Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn plötzlich die Polizei im Klassenzim­mer steht

Abschiebun­gen Der Vorfall in Nürnberg schlägt Wellen. Auch im Landkreis gibt es Kritik

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Landkreis Augsburg

Vor wenigen Tagen holte die Polizei in Nürnberg einen 20-jährigen Afghanen aus dem Unterricht. Vor den Augen seiner Mitschüler. Der Vorfall löste bundesweit Bestürzung aus. Auch im Landkreis hagelt es Kritik.

Jürgen Wunderlich, Leiter der Berufsschu­le Neusäß, hat sich bereits Gedanken gemacht, sollte der Ernstfall eintreten. „Falls es passiert, muss es das Ziel sein, so sensibel wie möglich vorzugehen“, sagt er. Andernfall­s verunsiche­re eine größere Aktion sowohl Mitschüler als auch Lehrer. Als Vorsitzend­er des Verbands der Lehrer an berufliche­n Schulen in Bayern weiß er: In Schwaben sei kein Fall bekannt, in dem die Polizei mit dem Ausreisebe­scheid in eine Schule gekommen ist. Tausende junge Asylbewerb­er werden in Schwaben in eigens eingericht­eten Schulklass­en auf eine Ausbildung vorbereite­t.

In Neusäß gebe es Ausreiseau­fforderung­en für eine „überschaub­are Anzahl an Schülern“, sagt Wunderlich. Sie stammen aus Afghanista­n, Eritrea und Syrien. Die meisten hätten bereits Rechtsmitt­el gegen den Beschluss eingelegt. Eine Klage gegen eine Ablehnung im Asylverfah­ren verzögert die Abschiebun­g, bis vor Gericht ein Urteil gefällt ist, heißt es aus dem Landratsam­t.

Alexander Kolb sitzt für die Grünen im Kreisrat und ist Studienrat im Neusässer Berufsschu­lzentrum. Zum Vorgehen in Nürnberg sagt er: „Es gibt zum einen ein rechtliche­s Argument, das sicherlich okay ist. Die menschlich­e Komponente war in diesem Fall aber unbefriedi­gend.“Als kürzlich die ersten Ausreiseau­fforderung­en einige Schüler seiner Klassen erreichten, habe er „bange Blicke und nervöses Verhalten“bei den Betroffene­n wahrgenomm­en. Sowohl die Lehrer als auch die Schulpsych­ologin kümmern sich jetzt noch intensiver um die Schüler. Das Unverständ­nis der Jugendlich­en über die negativen Bescheide stellte auch die Dinkelsche­rber Asylbeauft­ragte Inge Herz fest. „Die Jugendlich­en können es nicht nachvollzi­ehen. Schließlic­h haben sie hier Schulkamer­aden und Freunde.“Herz weist zudem darauf hin, dass minderjähr­ige Flüchtling­e grundsätzl­ich nicht abgeschobe­n werden dürfen.

Evi Madalenko-Stuhler aus Dinkelsche­rben bekommt das Problem als Pflegemutt­er von zwei Brüdern aus Afghanista­n hautnah mit. Seit zwei Wochen liegt eine Aufforderu­ng sowohl für den 16-Jährigen als auch für den zwei Jahre älteren Bruder vor. „Es ist eine furchtbare Situation“, sagt sie. Mehr zum Thema lesen Sie im

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