Augsburger Allgemeine (Land West)
Taugt der Tiger für die Wüste?
Verteidigung Der Absturz eines Bundeswehr-Helikopters in Mali, bei dem zwei Soldaten starben, wirft Fragen auf. Experten sehen Lücken bei der Ausrüstung und fordern eine Prüfung
Berlin
Auf dem Militärflugplatz Köln wird am heutigen Samstag ein Flugzeug erwartet, das die Leichen der beiden in Mali bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommenen Bundeswehrpiloten an Bord hat. Während im nordhessischen Fritzlar, wo sich die Heimatkaserne der beiden getöteten Soldaten befindet, ein Trauerakt vorbereitet wird, ist die Ursache des Absturzes noch immer unklar. Hinweise auf einen Abschuss gibt es nach ersten Erkenntnissen offenbar nicht. Nach Angaben der UN-Mission in Mali deutet vieles auf einen technischen Defekt hin.
Ein Expertenteam der Bundeswehr will in dem westafrikanischen Land die Absturz-Ursache aufklären. Dies, so ein Sprecher von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), könne noch dauern. Dennoch hat der Absturz des TigerKampfhubschraubers während eines Aufklärungsfluges nahe der nordmalischen Stadt Gao die seit langem schwelende Debatte um mögliche Defizite bei Ausbildung und vor allem Ausrüstung der Bundeswehr neu entfacht. So will der Bundeswehrverband zwar nicht zum Helikopterabsturz Stellung nehmen, verweist aber auf frühere Stellungnahmen, nach denen die Bundeswehr „nur bedingt einsatzbereit“sei. An dieser Einschätzung habe sich nichts geändert, so ein Sprecher der Soldatenvereinigung. Auch für den SPD-Verteidigungspolitiker Karl-Heinz Brunner (Illertissen) ist es zu früh, Aussagen zu möglichen Absturzursachen des Ti- ger-Helikopters in Mali zu treffen. „Doch der tödliche Vorfall zeigt ein weiteres Mal, dass wir unseren gesamten Flugapparat dahingehend überprüfen müssen, ob er den klimatischen Bedingungen in den Einsatzländern entspricht.“
Am Einsatz des Tiger-Kampfhubschraubers im von islamistischen Terroristen und marodierenden Milizen geplagten Mali, wo fast 900 Bundeswehrsoldaten an der UN-Friedensmission „Minusma“teilnehmen, hatte es im Vorfeld massive Kritik gegeben. Der vom deutsch-französischen Airbus-Kon- zern unter anderem in Donauwörth gebaute Helikopter ist nur bis zu einer Außentemperatur von 42 Grad zugelassen. Für den Einsatz in Mali wurde dieser Wert wie zuvor für Afghanistan quasi per Sondergenehmigung um fünf Grad heraufgesetzt. Doch in der westafrikanischen Wüste können die Temperaturen noch höher klettern – zum Absturzzeitpunkt am vergangenen Mittwoch sollen sie aber bei nur 36 Grad gelegen haben. Zudem soll es beim 2003 bei der Bundeswehr in Dienst gestellten Tiger enorme Wartungsprobleme geben, 2013 stürzte ein Exemplar bei einem Übungsflug nahe Oberammergau ab – die Piloten überlebten.
Karl-Heinz Brunner sieht dringenden Bedarf, „ohne Scheuklappen zu untersuchen, ob der Tiger für den Mali-Einsatz geeignet ist – und gegebenenfalls sofort über Nachbesserungen oder Ersatzbeschaffungen nachzudenken“.
Auch der CSU-Verteidigungspolitiker Reinhard Brandl (Ingolstadt) spricht von „Lücken“bei der Ausrüstung der Armee. „Die Trendwende bei der Bundeswehr ist eingeleitet, aber das bestellte Material ist noch nicht in der Truppe angekommen – das führt zu Engpässen.“Oberste Priorität müsse es sein, dass diese Lücken sich nicht auf die Sicherheit der Soldaten im Auslandseinsatz auswirkten.
Reinhard Schlepphorst, Chef der Piloten-Gemeinschaft der Bundeswehr, sagte gegenüber der Bild-Zeitung: „Unsere Tiger-Piloten haben nicht genug Erfahrung auf den vor Ort eingesetzten Maschinen, um in Grenzsituationen die Hubschrauber vollumfänglich beherrschen zu können.“Das Verteidigungsministerium wies dies umgehend zurück. In Mali seien keine unerfahrenen Hubschrauberpiloten im Einsatz. Auch in Bundeswehrkreisen heißt es, dass die in Mali eingesetzten Kräfte überwiegend sehr routinierte Piloten seien – die oft auch in der Pilotenausbildung eingesetzt würden. Doch auch das stelle ein Problem dar. Denn die Fluglehrer fehlten nun bei der Qualifizierung des Piloten-Nachwuchses in Deutschland. So stehe insgesamt zu wenig qualifiziertes Flugpersonal zur Verfügung.