten Hunde das Grundstück nicht verlassen