Augsburger Allgemeine (Land West)
Zweite Chance – ohne Abkürzung
Jeder hat eine zweite Chance verdient. Das gilt auch für KarlTheodor zu Guttenberg. Seit der Affäre um seine in weiten Teilen abgekupferte Doktorarbeit sind sechs Jahre vergangen. Und die ehemalige Lichtgestalt der CSU scheint inzwischen zu einem reiferen Umgang mit seinen Fehlern gefunden zu haben. War der Grundton seines Buches „Vorerst gescheitert“von 2011 noch uneinsichtig und besserwisserisch, übt sich Guttenberg heute in Demut und Selbstironie. Viele sehnen sich nach dem Glamour, für den der frühere Wirtschafts- und Verteidigungsminister stand. Besonders laut ruft Parteichef Horst Seehofer nach einer Rückkehr Guttenbergs. Der betont zwar, er fühle sich dafür in den USA viel zu wohl. Doch seine Dementis lassen alles offen. Guttenberg weiß, dass er nicht den Eindruck erwecken darf, er dränge sich auf. Aber wenn die Partei ihn braucht, wenn er noch ein wenig mehr gebettelt wird – wer weiß? Doch der Weg zurück sollte für den abgestürzten Überflieger nicht durch die Hintertür führen. Guttenberg müsste einen echten politischen Neuanfang wagen, sich der Parteibasis stellen und den Wählern. Sich für ein Mandat bewerben, sich wieder hocharbeiten, Schritt für Schritt.
Ein Comeback Guttenbergs nach Gutsherrenart aber, von null auf hundert, aus dem selbst gewählten amerikanischen „Exil“per Seehofer-Dekret direkt in ein Ministeramt auf Bundesebene, das wäre weder der eigenen Partei noch den Wählern zu vermitteln.