Augsburger Allgemeine (Land West)
Überwachungskamera im Kinderzimmer
Justiz Eine junge Mutter hat einen schrecklichen Verdacht und überführt ihren Lebengefährten des Kindesmissbrauchs
Zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten ohne Bewährung hat das Jugendschöffengericht in Augsburg gestern einen Mann aus dem Landkreis Augsburg verurteilt. Der 38-Jährige hatte seine dreijährige Tochter sexuell missbraucht und überdies auch noch mehr als 200 Pornos mit Kindern und Jugendlichen besessen.
Dem Urteil vorangegangen war ein „Deal“zwischen Gericht, Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Im Gegenzug für ein Geständnis erhielt der Mann eine mildere Strafe. Er ließ über seinen Verteidiger Florian Engert eine Erklärung verlesen, in der er alle Vorwürfe einräumte. So wurde allen Beteiligten eine lange und belastende Beweisaufnahme im Gerichtssaal erspart, bei der möglicherweise sogar das kleine Kind hätte aussagen müssen.
Allerdings war die Beweislast gegen den Mann erdrückend. Wichtigstes Indiz der Staatsanwaltschaft war ein Video, das eine heimlich von der Mutter der Dreijährigen installierte Überwachungskamera aufgezeichnet hatte. Es zeigt, wie sich der Mann an seiner eigenen Tochter verging.
Bundesweit stellen die Behörden einen Anstieg der sexuellen Gewalt gegen Kinder fest. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 14 000 erfasste Fälle, die Dunkelziffer dürfte noch höher sein. Der Hilfsverein Innocence in Danger spricht
Landkreis Augsburg
von bis zu einer Million Opfer im Kindesalter. Bei einer Studie der Universität Ulm unter 2500 Bundesbürgern im März vergangenen Jahres gab fast jeder Siebte an, er sei schon einmal Opfer sexueller Gewalt geworden.
In dem Fall, der gestern vor Gericht verhandelt wurde, verging sich der Vater zwischen Spätherbst und Januar mindestens dreimal an seiner dreijährigen Tochter. Diese erzählte es – so gut es ein Kleinkind eben kann – ihrer Mutter. Die 37-Jährige, die mit dem Angeklagten auch noch einen älteren Buben hat, war von der Erzählung völlig überrascht, reagierte aber schnell und Untersuchungshaft. Auf seinen Rechnern fanden die Ermittler mehr als 200 pornografische Aufnahmen mit Kindern und Jugendlichen.
Als Gründe für seine Tat nannte der Mann in einer Erklärung, die sein Anwalt abgab, Neugier sowie einen gewissen Frust über seine Beziehung. Seine frühere Lebensgefährtin hat die letzten Wochen vor der Verhaftung dagegen anders in Erinnerung: „Es lief eigentlich wieder ganz gut.“
Während die Mutter gestern in der Verhandlung immer wieder mit den Tränen kämpfte, saß der Angeklagte lange Zeit stumm und fast regungslos auf seinem Stuhl. Erst zum Schluss äußerte er sich persönlich zu seinen Taten. „Es tut mir alles unendlich leid.“
Richterin Ortrun Jelinek betonte in der Urteilsbegründung, dass den Mann nur sein Geständnis vor einer längeren Haftstrafe bewahrt habe. Der Strafrahmen für sexuellen Missbrauch liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Der 38-Jährige solle die Zeit hinter Gittern nutzen, um mittels therapeutischer Angebote an sich zu arbeiten – dann könne er nach Ablauf der Haftzeit unter Umständen auch seine Kinder wiedersehen.
Die Mutter will sich derartigen Begegnungen nicht von vorneherein verschließen, wie sie vor Gericht sagte. Sie wollte nicht, dass ihre Kinder ganz ohne den Vater aufwachsen müssen. Die kleine Tochter fragt noch oft nach ihm. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.