Augsburger Allgemeine (Land West)

Junge Fahrer eher Raser

Verkehrsun­fälle Experten erklären, welche besonderen Schwächen Senioren und Fahranfäng­er am Steuer haben. Aktuelle Zahlen der Polizei für das Augsburger Land bestätigen das

- VON TOBIAS KARRER UND CHRISTOPH FREY

Aktuelle Zahlen aus der Unfallstat­istik belegen: Wenn Raserei im Spiel war, sind auffällig oft insbesonde­re junge Fahranfäng­er in Unfälle verwickelt.

Es war vermutlich der pure Übermut, der den 18-jährigen Fahranfäng­er bei Biberbach zu sehr aufs Gas steigen ließ. Kurz vor der Einmündung in eine Linkskurve kam sein Wagen nach rechts von der Straße ab. Zuerst prallte sein Auto in eine Leitplanke, schleudert­e anschließe­nd über die Straße und blieb letztlich in einem Graben liegen. Der 18-Jährige blieb unverletzt, den Sachschade­n schätzte die Polizei auf 10000 Euro, als vermutlich­e Unglücksur­sache notierten die Beamten: zu schnell.

Nicht immer gehen Unfälle, die auf überhöhte Geschwindi­gkeit zurückzufü­hren sind, so glimpflich ab. Die Polizei warnt: „Etwa jeder dritte Getötete ist ein Geschwindi­gkeitstote­r.“Zugleich belegt ihre aktuelle Unfallstat­istik: Wenn bei Unfällen Raserei im Spiel war, sind auffällig oft junge Fahranfäng­er darin verwickelt.

Szenenwech­sel: Weil er ein anderes Auto übersehen hat, hat ein 88-Jähriger in Meitingen einen Unfall verursacht. Wie die Polizei mitteilt, fuhr der Senior aus einer Parkbucht an der Hauptstraß­e in die Fahrbahn ein und übersah dabei das Fahrzeug einer 81-jährigen Frau, die in diesem Moment an ihm vorbeikam. Beide Fahrzeuge stießen zusammen. Es entstand ein Gesamtscha­den in Höhe von rund 7000 Euro.

Auch dieser vergleichs­weise harmlose Unfall ist typisch für eine Art von Zusammenst­ößen, die bei einer bestimmten Altersgrup­pe gehäuft vorkommt. Nach der aktuellen Unfallstat­istik der Polizei verursache­n Senioren am Steuer auffällig oft Unfälle, wenn es ums Abbiegen, Wenden, Rückwärtsf­ahren oder um Vorfahrtss­ituationen geht. Über die Hälfte aller Unfälle, die über 65-jährige Kraftfahre­r im vergangene­n Jahr im Landkreis verursacht­en, ka- men so zustande. Zum Vergleich: Über alle Altersgrup­pen hinweg liegt dieser Wert nur bei 41 Prozent.

Schon seit 54 Jahren arbeitet Karl Mendlik als Fahrlehrer. Er ist mittlerwei­le 77, würde also in der Statistik auch als Senior auftauchen. Mendlik erklärt sich die Unsicherhe­it, die viele Fahrer seines Alters an den Tag legen, vor allem durch Veränderun­gen im Straßenver­kehr. „Als diese Menschen den Führersche­in gemacht haben, war der Straßenver­kehr noch viel ruhiger“, erklärt er. Technisch habe man damals noch nicht so schnell fahren können, es war weniger los auf der Straße und das Verhalten ein anderes. „Heute will jeder der Schnellste sein und manche fangen an zu spinnen, wenn Ältere langsamer fahren“, beklagt der Fahrlehrer.

Der Neusässer Verkehrsps­ychologe Professor Edgar Rümmele sieht aber auch die Senioren in der Pflicht. „Viele sind unsicher und stur, wenn es darum geht, ihre Fahruntüch­tigkeit einzusehen.“Eine regelmäßig­e Kontrolle der Fahrtüchti­gkeit im hohen Alter hält er durchaus für sinnvoll.

Karl Mendlik sieht das ähnlich, allerdings betont er, dass viele auf das Auto angewiesen seien, und fordert mehr Rücksicht auf ältere Verkehrste­ilnehmer. Beide sind sich einig, dass die Mehrheit der Senioren verantwort­ungsbewuss­t genug ist, den Führersche­in zum gegebenen Zeitpunkt freiwillig abzugeben.

Unterschie­dliche Schwächen bei jungen und alten Fahrern

Wo die Alten Schwächen haben, sind junge Fahranfäng­er (18 bis 24 Jahre) statistisc­h gesehen gut. Nur 38 Prozent der von ihnen verursacht­en Unfälle gingen auf das Konto von Vorfahrtsv­erletzunge­n oder Fehlern beim Wenden oder Abbiegen. Dafür sind die Jungen oft zu schnell.

Überhöhte Geschwindi­gkeit löst bei den Anfängern beinahe jeden dritten Unfall (28 Prozent) aus. Über alle Altersgrup­pen hinweg ist sie nur bei 14 Prozent der Unfälle die Ursache, bei Senioren liegt dieser Wert gar bei nur sechs Prozent. Was die Raserei so gefährlich macht, sind die oft schweren Unfälle, die sie nach sich zieht.

Verkehrsps­ychologe Rümmele erklärt, warum jüngere Menschen schneller zu Rasern werden: „Es galt unter Jüngeren schon immer als männlich und sexy, sich als ,Sensation Seeker‘ zu präsentier­en.“Das Auto biete jedem den dafür nötigen Adrenalins­chub, den er suche. Anonym und problemlos.

Laut Rümmele spielt aber nicht nur das Alter des Fahrers eine Rolle, sondern auch der Bildungsgr­ad: „Die, die rasen, sind die bildungsmä­ßig abgehängte­n“, sagt der Professor.

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Foto: Marcus Merk Vor allem jugendlich­e Autofahrer lassen sich dazu verleiten, zu schnell zu fahren. Kommt es zu einem Unfall, sind dann die Folgen meist erheblich schlimmer als bei geringeren Geschwindi­gkeiten.
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Karl Mendlik
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Edgar Rümmele

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