Augsburger Allgemeine (Land West)

Hinter Schloss und Riegel

Prozess Ein 70-Jähriger verwandelt die Gartentür seines Grundstück­s in ein Hindernis für seine Mieterin. Jetzt steht er vor Gericht

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg Vor dem Günzburger Amtsgerich­t wurde ein kurioser Fall von Freiheitsb­eraubung behandelt. Richter Rafael Ruisinger musste sich mit einem Ereignis im Frühjahr 2016 in einer Stadt im Landkreis Günzburg befassen. Dort wollte eine Mieterin morgens gegen 9 Uhr zu einem Arzttermin. Doch daraus wurde nichts: Der Vermieter hatte das Gartentürc­hen des Anwesens mit einem Fahrradsch­loss in ein unüberwind­liches Hindernis verwandelt. Das erboste die ältere Mieterin so, dass sie mit ihrem Mobiltelef­on die Polizei zu Hilfe rief. Erst etwa eine Stunde später war das Hindernis überwunden, denn die Freunde und Helfer hatten die Ehefrau des Hauseigent­ümers herbeiziti­ert. Sie entfernte das Fahrradsch­loss.

Die juristisch­e Einstufung dieses Geschehens als Freiheitsb­eraubung brachte dem Verursache­r einen Strafbefeh­l über 25 Tagessätze zu 25 Euro ein, insgesamt also 750 Euro. Diesen Betrag wollte der knapp 70-Jährige nicht akzeptiere­n und ließ seine Rechtsanwä­ltin Sabine Bieber Widerspruc­h einlegen. Deshalb kam es nun zur Verhandlun­g.

Der Angeklagte beschrieb, warum er zu dem ungewöhnli­chen Mittel gegriffen hatte. „Die Mieterin hat das Tor nie richtig geschlosse­n.“Insbesonde­re wenn sie Besuch hatte, sei das Tor offen geblieben. Weil der Hauseigent­ümer Schäferhun­de hielt, wollte er vermeiden, dass die Vierbeiner sich vom Grundstück entfernen und eventuell jemanden beißen. Deshalb habe er am Vorabend des fraglichen Tages zur Selbsthilf­e in Form des Fahrradsch­losses gegriffen. Am nächsten Morgen habe er aber wegen „Hektik“versäumt, das Schloss wieder zu entfernen. Und überhaupt wäre das Öffnen des Gartentore­s kein Problem gewesen: Die Mieterin hätte ja nur seine Ehefrau anzurufen brauchen, die im Haus gewesen sei: „Es war zu keinem Zeitpunkt die Absicht gewesen, die Frau einzusperr­en“, sagte der Angeklagte.

„Warum haben Sie das Tor doppelt gesichert?“, fragte Richter Ruisinger. Die Tür habe geklemmt, kam als Antwort. Beweisfoto­s, angefertig­t von der Polizei, zeigten ein geschlosse­nes Gartentürc­hen. „Die Mieterin brachte es nicht auf“, versuchte der 69-Jährige eine Erklärung. Das Schloss habe er angebracht, weil ihm schon einmal vier nagelneue Reifen vom Hof gestohlen wurden und er Bedenken wegen Personen hätte, die das Grundstück einfach betreten könnten.

Auf Frage des Richters, warum der Angeklagte denn so lange mit der Reparatur des Schlosses gewartet habe, kam nur zur Antwort, dass das Türchen sich früher absperren ließ, aber in den vergangene­n drei Jahren offen geblieben sei. Außerdem habe die Mieterin ja sonst nie so früh wegmüssen. Darauf komme es nicht an, gab ihm Richter Ruisinger zu verstehen. Allein die Absperrung mit dem Fahrradsch­loss reiche als „bedingter Vorsatz“. „Der Sinn und Zweck des Schlosses erschließt sich für mich nicht“, blieb Richter Ruisinger bei seiner Auffassung, dass die Freiheitsb­eraubung erfüllt sei.

Mittlerwei­le ist die betroffene Frau aus der Wohnung ausgezogen, war vor Gericht zu erfahren.

Über eine von der Anwältin ins Gespräch gebrachte Senkung der Tagessätze ließ der Richter nicht mit sich reden. Schließlic­h verfüge der Angeklagte mit seiner Frau über genügend Einkommen. Nach kurzer Beratung wurde der Einspruch gegen den Strafbefeh­l zurückgeno­mmen, sodass die Verwendung des Fahrradsch­losses mit einer Geldstrafe von 750 Euro eine ziemlich teure Angelegenh­eit wurde.

Eigentlich sollten Hunde das Grundstück nicht verlassen

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