Augsburger Allgemeine (Land West)
„Alle reden über uns. Aber keiner mit uns“
Politik Die Diskussion über ein Gewerbegebiet an der B 300 nervt den Stadtberger Landwirt Martin Thum. Er gehört zu den Eigentümern und hat eine Vorstellung, was mit einem Teil der 20-Hektar-Fläche passieren könnte
Nächste Woche endet die Bindungsfrist des Bürgerentscheids, der vor einem Jahr ein neues Gewerbegebiet südlich der B300 verhinderte. Der Bund Naturschutz forderte jüngst ein Bekenntnis der Kommunalpolitik zum Ergebnis der Abstimmung. Martin Thum nervt die Diskussion. Schließlich gehört der Landwirt zu den Eigentümern der rund 20 Hektar großen Fläche. „Alle reden über uns, aber keiner redet mit uns. Man kommt sich total übergangen vor“, sagt der 39-Jährige.
Thum kritisiert die Naturschützer. Es habe noch kein Mitglied des Bund Naturschutz die Frage gestellt, ob die Eigentümer ihre Grundstücke überhaupt für ein immer wieder ins Auge gefasstes Gewerbegebiet veräußern wollen. Würden sie es tun, dann bekämen sie vom Haupterwerbslandwirt diese Antwort: Wohl kaum.
Für Thum ist ein Gewerbegebiet nicht der richtige Weg. Er sagt: „Ein Gewerbegebiet ist an der Autobahn besser aufgehoben.“Außerdem: „Ein Gewerbegebiet ist doch gestorben, weil von keiner Seite gewollt.“Nicht ganz: Stadtrat Johannes Münch plädiert für eine Ansiedlung von Firmen an der B300. Dafür gibt es seiner Meinung nach einen wichtigen Grund: die Stadtfinanzen. Sie würden chronisch an einer strukturellen Schwäche der Einnahmeseite leiden. Kurz gesagt: „Es fehlen Gewerbesteuereinnahmen.“Das Thema wieder auf den Tisch zu bringen, hält Münch für unabdingbar: Schließlich hätte sich durch die Pläne für ein Universitätsklinikum Augsburg eine neue Sachlage ergeben.
Von einer Wohnbebauung südlich der B300 hält der Stadtrat von Pro Stadtbergen nichts. „Das ist an der stark befahrenen Straße eine Träumerei“, sagt der Kommunalpolitiker, dessen Überzeugung für dieses Gewerbegebiet so weit ging, dass er seine Kandidatur bei den Grünen im Vorfeld der Stadtratswahl 2014 niederlegte und als parteiloser Kandidat mit dem Thema Stadtverschuldung/Gewerbeansiedlung zur Wahl antrat.
Die „Träumerei“sieht Landwirt Thum anders. Seiner Meinung nach sei ein Lärmschutzwall möglich. Und damit auch eine Wohnbebauung. Außerdem sollen nach seiner Kenntnis die Emissionswerte in Zukunft nicht mehr so streng wie bisher ausgelegt werden. Für Thum sich mit einer Wohnbebauung im nordöstlichen Bereich der diskutierten Fläche auch eine ortsplanerische Abrundung erzielen. Tatsächlich könnte er sich vorstellen, dafür auch Flächen zu verkaufen. „Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, sollte man einer Ortsentwicklung nicht im Wege stehen“, sagt Thum. Eine Wohnbebauung würde laut Thum auch die Mehrheit der etwa zehn Eigentümer bevorzugen. Nachfrage von potenziellen Käufern sei vorhanden: Immer wieder klopfen Interessenten bei Thum an und fragen nach Grundstücken. „Viele junge Familien haben doch sonst gar keine Chance, sich hier etwas aufzuließe
bauen.“Vor sechs Jahren hatte der Agrarbetriebswirt selbst die Entscheidung seines Lebens getroffen: Er und seine Familie verlagerten die Landwirtschaft an den Ortsrand von Stadtbergen.
Dafür mussten die Thums viel Fremdkapital in die Hand nehmen. Über eine Million Euro investierten
sie in den Betrieb, der damit näher an die Anbauflächen rückte: Dem Landwirt gehören etwa sechs der insgesamt rund 20 Hektar großen Fläche, um die es geht. Vier davon hat Thum dazu gepachtet, um dort in der Hauptsache Futter für seine rund 170 Mastbullen im Stall zu produzieren.