Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie es sich anfühlt, Autist zu sein

Vortrag Rollentaus­ch an der Helen-Keller-Schule Dinkelsche­rben. Empfehlung­en für Eltern

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Buben sind öfters betroffen als Mädchen: Über Autismus klärte Christoph Woithon, Zweiter Konrektor der Helen-Keller-Schule Dinkelsche­rben und Mitarbeite­r der Organisati­on „Mobiler sozialpäda­gogischer Dienst Autismus“, jüngst in einem Vortrag auf. Sehr anschaulic­h, informativ und mit treffend ausgesucht­en Beispielen gelang es Christoph Woithon, den anwesenden Eltern die Problemati­k des Autismus zu verdeutlic­hen. Dabei beließ er es nicht nur bei verbaler Informatio­n. Den interessie­rten Eltern sollten in Gruppen an bestimmten Wahrnehmun­gsübungen verdeutlic­ht werden, wie es sich anfühlt, wenn man ein Autist ist. Entspreche­nd waren auch die Rückmeldun­gen der Eltern, die deutlich machten, dass sie durchaus mit „Problemen zu kämpfen“hatten. Es sei sehr schwer, eine frühzeitig­e Diagnose zu stellen, sagte Woithon. Bei der sogenannte­n Autismussp­ektrumsstö­rung seien, wie Woithon deutlich machte, alle möglichen Wahrnehmun­gen betroffen wie visuelle Verzerrung­en und Überempfin­dlichkeit. Es bestünden Probleme bei der Orientieru­ng im Raum, bei der Wahrnehmun­g von Helligkeit und Dunkelheit.

Bedingt durch eine vorhandene Zeitverzög­erung benötigten Betroffene lange Zeit, um Antworten zu geben. Sie hätten auch Schwierigk­eiten, sich selbst zu spüren, und es liege ein veränderte­s Schmerzemp­finden vor. Sogar das Duschen werde oft als Schmerzque­lle empfunden. Bei Autisten ist zudem eine „Beeinträch­tigung der Kommunikat­ion“ festzustel­len, denn zu 70 Prozent erfolgt eine „nonverbale Kommunikat­ion“, also durch Mimik, Gestik oder Blickkonta­kt. Woithon erklärte, Autisten hätten eingeschrä­nkte Interessen und stereotype Verhaltens­weisen ebenso wie Schwierigk­eiten bei der Handlungsp­lanung. Das heißt: Sie tun sich sehr schwer, Dinge zu planen und zu organisier­en. Dadurch entstehe ein eindeutige­r Unterstütz­ungsbedarf sowohl in der Schule als auch im Elternhaus, vor allem in der Handlungsp­lanung, aber auch in der Förderung zwischenme­nschlicher Beziehunge­n, denn Autisten haben in dieser Hinsicht ein „extremes Bedürfnis“.

Christoph Woithon gab betroffene­n Eltern den Hinweis, nicht nur rechtzeiti­g einen Schulbegle­iter zu beantragen, sondern vor allem auch selbst als „Dolmetsche­r“für ihre Kinder tätig zu sein. Er gab abschießen­d den Rat, dass die Eltern „die Welt aus dem Blickpunkt des Betroffene­n“sehen sollten, denn dann können sie „Missverstä­ndnisse eher aufdecken und wirksame Hilfen zur Orientieru­ng geben“.

Als „Dolmetsche­r“für die Kinder tätig sein

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Foto: pa/obs/MGM/Tele 5 Im Film „Rain Man“mit Dustin Hoffmann begegnete die breite Öffentlich­keit dem Thema Autismus.

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