Augsburger Allgemeine (Land West)
Streifzüge in die Hinterhöfe
Vernissage Fotograf Jochen Eger zeigt in Neusäß nicht die Vorzeigeobjekte, sondern kleine Zeichen des Alltags in einer Stadt
Eine Stadt hat nicht nur Vorzeigeobjekte. Oft gibt es in den Hinterhöfen jede Menge zu entdecken. Fotograf Jochen Eger zeigt in seiner neuen Ausstellung im Neusässer Rathaus die Ergebnisse seiner Streifzüge: die Zeichen des normalen Alltags.
Neusäß Ein winziger Balkon, nur einen knappen Meter über dem Boden, billigleichte Bauweise, darunter Abfall, eine schmale Balkontür und eine dominierende, nagelneu wirkende Satellitenschüssel: Fernsehen, sozusagen das Fenster in die Ferne, spielt offensichtlich eine große Rolle in dem nüchternen AltbauAppartement der Augsburger Wohnanlage. „Analytischer Flaneur“nannte Kulturredakteur Michael Schreiner von der Augsburger Allgemeinen treffend den Fotografen Jochen Eger, der bis 20. April im Rathaus Neusäß „Urbane Fotografie“präsentiert.
„Zeichen des Alltags“heißt seine Ausstellung und das erwähnte Balkonfoto ist das Titelbild. Abgebildet sind nicht die Vorzeigeobjekte von Neusäß und Augsburg, sondern Hinterhof-Details, oft baufällig oder schäbig wirkend, Zusammentreffen von Natur und Menschenwerk, die mehr besagen, als es das Foto auf den ersten Blick vermuten lässt. Menschen sind nicht zu sehen, aber ihre Spuren. Sie sind nah – das parkende Auto, der leere Kinderwagen, die geöffnete Balkontür weisen darauf hin, dass sie in unmittelbarer sind, nur kurz verschwunden und eine Szenerie hinterlassend, die von ihnen erzählt – wie die Theaterkulisse, hinter der die Hauptfigur soeben abging, um sofort wieder aufzutreten. Das Gartenmöbel-Ensemble lehnt aufgrund vorübergehenden Nichtgebrauchs verräumt an der Hausmauer, erzählt von Sommerabenden auf der Grünfläche des Hauses mit Gesprächen und Geselligkeit. Der gepflegte Wohnwagen im Hinterhof des verlassen wirkenden Gebäudes weist auf Fernweh und eine Passion für ungebundenes Reisen hin ohne Pauschale, Vollpension und Pool-Anlage. Hier werden Träume gehegt oder gelebt. Das Graffito drückt sie aus – die bekennende Hauswandmalerei ist ein häufiges Sujet bei Jochen Eger, gerne im Detail fotografiert. Die leuchtend himmelblaue Schrift auf dem städtischen Kasten wirkt blühender als das triste Gebüsch drumherum. Auf dem heruntergelassenen Rollladen des Ladens prangt schmissig und witzig-hintersinnig das Wort „Kiosk“. Die schwarze Linie, AusNähe läufer eines Graffito, führt zum Schaufenster mit der stark reduzierten Ware – als liefe hier etwas aus. Strahlen, Details des Graffito-Werkes, übertünchen auch den bröckelnden Hausputz.
Letzteres Foto gehört zur Serie „Zeit vor Ort“, die einen Teil der Ausstellung bildet. Zeitspuren, der Zahn der Zeit, Gegenwart und Vergänglichkeit, die blätternde Fassade stehen hier im Fokus, die wiederum sichtbar machen, was die gesamte Ausstellung prägt: das Darunter und Dahinter, die Philosophie der abgewandten Seite und die Poesie einer Stadt in der Backstage.
Bekennende Wandmalerei ist ein häufiges Motiv