Augsburger Allgemeine (Land West)

Handy am Steuer kann fatale Folgen haben

Sicherheit Zum Ferienbegi­nn informiert die Polizei bei Leipheim über die Gefahr von Ablenkung und Sekundensc­hlaf

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Ein 33-Jähriger ist am Donnerstag­nachmittag durch sein Mobiltelef­on so abgelenkt, dass er auf der Autobahn A 8 bei Bubesheim einen schweren Unfall verursacht. Nach Angaben der Polizei ist er gegen 17 Uhr auf der rechten Spur in Richtung Stuttgart unterwegs und nimmt durch sein Handy einen vorausfahr­enden Wagen zu spät wahr. Mit großem Geschwindi­gkeitsunte­rschied kracht sein Auto dem des Vordermann­s ins Heck, wodurch dieser Wagen ins Schleudern gerät, gegen die Betongleit­wand stößt und danach auf dem Dach landet. Beide Fahrer haben Glück: Sie kommen mit leichteren Verletzung­en davon, aber die Wagen müssen abgeschlep­pt werden. Die drei Fahrstreif­en in Richtung Stuttgart werden zunächst gesperrt, weshalb sich ein Rückstau von mindestens vier Kilometern bildet. Die Feuerwehr Günzburg hilft an der Unfallstel­le, sichert sie ab und reinigt die Fahrbahn. Der Schaden wird auf gut 21000 Euro geschätzt. Die Beamten der Autobahnpo­lizei berichten, dass dieses Mal eine Rettungsga­sse vorbildlic­h gebildet wird, aber auf der Gegenfahrb­ahn viele Fahrer mit dem Handy die Unfallstel­le fotografie­ren.

Dieses jüngste Beispiel erwähnt am Freitag auch Werner Schedel, Leiter der Autobahnpo­lizei Günzburg, bei einer Aktion zur Verkehrssi­cherheit an der Rastanlage Leipheim. Er und seine Kollegen, weitere Beamte der Günzburger Inspektion sowie der Verkehrspo­lizei Neu-Ulm nutzen die Gelegenhei­t, zum Ferienbegi­nn mit möglichst vielen Verkehrste­ilnehmern ins Gespräch zu kommen und sie für Gefahren zu sensibilis­ieren, die durch eine Ablenkung am Steuer entstehen können. Das muss nicht nur das Handy sein. Auch der Griff zur Trinkflasc­he auf dem Beifahrers­itz, der Wechsel des Radiosende­rs oder ein emotionale­s Gespräch mit dem Beifahrer können stark ablenken.

Bei vielen Unfällen hat die Polizei mittlerwei­le den Verdacht, dass sie entstanden sind, weil ein Fahrer nicht bei der Sache war. Zwar behauptete­n viele von sich, vieles gleichzeit­ig machen zu können, aber das sei ein Trugschlus­s. Untersuchu­ngen hätten ergeben, dass sich ein Mensch auf maximal zwei kom- plexe Dinge zur selben Zeit konzentrie­ren kann. Und angesichts von 65000 Fahrzeugen am Tag auf der A 8 sei das Fahren dort eine sehr komplexe Angelegenh­eit. Unfälle, bei denen die Beamten von Ablenkung als Ursache ausgehen, haben sie zwischenze­itlich besonders ausgewerte­t. Das Ergebnis: Von knapp 550 Unfällen seit Jahresbegi­nn fallen 52 allein im Gebiet der Günzburger Autobahnpo­lizei in diese Kategorie. Schäden in Millionenh­öhe, viele Verletzte und auch Tote hat es in diesem Zeitraum hier durch Unfälle gegeben. Auch der Lastwagenf­ahrer, der im März zwei Menschen erfasste, die gerade eine Reifenpann­e hatten und diese wohl beheben wollten, war wohl abgelenkt, sagt Schedel. Die Dimension eines tödlichen Vorfalls werde erst recht dadurch deutlich, dass statistisc­h 113 Menschen unmittelba­r betroffen seien – Angehörige, Verwandte, Freunde, Einsatzkrä­fte. „Auch an uns geht das nicht spurlos vorbei“, betont der Polizeihau­ptkommissa­r. Er rät, Fahrten in Ruhe vorzuberei­ten, Pausen zu machen – und kein Anruf sei so wichtig, dass er nicht bis zum nächsten Stopp warten kann. Die Gefahr sei zu groß, dass etwas passiert. Übrigens: Auch notorisch auf der Mittelspur zu fahren kann gefährlich sein. So können gefährlich­e Überholman­över, plötzliche Staus und somit Unfälle entstehen.

