Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Zug ist abgefahren
Verkehr Es bleibt dabei: Die zwei baufälligen Bahnbrücken in Gabelbachergreut kommen weg, aber nur eine wird ersetzt. Warum daran auch die zahlreichen Bürger in der Marktratssitzung nichts ändern
Zusmarshausen
Ein robustes Türschließen und der kollektive Auszug aus dem Besucherbereich haben die Entscheidung des Zusmarshauser Marktgemeinderates begleitet: Er hält an seinen Beschlüssen zum Vorgehen bei den maroden Brücken im Ortsteil Gabelbachergreut fest. Wie berichtet, hatten sich die Räte im vergangenen September für den Abbruch der uralten und höchst baufälligen Bauwerke entschlossen und mit knapper Mehrheit durchgesetzt, dass nur der größere der beiden Übergänge neu errichtet werden soll. Die Abstimmung während einer darauf folgenden beispiellosen Bürgerversammlung in Greut stellte dies in Frage und bewirkte nach der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) eine neuerliche Behandlung des Brückenthemas.
Dass die Gemeinderäte „Empfehlungen aus Bürgerversammlungen“gemäß GO nicht in Form geänderter Beschlüsse folgen müssen, war damals allen Beteiligten klar. Darauf hatte auch Bürgermeister Bernhard Uhl immer wieder hingewiesen. Dennoch nutzten Bewohner des Ortsteils und mehrere Sprecher die Gunst der „Bürgersprechstunde“zu Beginn jeder Ratssitzung, um nochmals deutlich Flagge zu zeigen. Sicht- wie hörbar. So füllte sich der Publikumsbereich so rasch wie selten. Und Monika Langenmair ergriff stellvertretend für die „Brückenfans“das Wort: „Sie denken vielleicht, jetzt schwätzt die scho’ wieder daher – aber wir wollen Ihnen damit zeigen, wie sehr uns die Sache am Herzen liegt.“Mehrfach wiesen auch andere auf die Bedeutung beider Brücken hin, etwa was den wirtschaftlichen Nutzen und die Lebensqualität durch die Verbindungen angeht sowie die Funktion als Rettungs- und Versorgungsweg.
Doch weder das Erinnern an frühere Wahlversprechen noch originelle Bibelzitate konnten eine andere Entscheidung als im Herbst herbeiführen. Der am Ende eindeutige Ablehnungsbeschluss der Bürgervertreter spiegelt allerdings nicht das Ringen um die richtigen Argumente und die leidenschaftlichen Appelle der Bürgervertreter während der vom Publikum mitunter kommentierten Debatte wieder. Bestes Beispiel dafür gab SPDFraktionschef Walter Aumann ab, der sich als „einer der wackeren Neun“präsentierte, die sich ursprünglich für den Neubau der kleinen Rundbogenbrücke aussprachen und unterlagen: „Wir sollen hier jetzt einen rechtskräftigen Beschluss aufheben, obwohl keine neue Faktenlage herrscht? Ich kann dem nicht zustimmen.“Auch Hubert Kraus, der für seine CSU sprach, begründete mit ernster Miene seinen Entschluss, ebenfalls den Bürgerantrag abzulehnen: „Jeder muss doch jetzt feststellen können, dass es keine neue Zahlen gibt – leider.“
Was diese angeht, konnten auch durch die Anwesenheit von Franziska Neidlinger von der Deutschen Bahn Netz AG und Bauüberwachungs-Ingenieur Christian Wunderer letzte offene Fragen kaum gelöst werden – zum Unmut mancher Ratsmitglieder. Zwar ist bekannt, dass mit dem 2019 geplanten Neubau einer großen Dreifeldbrücke mit einem Gehweg von einem Meter Breite, Kosten von etwa zwei Millionen Euro entstehen. So steht aber der genaue Gemeindeanteil noch nicht fest. Zudem macht ein kompliziertes Verwaltungskonstrukt mit Vorteilsausgleichszahlungen mit der Deutschen Bahn und fiktiven Werten die Finanzierung des auch aus Sicherheitsgründen längst fälligen Neubaus unübersichtlich. Mit Folgen für den Verlauf der Diskussion. „Mir will nicht einleuchten, dass Ihren Berechnungen zufolge eine großzügige Brücke nur für uns und nicht für die Bahn von Vorteil sein soll“, sagte Christian Weldishofer (CSU) und schüttelte mehrfach den Kopf mit Blick auf die beiden Experten. Wie Joachim Weldishofer von den Freien Wählern plädierte er für ein zügiges Vorgehen, um den Zeitplan einzuhalten. Richard Hegele (SPD) ließ der Verdacht nicht los, dass die ganzen Regelungen zu Lasten der Kommune gingen, was Neidlinger energisch bestritt: „Wir wollen da kein Geschäft machen.“
Alfred Hegele (CSU), der sich unter dem Applaus der Gäste durchaus einen anderen Beschluss vorstellen konnte, rührte mit gezückten Dokumenten in der Vergangenheit der beliebten Bauwerke, die einst von der damaligen Bundesbahn der Gemeinde überlassen wurden. Dort habe man um den schlechten Zustand der Übergänge gewusst und wohl nichts dagegen unternommen. Zweiter Bürgermeister Robert Steppich (FW) meinte dazu: „Man hatte sie uns einfach aufs Auge gedrückt.“Bürgermeister Uhl ging es aber weniger um alte Geschichten als vielmehr einen demokratischen Prozess in der Gegenwart: „Bedenken Sie bitte die Folgen, wenn wir eine einmal getroffene Entscheidung des Marktgemeinderats ändern.“So etwas könne „Fernwirkung haben: heute die Brücke in Greut, morgen der beschlossene Feldweg in Wörleschwang und so weiter.“Dem mochte Ortssprecher Andreas Elze, ein Löwenkämpfer in Sachen Erhalt von Greuter Brücken, so gar nicht folgen: „Wir können doch auch mal zugeben, dass wir neue Erkenntnisse haben und anders beschließen – mit positive Fernwirkung.“