Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Ort der Zuflucht und des Zuhörens
Soziales Jeden Tag kommen bis zu hundert Menschen in die Bahnhofsmission – manche sind Stammgäste. Sie finden dort Ansprechpartner, Trost und manchmal auch „Engel“, die ihnen das Leben erleichtern
Die Räumlichkeiten der Bahnhofsmission haben eine überschaubare Größe. Kommen zeitgleich mehr als zehn Gäste, kann es sein, dass sie sich auf den Füßen stehen. So war es auch beim Tag der offenen Tür am Samstag. Die Stimmung war trotzdem entspannt. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass jeder, der hereinkommt, mit einem netten Lächeln begrüßt wird und ein Stück Kuchen und einen Kaffee angeboten bekommt. Die Mitarbeiter nennen sich selbst „blaue Engel“– passend zur Farbe ihrer Westen.
Die meisten Gäste kennen sie bereits seit Längerem, teils viele Jahre. Etwa 80 Prozent sind Stammgäste. Durchschnittlich sind es pro Tag 80 bis 100 Besucher. „Sie kommen immer wieder vorbei, um sich aufzuwärmen oder etwas zu essen und zu trinken“, sagt Lisa Hagins von der Diakonie. Diese betreibt die Mission gemeinsam mit der Caritas. „Natürlich sind wir für alle da, aber es sind vor allem die Obdachlosen, Armen und Menschen in schwierigen Lebenssituationen, die uns aufsuchen“, sagt Hagins. Sie kümmert sich bei der Diakonie um die soziale Beratung von Menschen in Not und hat deswegen auch einen engen Draht zur Bahnhofsmission.
Es sind auch Gäste, bei denen das Geld trotz Vollzeitjobs nicht oder gerade so zum Leben reicht. So wie bei einer Frau, die alleinerziehend ist und als Leiharbeiterin weniger als 1000 Euro im Monat verdient. Sie erzählt das beim Tag der offenen Tür. Manchmal ist es auch gut, wenn man einfach nur reden kann. Mehr als 50 Prozent des Geldes gehen für die Miete der Wohnung weg. „Den Kaffeepreis, der vorne in der Bahnhofshalle verlangt wird, kann ich nicht bezahlen. Auf der Suche nach einer günstigen Alternative bin ich vor zwei Jahren zum ersten Mal hier hereingekommen.“Damals kostete der Kaffee noch 50 Cent, aktuell ist er kostenlos. Möglich ist das laut Hagins aufgrund der „großartigen Unterstützung“, die auf einen Spendenaufruf in der Augsburger Allgemeinen folgte.
Die Frau kommt seither regelmäßig vorbei, freut sich über die netten Gespräche und die Unterstützung. Ein paar Stiefel hat ihr beispielsweise eine Helferin schon geschenkt. Eine dieser Freiwilligen ist Johanna Berchtenbreiter. Vor 13 Jahren suchte sie nach einer Möglichkeit, sich zu engagieren, und ging zum Freiwilligenzentrum der Stadt. Dort bekam sie zwei Vorschläge: die Kleiderkammer und die Bahnhofsmission. „Ich war zuvor noch nie bei der Bahnhofsmission, aber es hat mir sofort gefallen. Hier spielt sich das wahre Leben ab und hier findet praktische Kirche jeden Tag statt.“Hinzu komme, dass jeder Tag anders sei, weil unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Problemen vorbeikommen.
Dankbar ist Berchtenbreiter auch dafür, dass sie Fortbildungen bekommt, die ihr helfen, mit den schwierigen Situationen und Lebensgeschichten umzugehen. „Natürlich nehme ich das mit nach Hause. Ich habe aber ein sehr gutes familiäres Umfeld, das hilft.“Einmal in der Woche übernimmt sie einen Dienst in der Bahnhofsmission. Mit Sorge beobachtet sie, dass immer mehr Menschen vorbeikommen, die von Medikamenten, Alkohol oder Drogen abhängig sind. Dankbar ist Berchtenbreiter dennoch für die Erfahrungen. „Es wird einem hier auch sehr bewusst, wie gut es einem selbst geht.“