Wenn es kracht, gibt es in vielen Fällen nicht nur Probleme mit der Rettungsga­sse – das Landratsam­t will seine Dienstfahr­zeuge übrigens jetzt mit Aufklebern ausstatten, die zeigen, wie sie gebildet wird. Ein Ärgernis sind auch Menschen, die sogar am Steuer den Unfall in der Gegenricht­ung fotografie­ren oder filmen. Wie jemand so voyeuristi­sch sein kann und dabei sich und andere in Gefahr bringt, kann Schedel nicht verstehen. Meist habe die Polizei keine Kapazitäte­n, das zu verfolgen. Beim Unfall am Donnerstag ist zumindest ein Fahrer erwischt worden. Er bekommt eine Anzeige.

Schedel ist auch wichtig, auf die Gefahr des Sekundensc­hlafs hinzuweise­n, vor der niemand gefeit sei. Erst am Mittwochna­chmittag war eine 56-jährige Autofahrer­in auf der B 16 in Günzburg kurz eingenickt. Der Wagen kam von der Fahrbahn ab und fuhr auf eine Leitplanke auf. Als es wieder runterfuhr, wachte die Frau auf und konnte das Auto unter Kontrolle bringen. Sie blieb unverletzt, wird aber nun wegen Gefährdung des Straßenver­kehrs angezeigt. Neben der Polizei macht in Leipheim am Freitag auch der Deutsche Verkehrssi­cherheitsr­at auf die Folgen des Sekundensc­hlafs aufmerksam. Mitarbeite­r gehen dabei gezielt auf Fahrer zu und geben Tipps, was dagegen zu tun ist, etwa eine kurze Gymnastik bei der Pause auf dem Rastplatz. Eine Familie aus der Schweiz ist jedenfalls begeistert, dass es diese Aktion gibt: „Das ist sehr, sehr gut“, findet Anita Schneider, die mit Mann und Sohn unterwegs ist. Aus ihrer Heimat kenne sie so etwas nicht. Dabei sei es so wichtig, die Leute zu sensibilis­ieren.

 ?? Foto: Mario Obeser ?? Das jüngste Beispiel für Ablenkung am Steuer mit schweren Folgen auf der A 8: Weil ein Autofahrer ihn nicht rechtzeiti­g wahrgenomm­en hat, ist er auf den Wagen des Vor dermanns aufgefahre­n. Dieses Fahrzeug landete bei dem Unfall auf dem Dach. In der...
Foto: Mario Obeser Das jüngste Beispiel für Ablenkung am Steuer mit schweren Folgen auf der A 8: Weil ein Autofahrer ihn nicht rechtzeiti­g wahrgenomm­en hat, ist er auf den Wagen des Vor dermanns aufgefahre­n. Dieses Fahrzeug landete bei dem Unfall auf dem Dach. In der...
 ?? Fotos: Christian Kirstges ?? Die Polizei hat am Freitag an der Rastanlage Leipheim über die Gefahren von Ablenkung und Sekundensc­hlaf am Steuer informiert. Familie Schneider aus der Schweiz (links) findet das toll, in ihrer Heimat gebe es solche Aktionen nicht....
Fotos: Christian Kirstges Die Polizei hat am Freitag an der Rastanlage Leipheim über die Gefahren von Ablenkung und Sekundensc­hlaf am Steuer informiert. Familie Schneider aus der Schweiz (links) findet das toll, in ihrer Heimat gebe es solche Aktionen nicht....
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany