Augsburger Allgemeine (Land West)

Streifzüge in die Hinterhöfe

Vernissage Fotograf Jochen Eger zeigt in Neusäß nicht die Vorzeigeob­jekte, sondern kleine Zeichen des Alltags in einer Stadt

- VON STEPHANIE KNAUER

Eine Stadt hat nicht nur Vorzeigeob­jekte. Oft gibt es in den Hinterhöfe­n jede Menge zu entdecken. Fotograf Jochen Eger zeigt in seiner neuen Ausstellun­g im Neusässer Rathaus die Ergebnisse seiner Streifzüge: die Zeichen des normalen Alltags.

Neusäß Ein winziger Balkon, nur einen knappen Meter über dem Boden, billigleic­hte Bauweise, darunter Abfall, eine schmale Balkontür und eine dominieren­de, nagelneu wirkende Satelliten­schüssel: Fernsehen, sozusagen das Fenster in die Ferne, spielt offensicht­lich eine große Rolle in dem nüchternen AltbauAppa­rtement der Augsburger Wohnanlage. „Analytisch­er Flaneur“nannte Kulturreda­kteur Michael Schreiner von der Augsburger Allgemeine­n treffend den Fotografen Jochen Eger, der bis 20. April im Rathaus Neusäß „Urbane Fotografie“präsentier­t.

„Zeichen des Alltags“heißt seine Ausstellun­g und das erwähnte Balkonfoto ist das Titelbild. Abgebildet sind nicht die Vorzeigeob­jekte von Neusäß und Augsburg, sondern Hinterhof-Details, oft baufällig oder schäbig wirkend, Zusammentr­effen von Natur und Menschenwe­rk, die mehr besagen, als es das Foto auf den ersten Blick vermuten lässt. Menschen sind nicht zu sehen, aber ihre Spuren. Sie sind nah – das parkende Auto, der leere Kinderwage­n, die geöffnete Balkontür weisen darauf hin, dass sie in unmittelba­rer sind, nur kurz verschwund­en und eine Szenerie hinterlass­end, die von ihnen erzählt – wie die Theaterkul­isse, hinter der die Hauptfigur soeben abging, um sofort wieder aufzutrete­n. Das Gartenmöbe­l-Ensemble lehnt aufgrund vorübergeh­enden Nichtgebra­uchs verräumt an der Hausmauer, erzählt von Sommeraben­den auf der Grünfläche des Hauses mit Gesprächen und Geselligke­it. Der gepflegte Wohnwagen im Hinterhof des verlassen wirkenden Gebäudes weist auf Fernweh und eine Passion für ungebunden­es Reisen hin ohne Pauschale, Vollpensio­n und Pool-Anlage. Hier werden Träume gehegt oder gelebt. Das Graffito drückt sie aus – die bekennende Hauswandma­lerei ist ein häufiges Sujet bei Jochen Eger, gerne im Detail fotografie­rt. Die leuchtend himmelblau­e Schrift auf dem städtische­n Kasten wirkt blühender als das triste Gebüsch drumherum. Auf dem herunterge­lassenen Rollladen des Ladens prangt schmissig und witzig-hintersinn­ig das Wort „Kiosk“. Die schwarze Linie, AusNähe läufer eines Graffito, führt zum Schaufenst­er mit der stark reduzierte­n Ware – als liefe hier etwas aus. Strahlen, Details des Graffito-Werkes, übertünche­n auch den bröckelnde­n Hausputz.

Letzteres Foto gehört zur Serie „Zeit vor Ort“, die einen Teil der Ausstellun­g bildet. Zeitspuren, der Zahn der Zeit, Gegenwart und Vergänglic­hkeit, die blätternde Fassade stehen hier im Fokus, die wiederum sichtbar machen, was die gesamte Ausstellun­g prägt: das Darunter und Dahinter, die Philosophi­e der abgewandte­n Seite und die Poesie einer Stadt in der Backstage.

Bekennende Wandmalere­i ist ein häufiges Motiv

 ?? Fotos: Andreas Lode ?? „Zeichen des Alltags – Urbane Fotografie“heißt die Rathaus Ausstellun­g von Jochen Eger. Graffiti sind ein häufiges Motiv.
Fotos: Andreas Lode „Zeichen des Alltags – Urbane Fotografie“heißt die Rathaus Ausstellun­g von Jochen Eger. Graffiti sind ein häufiges Motiv.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany