Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Ringen zwischen Grün und Beton
Debatte Zahlreiche Bäume werden abgeholzt, Grünflächen verschwinden. Das ist die Kehrseite des aktuellen Baubooms. Immer mehr Bürger protestieren gegen unzulässige Eingriffe und Baumfrevel. Was ist zu tun?
Sind Bäume wichtiger als Menschen? Über diese Frage wird in Augsburg kontrovers diskutiert. Jetzt auch im Rathaus. Und tatsächlich es ist eine interessante Frage. Aktuell herrscht ein Bauboom wie lange nicht mehr. Und der hat auch eine Kehrseite.
Wenn die Bagger und Betonmischer anrücken, werden in vielen Fällen Bäume gefällt oder Grünflächen zubetoniert. Seit rund einem Jahr häufen sich die Proteste von Bürgern, die es nicht mehr hinnehmen wollen, dass bei Bauvorhaben in Augsburg immer wieder Zeit sollen sie keine Aufträge mehr von der Stadt bekommen. Pro Augsburg hält dagegen: „Die Menschen gehen vor.“Die Wertigkeit für Bäume sei nicht mehr nachvollziehbar. Wer hat recht?
Wer über das Augsburger Grün diskutiert, sollte nicht nur an heute denken. Denn Bäume wachsen auch nicht von heute auf morgen nach. Vielmehr geht es um die langfristige Entwicklung der Natur in der Stadt. Und hier gab es zuletzt offenkundig Defizite: Die kleine Umüberfällige weltpartei ÖDP deckte mit einer Anfrage auf, dass in der Stadt unter dem Umweltreferenten der Grünen, Reiner Erben, mehr öffentliche Bäume abgeholzt als gepflanzt wurden. Bekannt war auch seit langem, dass die Stadt keinen genauen Überblick über ihren Baumbestand hat. Es gibt bislang kein modernes digitales Verzeichnis wie in vielen anderen Kommunen. Inzwischen wurden zwar Konsequenzen gezogen: Es gibt mehr Geld für Pflanzungen, mehr Personal für den Grünbereich und auch das lange Baumkataster kommt. Nicht gelöst ist aber weiterhin die Frage: Wie geht man mit Bauherren um, die geschützte Bäume so stark zerstören, dass sie am Ende doch gefällt werden müssen? Bis zum Sommer will Umweltreferent Erben – nach langer Anlaufphase – endlich Lösungen präsentieren.
Grundsätzlich gilt: Es wird immer wieder Fälle geben, in denen Bäume gefällt werden müssen – weil sie krank sind, weil sie nicht mehr verkehrssicher sind und Passanten gefährden, oder weil sich bei wichtigen Bauvorhaben wie dem Theater offenbar keine andere Lösung finden lässt. Notwendig ist dann, dass zeitnah genügend nachgepflanzt wird. Grundsätzlich gilt aber auch: Die Gefahr, dass immer mehr grüne Bereiche verloren gehen, nimmt derzeit dramatisch zu. Die Bevölkerung in Augsburg wächst. Immobilien sind als Geldanlage derzeit besonders begehrt. Deshalb wird in der ganzen Stadt gebaut, was das Zeug hält. Die berechtigten Rufe nach mehr bezahlbaren Wohnungen verstärken den Druck. Das alles führt aber auch dazu, dass bebaute Viertel nachverdichtet werden. Große neue Baugebiete werden neuerdings auf der grünen Wiese geplant, was in Augsburg lange Zeit tabu war, etwa in HaunstettenSüd/West.
Auch neue Zahlen des Bundes Naturschutz geben Anlass zur Sorge. Sie zeigen, dass die Versiegelung von Flächen in Augsburg seit Jahren größer ist als in München und Nürnberg. Bayernweit ist danach nur der Verbrauch in Ansbach noch höher. Höchste Zeit also, dass die Stadtregierung von CSU, SPD und Grünen öffentlich Klarheit darüber schafft, welchen Stellenwert das öffentliche Grün in der Stadtplanung haben soll.
In der Vergangenheit haben gerade auch Augsburger Stadtverantwortliche Weitblick gezeigt und Naherholungsgebiete geschaffen, die bis heute ins Lebensgefühl der Augsburger hineinwirken.
Zwei Beispiele sind der Wittelsbacher Park und die Siebentischanlagen. Von Mitarbeitern des Amtes für Grünordnung werden sie sorgsam gepflegt. Dort gedeiht nicht nur die Natur. An schönen Tagen tummelt sich dort auch die Bevölkerung im Massen: zum Spazierengehen, Joggen, Radeln, Picknicken, und, und und ... All das zeigt: Es darf nicht um die Frage Mensch oder Baum gehen. Vielmehr geht es darum, Augsburg auch für künftige Generationen als eine schöne und lebenswerte Stadt zu erhalten und weiterzuentwickeln. Das kann nur mit genügend Natur für die Stadtbewohner gelingen. Damit steht das Wohlbefinden der breiten Augsburger Bevölkerung im Mittelpunkt.