Augsburger Allgemeine (Land West)
Riese Rydzek
Nordische Ski WM Oberstdorfer Kombinierer steigt mit dem vierten Gold in vier Wettbewerben zum Superstar der Titelkämpfe in Lahti auf. Trainer Ackermann gab den entscheidenden Tipp
Lahti
Ob das mal so eine gute Idee ist, zu Ehren von Vierfach-Weltmeister Johannes Rydzek am kommenden Mittwochabend in Oberstdorf einen Festumzug zu organisieren? Es könnte gut sein, dass der 25-Jährige noch im WM-Modus ist, vom Start am Bahnhof einfach wild drauflos stürmt, auf der 700-MeterSprintstrecke zum Marktplatz all seine Gäste abschüttelt und mit weit aufgerissenem Mund und hochgereckten Armen auf die Bühne springt.
Gestern Abend war Rydzek einmal mehr nicht zu bremsen. Nicht von seinen Konkurrenten, nicht von einem Tritt auf seinen Stock und erst recht nicht im Zielsprint. Selbst als der WM-Held die Ziellinie überquert hatte, war er noch so schnell, dass er seinen Teamkollegen Eric Frenzel beinahe über den Haufen gefahren hätte. Erst nach einer künstlerisch wertvollen Pirouette auf seinem Ski fiel er seinem Kumpel, mit dem er sich im Weltcup und auch bei der WM so unerbittliche Zweikämpfe geliefert hatte, um den Hals – begleitet von einem lauten „Absolut unbegreiflich“, waren die ersten Worte, die Rydzek über die Lippen brachte.
Selbst Minuten später, als der Oberstdorfer in die weltmeisterliche Verlängerung ging und von Kamera zu Kamera und von Mikrofon zu Mikrofon rannte, konnte der Allgäuer seine Gefühle nicht so recht in Worte fassen: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Es ist schwer, immer neue Superlative zu finden.“
Es schien, als wäre der vierte Titel nach den Wettbewerben von der Klein- und Großschanze sowie in der Staffel der härteste gewesen. Rydzek und Frenzel konnten nach einem äußerst ausgeglichenen Springen ihre Dominanz auf der 15-Kilometer-Langlauf-Strecke diesmal nicht zu einer komfortablen Führung nutzen.
Dafür sorgte aber auch das für die Zuschauer unheimlich unterhaltsame Wettkampfformat. Neunmal klatschten die Zweier-Teams einer Nation im Skistadion von Lahti ihren Teamkollegen ab und schickten ihn auf die 1,5 Kilometer lange Runde. „Jeder Wechsel kam mir noch kürzer vor“, beschrieb Rydzek hinterher die Rundenhatz.
Dass es abermals ein Happy End für die deutschen Kombinierer gab, lag vor allem an Rydzek, der nichts überhastete und laut Heimtrainer Kai Bracht von seinem Trainerkollegen Ronny Ackermann vor dem letzten Anstieg noch den entscheidenden Hinweis bekommen hat: „Sachte, sachte“, soll der vierfache Weltmeister gesagt haben, „hintenraus wird die Ente fett“.
Und Rydzek hielt sich daran. Erst bei der Abfahrt ins Stadion zündete er den Turbo, sprintete mit großen Skating-Schritten an seinem norwegischen Widersacher Magnus Krog vorbei und hatte Glück, dass der überrundete Russe Viacheslav Barkov in der Kurve zur Ziellinie nicht noch in den Showdown eingriff. „Es war knapp, aber ich wusste, dass ich als Erstes auf die Zielgerade kommen muss“, sagte Rydzek.
Da war auch Bundestrainer Hermann Weinbuch klar, dass es für den deutschen Sieg reichen würde. „Ritschie hat derzeit die Power und den Punch, das am Ende für sich zu entscheiden.“Rydzek, sang Weinbuch eine Lobeshymne auf seinen goldenen Vierling, sei bei der WM in Lahti endgültig aus dem SchatJubelschrei. tendasein getreten und jetzt auch eine „der Lichtgestalten“bei den Kombinierern. Auch Frenzel wusste, bei wem er sich zu bedanken hat: „Johannes hat das gut gemacht. Er lief taktisch ein hervorragendes Rennen und hat gezockt bis zum Schluss.“Dass sie schon nächste Woche im Weltcup wieder Konkurrenten sein werden, kümmerte den Oberwiesenthaler nicht: „Wir sind gut befreundet und bleiben das auch.“
Rydzek ist mit mittlerweile sechs Titeln der erfolgreichste Winterzweikämpfer der WM-Geschichte. Auch vier Triumphe bei einer WM gab es bislang noch nie. „Jetzt freue ich mich erst mal wieder auf mein Bett“, blickte Rydzek nach vorn. Er und seine Teamkollegen reisen bereits am Samstagmorgen zurück nach Deutschland. Ob er das schöne Wetter zu Hause gleich wieder zu einer seiner geliebten Skitouren nutzen wolle? „Eher nicht. Ich lieg lieber ein paar Tage auf die Couch und lade meinen Akku auf.“
Am Mittwochabend beim Festumzug in Oberstdorf könnte Riese Rydzek also wieder in Bestform sein...