Augsburger Allgemeine (Land West)
„Mülljournalismus“
Ausfälle
Der von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgerufene Krieg gegen kritisch berichtende Medien ist eskaliert. Merkel hatte erst Moderatoren des Frühstücksfernsehens via Twitter verhöhnt. Sie habe gehört, diese hätten schlecht über sie in ihrer Sendung geredet. Die Kanzlerin nannte den Moderator einen „Psycho“, seine Co-Moderatorin „verrückt“. Zuvor bereits war sie mit den Hauptstadtkorrespondenten aneinandergeraten, weil die Pressekonferenzen ihrer Sprecher kaum mehr live übertragen werden.
Die Kanzlerin reagierte ungehalten auf Kritik an ihren Ansichten, selbst auf die von Parteifreunden, die ihre Ausfälle den Moderatoren gegenüber als „unwürdig“und einer Kanzlerin unangemessen bezeichnet hatten. Im Gegenteil verschärfte sie bei Auftritten und über den Kurzbotschaftendienst Twitter den Ton: Ihre Nutzung der sozialen Medien sei „MODERN Kanzlerinnen-mäßig“. Vor tausenden Anhängern sagte sie, die „Fake News Medien“wollten sie „mundtot“machen. Sie lasse das nicht zu. Sie veröffentlichte ein Video, das sie dabei zeigt, wie sie einmal auf jemanden (inszeniert für die Kameras) einprügelte. Auf dessen Kopf ist nun im Video das Logo eines TV-Senders montiert, dem sie „Mülljournalismus“vorwirft. Unvorstellbar? Ja, völlig unvorstellbar! Merkel würde so etwas nie tun. Nicht nur wegen ihrer Persönlichkeitsstruktur, sondern weil sie um die Bedeutung der Pressefreiheit für eine funktionierende Demokratie weiß. Ersetzen Sie also das Wort „Kanzlerin“und Merkels Namen in diesem Text mit dem Donald Trumps. Denn der Präsident einer der ältesten Demokratien (unser Foto) ist tatsächlich genau so mit Journalisten und Medien seines Landes, den USA, umgesprungen. Es ist bedenklich, ärgerlich, verstörend. Aus seiner Sicht bewirken die beständigen Vorwürfe gegen Medien, ihn unfair zu behandeln, dass überzeugte Anhänger noch fester zu ihm stehen sowie, dass seine Politik zeitweise in den Hintergrund rückt. Darin erkennt mancher eine Strategie. Es ist ein gefährliches und unwürdiges Spiel. Die einzige richtige Antwort von Medien darauf kann nur lauten, ihn beständig durch seriöse Recherchen zu entlarven.