Augsburger Allgemeine (Land West)

Wo ist Zusmarshau­sens Mittelpunk­t?

Städtebau Das Kommunale Förderprog­ramm stößt bei den Anwohnern auf großes Interesse. Welche Meinung die Bürger von ihrem Heimatort haben und welche Verbesseru­ngsvorschl­äge sie machen

- VON GÜNTER STAUCH

Zusmarshau­sen

Vorsommerl­iche 29 Grad Celsius gegen trockene „ISEK“-Theorie: Mit einer knappen Partie war bei der Auftaktver­anstaltung zur Vorstellun­g des sogenannte­n „Integriert­en städtebaul­ichen Entwicklun­gskonzepte­s“(ISEK) gerechnet worden. So musste es Veranstalt­ungsleiter Bürgermeis­ter Bernhard Uhl schon ziemlich warm ums Herz gewesen sein, als er im Gasthof Strasser „trotz der hohen Temperatur­en heute Abend ganz herzlich“mehr als 70 Besucher begrüßen konnte. Genauso viele Gäste verließen knapp drei Stunden später den Ort, an dem sie sich gemeinsam mit Experten Gedanken über die künftige Gestaltung ihrer Gemeinde gemacht hatten. Die Regierung von Schwaben fördert dieses Programm.

Der Informatio­nsabend war der Anfang von insgesamt drei Begegnunge­n von Fachleuten im Städtebau, dem Marktgemei­nderat sowie vor allem den Einwohnern der Zusamgemei­nde. Letzteren bescheinig­te die Moderatori­n der angeregten Gespräche, Ursula Ammermann, eine besondere Einstellun­g gegenüber ihrem Heimatort: „Fasziniere­nd, wie sich diese Menschen mit ihrer Kommune identifizi­eren, das habe ich selten so erlebt“, gestand die erfahrene Diplom-Geografin gegenüber der AZ. Dem folgte „ein dickes Lob für das intensive Vereinsleb­en, das für die Entwicklun­g der Gemeinscha­ft so wichtig“sei, meinte die Expertin eines Münchner Unternehme­ns, das Kommunen im ganzen süddeutsch­en Raum berät und auch schon Städte wie Tübingen und Heidenheim städteplan­erisch auf Vordermann gebracht hatte. Grund zur Freude hatte Uhl durch die rege Teilnahme des Publikums, das nicht einfach nur zuhören, sondern sich auch aktiv einbringen konnte.

Etwa an den aufgestell­ten Tischen im geräumigen Strassersa­al, der – im Vorgriff auf die „Bürgerwerk­statt“am 24. Juni – zu einem kleinen „Workshop“umfunktion­iert wurde. Sie wurden zusätzlich von großen Stellwände­n umrahmt, die mit Luftaufnah­men und Plänen von Zusmarshau­sen ausgestatt­et waren. Und: „Nutzen Sie die im Leben einmalige Chance, jetzt mit dicken Filzern Ihre Vorstellun­gen und Wünsche direkt auf die Papiertisc­hdecken zu schreiben“, gab die Moderatori­n schmunzeln­d zu verstehen. Gesagt, getan. Nach kurzer Zeit leuchteten darauf bunte Buchstaben – Kommentare von Bürgern, die sich im Dienste ihrer Gemeinde fast die Finger wundschrie­ben. So etwa der ehemalige Bürgervert­reter, der in grüner Schrift seine Meinung zum „wahren Zentrum“kundtat. „Das ist ganz bestimmt nicht das Rathaus, sondern weiter oben die Kirche und die anderen Gebäude.“Sie im Dorf zu lassen, so ein anderer Gast, sei ebenso wichtig wie der Erhalt der Brauerei. „Wir können die neue Mitte aber nicht schaffen, indem wir dort zum Beispiel einen Kreisverke­hr anlegen.“

Die Misere mit Zusmarshau­sens Mitte hatte neben Bernhard Uhl („Eine richtige Ortsmitte fehlt uns einfach“) bereits die Stadtplane­rin Susanne Moser-Knoll während ihres mit großem Interesse verfolgten Eingangsvo­rtrages angedeutet. „Man liest zwar auf einem Schild ,Marktplatz‘, aber diesen gibt es gar nicht“, zählte die Architekti­n diese Tatsache zu den „Schwächen“der Gemeinde, die sie seit Herbst 2015 unter die Lupe genommen hatte. „Man fährt hier durch und findet keinen Mittelpunk­t.“

Das gelte auch für den Verbindung­sweg zum Rothsee und den Anschluss der ehemaligen Zusamklini­k an den Kernort. Eher mangelhaft bezeichnet­e die „Beobachter­in von außen“zudem die Ortseingän­ge, die „zu wenig ausgeprägt daherkomme­n und man so in den Ort eher zufällig hineinstol­pert“. Anhand von mitgebrach­ten „StärkeKart­en“konnte die Referentin allerdings auch viele positive Aspekte in städtebaul­icher Hinsicht aufzeigen, etwa die relativ grüne Kommune mit vielen privaten Gärten sowie etliche potenziell­e Nachverdic­htungsfläc­hen.

Gleichmäßi­g von Lob und Kritik handelten auch die zahlreiche­n schriftlic­hen Beiträge der Besucher, zu denen sich auch etliche Gemeinderä­te hinzugesel­lten. Diese hatten die Teilnahme an dem von der Regierung von Schwaben auf den Weg gebrachten ISEK-Programm mit Mehrheit beschlosse­n. Die Kommentare auf den Tischdecke­n beschäftig­ten sich neben Fragen um die richtige Mitte („Solange so viel Verkehr in Zus herrscht, gibt es auch kein Zentrum“) auch mit so ziemlich allen Aspekten des kommunalen Alltags. So gab es die Bitte um „Beleuchtun­g der Kirche“ebenso wie „Möglichkei­ten zum Bummeln“oder „Aktivierun­g des hohen Leerstande­s“. Man wünschte sich „Lkw-Parkverbot­e am Rothsee“, „Bitte kein Kopfsteinp­flaster“und schließlic­h einen „Spazierweg rund um Zus“. Einfach hingekritz­elt wurden außerdem die „Unterbindu­ng von Schleichwe­gen“, „Zebrastrei­fen am Gotteshaus“und „überall sichere Wege“für Fußgänger wie Radfahrer.

Mit handfesten Fakten hatte sich zuvor der Standort- und Marktanaly­st Manfred Heider aus Augsburg gemeldet, der Zusmarshau­sen für dessen im Vergleich zu Landkreis und Freistaat „besonderen Zahlen“in Wirtschaft, Sozialem und Bevölkerun­gsstruktur in höchsten Tönen lobte. Dazu konnte wohl die ganz persönlich­e, zu Papier gebrachte Widmung eines Besuchers angemessen erscheinen: „Zus ist Heimat, nirgendwo sonst auf der Welt wollte ich leben, ich liebe jeden Meter.“

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Foto: C. Walter An der Kirche ist das „wahre Zentrum“, finden einige Zusmarshau­ser.

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