Augsburger Allgemeine (Land West)
Hitzefrei kennen fast nur noch Eltern
Schulen Das Kultusministerium sagt: Ob es an einer Schule hitzefrei gibt, entscheidet die Schulleitung vor Ort. Warum in Meitingen und Diedorf die Entscheidung bereits gefallen ist
Landkreis Augsburg
Die Sonne brennt durch die Containerfenster im Paul-Klee-Gymnasium in Gersthofen. Schüler und Lehrer reißen Fenster und Türen auf. Schulleiter Peter Krauß weiß: „Unterricht in den Containern macht keinen Spaß.“Die Kinder hoffen auf hitzefrei, doch früher werden sie in dieser Woche nicht nach Hause geschickt. Das Gymnasium sei in dieser Hinsicht konservativ. Den Schülern direkt nach den Pfingstferien kürzere Tage in Aussicht zu stellen, sei „ein falsches Signal“, sagt Krauß.
Für viele Kinder ist „hitzefrei“das Lieblingsfach. Für Eltern kann es zu einer Belastung werden, wenn die Kinder vorzeitig aus der Schule nach Hause kommen. Im Landkreis herrscht bei den meisten Schulen der gleiche Tenor wie am Gersthofer Gymnasium: Hitzefrei gibt es in der Regel nicht mehr.
Das bestätigt Renate HaaseHeinfeldner, fachliche Leiterin des Staatlichen Schulamtes im Landkreis Augsburg: „Hitzefrei zu geben, ist nicht verboten, aber eigentlich nicht mehr üblich.“Eine feste Temperaturgrenze wie 24 Grad morgens um 10 Uhr, wie es früher mal üblich war, gebe es nicht mehr.
Grundsätzlich gebe es zwei Seiten bei diesem Thema zu betrachten: Zum einen verlassen sich Eltern darauf, dass die Schüler einer Ganztagesklasse immer zur gleichen Uhrzeit nach Hause kommen. „Viele Elternteile sind berufstätig und haben ihre Arbeitszeiten denen der Schule angepasst“, sagt sie. Des Weiteren sei es ungerecht für die Schüler der Ganztagesklassen, länger bleiben zu müssen als die Mitschüler. Ein „enormes Ungleichgewicht“würde so entstehen.
Im Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf sind heiße Klassenzimmer passé. Zwischen 20 und 22 Grad herrschen im preisgekrönten Holzbau. Möglich mache das die Lüftungsanlage sowie die Fußbodenheizung, durch die im Sommer kaltes Wasser fließt, erklärt Schulleiter Günter Manhardt. „Pauschal gibt es kein hitzefrei bei uns“, sagt er. Denkbar sei es, eine Stunde ausfal- len zu lassen, wenn die Prüfungen Ende Juli vorbei sind.
Noch vor dem Umbau seien die Temperaturen in den Containern, ähnlich wie in Gersthofen, schnell nach oben gestiegen. Nun wird die Temperatur im Sekretariat gemessen und läuft beim Hausmeister zentral auf einem Bildschirm ein. Dieser überwacht die Werte und reguliert im Bedarf die Lüftungsanlage. Die Fenster sind im gesamten Gebäudekomplex abgesperrt und bleiben geschlossen. Der Schaden, ein Fenster zu öffnen, sei größer als der Nutzen, sagt Manhardt. Zudem schalte sich die Lüftung ab, sollte ein Fenster offen stehen.
Schon das dritte Jahr ohne hitzefrei kommt die Realschule Meitingen aus. Rektor Michael Kühn er- klärt: „Das hängt mit der Ganztagesbetreuung zusammen: Wir können die anderen Schüler nicht heimschicken und die sechste Stunde freigeben, während andere dableiben müssen.“Seitdem das Gebäude im Passivhausstandard saniert wurde könne sich die Schule das erlauben. Nach einer morgendlichen Tour durch verschiedene Klassenzimmer stellte Kühn gestern fest: „Es war recht angenehm in den Räumen.“In jedem Zimmer befinde sich ein Temperaturfühler, die Lüftung sei seit sechs Jahren in Betrieb. „Die Fenster zu öffnen wäre unsinnig, weil sonst die Wärme von draußen reindrückt“, sagt der Rektor. Lediglich im dritten Stock sei es deutlich wärmer als im Rest des Gebäudes, dort wurde weniger gut iso- liert. Da die zehnten Klassen seit gestern über ihren Abschlussprüfungen brüten, weichen die vier Klassen aus dem dritten Stock in die freien Klassenzimmer aus. Diese sind im gesamten Schulhaus verteilt.
Ob es zu heiß zum Lernen ist, liegt „im alleinigen Verantwortungsbereich der Schulleitungen, denen insoweit ein Organisationsermessen zusteht“, schreibt das Kultusministerium. Bei ihrer Entscheidung habe die Schulleitung die konkrete Situation an der Schule zu berücksichtigen und eine Abwägung der Gesamtumstände vorzunehmen. „Diese Rechtslage ermöglicht es, auf die unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten nicht nur flexibel, sondern vor allem der konkreten Situation entsprechend angemessen zu reagieren.“Wie Renate HaaseHeinfeldner erläutert, stehe in allen Fällen das Wohl der Kinder und Lehrer im Vordergrund. Sie verweist auf kreative Kollegen, die an heißen Tagen den Unterricht passend gestalten. Das könne der Rückzug ins schattige Freie oder den Pausenhof sein. Ganz ausgestorben ist die hitzefreie Zeit noch nicht: Mit genügend Vorlaufzeit werden die Eltern der Grundschulen Diedorf, Fischach-Langenneufnach, Gessertshausen, Kutzenhausen, Leitershofen, Stadtbergen und Ustersbach vor einem möglichen kürzeren Tag vorgewarnt. Die Eltern erhalten einen Brief und kreuzen an, ob das Kind früher nach Hause gehen kann oder nicht.