Augsburger Allgemeine (Land West)
Die AfD demütigt ihre Parteichefin, doch Petry bleibt trotzig im Amt
Leitartikel Nach dem Desaster von Köln hätte sie zurücktreten müssen, denn den Takt geben jetzt andere vor. Aber ihr Machthunger ist größer als ihr Stolz
Brutaler hätte die Schmach für Frauke Petry kaum ausfallen können: Die Chefin der AfD hat die Machtfrage gestellt, und die Delegierten auf dem Kölner Parteitag haben sie gnadenlos abblitzen lassen. Ihr Versuch, den Einfluss des rechtsnationalen Flügels in der rechtspopulistischen Partei rechtzeitig vor der Bundestagswahl zurückzudrängen, um sie für breitere Wählerschichten zu öffnen, ist so heftig nach hinten losgegangen, dass sie konsequenterweise zurücktreten müsste. Denn die Vorsitzende ist blamiert, steht ohne Rückhalt da, faktisch entmachtet. Die Politik bei der AfD bestimmen jetzt endgültig andere. Alexander Gauland etwa, der vor „Umvolkung“durch Zuwanderung warnt. Und sein Schützling Björn Höcke. Der Thüringer vom ganz rechten Rand hat mit seinen so braunen wie dummen Entgleisungen, etwa, als er das Holocaustmahnmal in Berlin als Denkmal der Schande bezeichnete, das Bild der AfD zuletzt geprägt. Für viele Bürger aus der konservativen Mitte, die etwa die Euro-Skepsis und die Ablehnung der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung mit der AfD teilen, wurde die Partei endgültig unwählbar.
Frauke Petry wollte das ändern. Sie suchte die klare Abgrenzung speziell zu Höcke und Gauland. Die AfD hätte in Köln die Chance gehabt, sich klar und deutlich von rassistischem, antisemitischem, völkischem und nationalistischem Gedankengut zu distanzieren, wie es das Petry-Lager forderte. Sie hätte außerdem zeigen können, dass sie bereit ist, echte politische Verantwortung zu übernehmen. Doch die große Mehrheit setzt weiter auf das, was Petry Fundamentalopposition nennt, ein vornehmeres Wort für Krawall. Große Teile der AfD wollen die verhassten etablierten Parteien weiter nach Herzenslust geißeln und verdammen, sich mitnichten als deren Koalitionspartner irgendwelchen Kompromissen unterwerfen. Und auch Hetze Marke Höcke hat in der AfD nach Köln ganz offenkundig weiter ihren Platz. Beim Parteiausschlussverfahren, das sie gegen ihn angestrengt hat, dürfte Frauke Petry ihre nächste Niederlage kassieren.
Falsch wäre es indes, die abgestrafte Parteivorsitzende als Märtyrerin im innerparteilichen Kampf gegen ganz Rechts zu bemitleiden. Frauke Petry hat selbst immer wieder ungeniert die völkische Karte gespielt und als Anführerin der nationalkonservativen Strömung den Parteigründer Bernd Lucke verdrängt. Ihren Vorstoß, der AfD den Anstrich einer Art bundesweit wählbaren CSU zu verpassen, hat sie mehr aus Eigennutz denn aus Überzeugung unternommen. Massenhaft Stimmen enttäuschter Unionswähler einsammeln, eine starke Fraktion im Bundestag bilden und dann möglichst bald Teil einer Regierung werden – so stellte sich die ehrgeizige Sächsin das vor. Gleichzeitig wollte sie mit der vermeintlichen Richtungsentscheidung missliebige innerparteiliche Konkurrenten loswerden.
Doch der Versuch war zu durchsichtig. So geriet der Parteitag zum Desaster für Petry und zum Triumph des ganz rechten Lagers. Die AfD muss nun den Wahlkampf weitgehend ohne ihre bisherige Galionsfigur bestreiten. Offenkundig wird die Partei darauf setzen, die Wut auf die Regierung und die diffusen Ängste vieler Bürger vor „Überfremdung“zu schüren, um in den Bundestag einzuziehen. Fährt die AfD gut mit den Gegnern von Frauke Petry am Steuer, ist sie abgemeldet. Gerät die Partei dagegen ins Schlingern, könnte der erst 41-Jährigen nach der Wahl im Herbst ein Comeback gelingen. In der Hoffnung, am Ende doch recht zu behalten, klammert sich die gedemütigte Noch-Parteichefin fast trotzig an ihr Amt. Weniger dünnhäutig als ihr Vorgänger Lucke, ist Frauke Petrys Machthunger größer als ihr Stolz.
Wahlkampf ohne die bisherige Galionsfigur