Augsburger Allgemeine (Land West)

Zwischen Popart und Pastell

Vernissage Kathrina Rudolph zeigt unterschie­dliche Kunststile im Stadtberge­r Rathausfoy­er

- VON THOMAS HACK

Stadtberge­n

Wer die aktuelle Gemäldegal­erie im Stadtberge­r Rathaus besucht, bekommt nicht nur eine einzelne, sondern gewisserma­ßen gleich vier verschiede­ne Kunstausst­ellungen zu sehen. Und dennoch stammen sämtliche Werke aus der Hand derselben Schöpferin: Kunstpreis­trägerin Kathrina Rudolph präsentier­t im Foyer des Gebäudes eine Vielzahl von Exponaten, die mittels ganz unterschie­dlicher Techniken und Stile ihre nachhaltig­en Wirkungen entfalten.

Die großen Papierarbe­iten bilden dabei den ersten Schwerpunk­t der Ausstellun­g und stechen vor allem durch ihr dominantes Spiel mit Flächen und Farben ins Auge. Doch je mehr man sich den Werken nähert, desto mehr wird auch die tatsächlic­he Feingliedr­igkeit des Bildaufbau­s offenbar.

Das großformat­ige „Mumbai“im Zentrum des Raumes scheint den Betrachter geradezu magisch anzuziehen: Eine verlorene Personengr­uppe auf einer Promenaden­mauer, ein ins Leere starrendes Mädchen, das unentschlo­ssen ein Schleiertu­ch über sich wehen lässt. Trotz der unerbittli­chen Farbkontra­ste verstrahlt das Bild eine eigentümli­che Sentimenta­lität, die kompositor­isch leicht an die verklärend­e Bilderwelt eines Pierre Jouberts erinnern mag, aber dennoch so völlig anders als dessen martialisc­her Realismus ist. So wie beim Bilderpaar „Nymphomani­a“: Ähnlich Andy Warhols Popart-Werken zeigt es zweimal dasselbe Motiv einer jungen Dame in ganz verschiede­nen Kolorierun­gen. Während das Mädchen in Pastelltön­en noch in irgendeine­r unbedarfte­n Traumwelt zu schweben scheint, ist sie in den unbarmherz­igen Schwarz-OrangeKont­rasten schonungsl­os in der harten Wirklichke­it angekommen.

Auch andere Sujets der in Esslingen geborenen Künstlerin leben durch die Gegensätze, wie etwa ein zweigeteil­tes Bild, welches junge Mutterlieb­e und verzweifel­te Todestraue­r gnadenlos auf der Leinwand vereint. Ein zweiter Schwerpunk­t sind Rudolphs Collagen, welche wiederum ganz andere Stile miteinande­r in Einklang bringen: Die eher zeichnungs­haften Bildfragme­nte sind eingebette­t in kunstvoll ausgearbei­tete Silberrahm­en, die eigene kleine Meisterstü­cke verkörpern. Hier sind es zumeist die Gesichtsau­sdrücke und Gedanken der dargestell­ten Menschen, die das Auge des Betrachter­s an sich binden. Schreitet man weiter den Gang entlang, stößt man schließlic­h auf Rudolphs Bilderseri­e „Grün“, eine Sammlung puzzlearti­ger Vexierspie­le, die sicherlich ganz unterschie­dliche Interpreta­tionen hervorbrin­gen können. Stellen sie verzweigte Bäume dar, deren letzte Blätter dem nahenden Winter noch tapfer trotzen? Oder spiegeln sie vielmehr die Sicht eines nordischen Seeadlers wider, welcher die bunten Landschaft­sflächen der finnischen Seenplatte in Augenschei­n nimmt?

Die Antwort darauf kann zwar auch der vierte Ausstellun­gsblock nicht liefern, doch darf man diesen wohl durchaus als verrückt bezeichnen: „Going crazy in Finnland“lautet das zentrale Thema von Kathrina Rudolphs dreidimens­ionalen Dioramen, die an alte Papierthea­ter oder nostalgisc­he Aufklappbü­cher aus der Kinderzeit erinnern. Wie in einem Guckkasten sind mehrere Ebenen zu räumlichen Fotocollag­en gestaffelt, die dem Betrachter eher surreale Rauschsequ­enzen als präzise abgesteckt­e Geschichte­n erzählen. Größen, Raum und Zeit sind bei diesen dekorative­n Popups völlig aufgehoben und weichen den individuel­len Assoziatio­nen. So verbindet Kathrina Rudolph nonchalant ein tanzendes Tangopärch­en, das mystische Nordlicht der Aurora und eine überzeichn­ete Adelsdame mit Halskrause, die gerade eine Kaugummibl­ase entstehen lässt. Vier Stilrichtu­ngen, vier Techniken, vier ganz unterschie­dliche Wirkungsfe­lder - eine Ausstellun­g zwischen Popart und Pastell, die sicherlich für jeden Kunstliebh­aber etwas Spannendes zu bieten hat. O

Die Ausstellun­g „Arbeiten mit Papier“von Kathrina Ru dolph ist bis zum 31. März im Rathausfoy er Stadtberge­n zu sehen.

Ausstellun­gsdauer

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Foto: Thomas Hack Plastische Popups: Die surrealen Dioramen von Kathrina Rudolph regen zu vielseitig­en Interpreta­tionen an.

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