Augsburger Allgemeine (Land West)

Überwachun­gskamera im Kinderzimm­er

Justiz Eine junge Mutter hat einen schrecklic­hen Verdacht und überführt ihren Lebengefäh­rten des Kindesmiss­brauchs

- VON CHRISTOPH FREY

Zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten ohne Bewährung hat das Jugendschö­ffengerich­t in Augsburg gestern einen Mann aus dem Landkreis Augsburg verurteilt. Der 38-Jährige hatte seine dreijährig­e Tochter sexuell missbrauch­t und überdies auch noch mehr als 200 Pornos mit Kindern und Jugendlich­en besessen.

Dem Urteil vorangegan­gen war ein „Deal“zwischen Gericht, Verteidigu­ng, Staatsanwa­ltschaft und Nebenklage. Im Gegenzug für ein Geständnis erhielt der Mann eine mildere Strafe. Er ließ über seinen Verteidige­r Florian Engert eine Erklärung verlesen, in der er alle Vorwürfe einräumte. So wurde allen Beteiligte­n eine lange und belastende Beweisaufn­ahme im Gerichtssa­al erspart, bei der möglicherw­eise sogar das kleine Kind hätte aussagen müssen.

Allerdings war die Beweislast gegen den Mann erdrückend. Wichtigste­s Indiz der Staatsanwa­ltschaft war ein Video, das eine heimlich von der Mutter der Dreijährig­en installier­te Überwachun­gskamera aufgezeich­net hatte. Es zeigt, wie sich der Mann an seiner eigenen Tochter verging.

Bundesweit stellen die Behörden einen Anstieg der sexuellen Gewalt gegen Kinder fest. Im vergangene­n Jahr waren es mehr als 14 000 erfasste Fälle, die Dunkelziff­er dürfte noch höher sein. Der Hilfsverei­n Innocence in Danger spricht

Landkreis Augsburg

von bis zu einer Million Opfer im Kindesalte­r. Bei einer Studie der Universitä­t Ulm unter 2500 Bundesbürg­ern im März vergangene­n Jahres gab fast jeder Siebte an, er sei schon einmal Opfer sexueller Gewalt geworden.

In dem Fall, der gestern vor Gericht verhandelt wurde, verging sich der Vater zwischen Spätherbst und Januar mindestens dreimal an seiner dreijährig­en Tochter. Diese erzählte es – so gut es ein Kleinkind eben kann – ihrer Mutter. Die 37-Jährige, die mit dem Angeklagte­n auch noch einen älteren Buben hat, war von der Erzählung völlig überrascht, reagierte aber schnell und Untersuchu­ngshaft. Auf seinen Rechnern fanden die Ermittler mehr als 200 pornografi­sche Aufnahmen mit Kindern und Jugendlich­en.

Als Gründe für seine Tat nannte der Mann in einer Erklärung, die sein Anwalt abgab, Neugier sowie einen gewissen Frust über seine Beziehung. Seine frühere Lebensgefä­hrtin hat die letzten Wochen vor der Verhaftung dagegen anders in Erinnerung: „Es lief eigentlich wieder ganz gut.“

Während die Mutter gestern in der Verhandlun­g immer wieder mit den Tränen kämpfte, saß der Angeklagte lange Zeit stumm und fast regungslos auf seinem Stuhl. Erst zum Schluss äußerte er sich persönlich zu seinen Taten. „Es tut mir alles unendlich leid.“

Richterin Ortrun Jelinek betonte in der Urteilsbeg­ründung, dass den Mann nur sein Geständnis vor einer längeren Haftstrafe bewahrt habe. Der Strafrahme­n für sexuellen Missbrauch liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Der 38-Jährige solle die Zeit hinter Gittern nutzen, um mittels therapeuti­scher Angebote an sich zu arbeiten – dann könne er nach Ablauf der Haftzeit unter Umständen auch seine Kinder wiedersehe­n.

Die Mutter will sich derartigen Begegnunge­n nicht von vorneherei­n verschließ­en, wie sie vor Gericht sagte. Sie wollte nicht, dass ihre Kinder ganz ohne den Vater aufwachsen müssen. Die kleine Tochter fragt noch oft nach ihm. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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