Augsburger Allgemeine (Land West)
Auf dem Balkon ist nicht alles erlaubt
Ratgeber Für viele Menschen wird der Freisitz im Sommer zum Freiluft-Wohnzimmer. Oft gibt es deshalb Ärger mit den Nachbarn. Was Mieter draußen dürfen – und was nicht
Nachbarn könnten sich durch Grillgeruch gestört fühlen Blumentöpfe dürfen nicht herunterfallen
Augsburg
Sonnensegel, Palmenkübel und ein Grill: Wer einen Balkon hat, kann sich dort im Sommer fast wie im Urlaub fühlen. Doch auch auf Balkonien gibt es Grenzen der Entfaltung. Zwar dürfen Mieter einer Wohnung mit Balkon den Freisitz grundsätzlich so nutzen, wie sie es wollen – denn schließlich ist er Teil der Mietsache. „Diese Freiheit hat allerdings dort Grenzen, wo sie die Rechte der Nachbarn oder des Vermieters einschränkt“, betont Michaela Rassat, Juristin der D.A.S.-Rechtsschutzversicherung.
Auf dem Balkon empfiehlt sich daher gegenseitige Rücksichtnahme. Denn nicht selten führen Konflikte über die angemessene Nutzung des Freisitzes zu handfesten Nachbarschaftsstreitigkeiten. Laut einer Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung hatten in den vergangenen Jahren 38 Prozent aller Deutschen Streit und Auseinandersetzungen mit ihren Nachbarn.
Dabei wirke sich die heutige Eventkultur häufig negativ auf das Nachbarschaftsverhältnis aus, meint Marcus Lentz, Geschäftsführer der bundesweit tätigen Detektei Lentz. „Es wird immer öfter, länger und lauter gefeiert.“Wenn dann noch viel Alkohol im Spiel ist, können die Konflikte schnell eskalieren. Dabei ist es aus Sicht des Privatermittlers ein Leichtes, Streitereien zu vermeiden – durch Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme.
Ein zweites großes Streitthema ist das Grillen auf dem Balkon, denn schließlich fühlen sich viele Nachbarn durch den ständigen Geruch von Holzkohle und Grillfleisch gestört. „Bevor ein Mieter auf seinem Balkon die Grillkohle auspackt, sollte er einen Blick in den Mietvertrag und in die Hausordnung werfen“, rät D.A.S.-Juristin Rassat. Findet der Mieter dort ein explizites Verbot für das Grillen, dann sollte er sich auch daran halten. Ansonsten muss er mit einer Abmahnung und nach weiteren Grillabenden auch mit einer Kündigung rechnen, wie aus einem Urteil des Landgerichts Essen (Aktenzeichen: 10 S 438/01) hervorgeht. Enthalten Vertrag und Hausordnung kein Verbot, dann darf der Mieter brutzeln.
Auch dabei empfiehlt sich jedoch gegenseitige Rücksichtnahme, um Streit mit den Nachbarn zu vermeiden. „Auf die Frage, wie oft ein Mieter grillen darf, gibt es keine eindeutige Antwort“, erklärt Rassat. Hier entscheiden die Gerichte sehr unterschiedlich – von jährlich nur viermal bis jeweils 24 Uhr (OLG Oldenburg, Az. 13 U 53/02) bis hin zu jährlich 25-mal, für jeweils zwei Stunden und bis maximal 21 Uhr (AG Schöneberg, Az. 3 C 14/07).
Unentwegt Zigaretten auf seinem Balkon zu rauchen, kann ebenfalls zu Konflikten mit den Nachbarn führen. Immer wieder urteilen Gerichte, dass die Nachbarn das Recht auf rauchfreie Zeiten haben. In einem Fall aus dem Jahr 2015 bekam ein Ehepaar aus Premnitz in Brandenburg recht, als dieses sich über den Zigarettenqualm der Nachbarn aus der unteren Etage beklagte. Dabei war aufseiten der Kläger von bis zu 20 Zigaretten am Tag die Rede. Das Gericht ordnete an, dass rauchfreie Zeiten festgelegt werden müssen (Az.: V ZR 110/14).
Was Belästigung ist und was nicht, liegt zudem häufig im Auge des Betrachters. Die Grenzen des Zumutbaren sind mitunter fließend. So ist es beispielsweise nicht verboten, sich auf dem Balkon knapp bekleidet oder gar nackt zu sonnen. Das Amtsgericht Merzig etwa entschied vor einiger Zeit, dass das Mietverhältnis einer freizügigen Mieterin nicht mit der Begründung gekündigt werden dürfe, dass die Sonnenbäder für Gesprächsstoff in der Nachbarschaft sorgen würden (Az.: 23 C 1282/04). Sex auf dem Balkon geht hingegen zu weit, so das Amtsgericht Bonn (Az.: 8 C 209/05). In dem Fall hatte sich die Mieterin eines Mehrfamilienhauses auf dem Balkon mit ihrem Freund vergnügt. Die Nachbarn hatten sich daraufhin beim Vermieter beschwert, der die Mieterin abmahnte. Zu Recht, entschieden die Richter – denn Sex auf dem Balkon würde den Hausfrieden stören.
Darüber hinaus sollten Mieter darauf achten, dass sie nicht mit allzu bunten oder auffälligen Balkonverkleidungen das äußere Erscheinungsbild des Hauses stören. Auch sollten die Sichtschutzverkleidungen nicht höher sein als die Balkonbrüstung. Denn gegen Dekorationen, die in den Augen eines Dritten das Gesamtbild der Fassade stören, kann der Vermieter einschreiten. Was noch akzeptabel ist und was nicht, entscheiden die Gerichte im Einzelfall. Die Juristin Rassat rät daher, zunächst das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen. Zudem sollten Blumenkästen und -töpfe so befestigt sein, dass sie bei Wind nicht herabstürzen. Ein paar herabfallende Blätter oder Gießwasser müssen die Nachbarn akzeptieren.