Augsburger Allgemeine (Land West)
Handy am Steuer kann fatale Folgen haben
Sicherheit Zum Ferienbeginn informiert die Polizei bei Leipheim über die Gefahr von Ablenkung und Sekundenschlaf
Ein 33-Jähriger ist am Donnerstagnachmittag durch sein Mobiltelefon so abgelenkt, dass er auf der Autobahn A 8 bei Bubesheim einen schweren Unfall verursacht. Nach Angaben der Polizei ist er gegen 17 Uhr auf der rechten Spur in Richtung Stuttgart unterwegs und nimmt durch sein Handy einen vorausfahrenden Wagen zu spät wahr. Mit großem Geschwindigkeitsunterschied kracht sein Auto dem des Vordermanns ins Heck, wodurch dieser Wagen ins Schleudern gerät, gegen die Betongleitwand stößt und danach auf dem Dach landet. Beide Fahrer haben Glück: Sie kommen mit leichteren Verletzungen davon, aber die Wagen müssen abgeschleppt werden. Die drei Fahrstreifen in Richtung Stuttgart werden zunächst gesperrt, weshalb sich ein Rückstau von mindestens vier Kilometern bildet. Die Feuerwehr Günzburg hilft an der Unfallstelle, sichert sie ab und reinigt die Fahrbahn. Der Schaden wird auf gut 21000 Euro geschätzt. Die Beamten der Autobahnpolizei berichten, dass dieses Mal eine Rettungsgasse vorbildlich gebildet wird, aber auf der Gegenfahrbahn viele Fahrer mit dem Handy die Unfallstelle fotografieren.
Dieses jüngste Beispiel erwähnt am Freitag auch Werner Schedel, Leiter der Autobahnpolizei Günzburg, bei einer Aktion zur Verkehrssicherheit an der Rastanlage Leipheim. Er und seine Kollegen, weitere Beamte der Günzburger Inspektion sowie der Verkehrspolizei Neu-Ulm nutzen die Gelegenheit, zum Ferienbeginn mit möglichst vielen Verkehrsteilnehmern ins Gespräch zu kommen und sie für Gefahren zu sensibilisieren, die durch eine Ablenkung am Steuer entstehen können. Das muss nicht nur das Handy sein. Auch der Griff zur Trinkflasche auf dem Beifahrersitz, der Wechsel des Radiosenders oder ein emotionales Gespräch mit dem Beifahrer können stark ablenken.
Bei vielen Unfällen hat die Polizei mittlerweile den Verdacht, dass sie entstanden sind, weil ein Fahrer nicht bei der Sache war. Zwar behaupteten viele von sich, vieles gleichzeitig machen zu können, aber das sei ein Trugschluss. Untersuchungen hätten ergeben, dass sich ein Mensch auf maximal zwei kom- plexe Dinge zur selben Zeit konzentrieren kann. Und angesichts von 65000 Fahrzeugen am Tag auf der A 8 sei das Fahren dort eine sehr komplexe Angelegenheit. Unfälle, bei denen die Beamten von Ablenkung als Ursache ausgehen, haben sie zwischenzeitlich besonders ausgewertet. Das Ergebnis: Von knapp 550 Unfällen seit Jahresbeginn fallen 52 allein im Gebiet der Günzburger Autobahnpolizei in diese Kategorie. Schäden in Millionenhöhe, viele Verletzte und auch Tote hat es in diesem Zeitraum hier durch Unfälle gegeben. Auch der Lastwagenfahrer, der im März zwei Menschen erfasste, die gerade eine Reifenpanne hatten und diese wohl beheben wollten, war wohl abgelenkt, sagt Schedel. Die Dimension eines tödlichen Vorfalls werde erst recht dadurch deutlich, dass statistisch 113 Menschen unmittelbar betroffen seien – Angehörige, Verwandte, Freunde, Einsatzkräfte. „Auch an uns geht das nicht spurlos vorbei“, betont der Polizeihauptkommissar. Er rät, Fahrten in Ruhe vorzubereiten, Pausen zu machen – und kein Anruf sei so wichtig, dass er nicht bis zum nächsten Stopp warten kann. Die Gefahr sei zu groß, dass etwas passiert. Übrigens: Auch notorisch auf der Mittelspur zu fahren kann gefährlich sein. So können gefährliche Überholmanöver, plötzliche Staus und somit Unfälle entstehen.
Wenn es kracht, gibt es in vielen Fällen nicht nur Probleme mit der Rettungsgasse – das Landratsamt will seine Dienstfahrzeuge übrigens jetzt mit Aufklebern ausstatten, die zeigen, wie sie gebildet wird. Ein Ärgernis sind auch Menschen, die sogar am Steuer den Unfall in der Gegenrichtung fotografieren oder filmen. Wie jemand so voyeuristisch sein kann und dabei sich und andere in Gefahr bringt, kann Schedel nicht verstehen. Meist habe die Polizei keine Kapazitäten, das zu verfolgen. Beim Unfall am Donnerstag ist zumindest ein Fahrer erwischt worden. Er bekommt eine Anzeige.
Schedel ist auch wichtig, auf die Gefahr des Sekundenschlafs hinzuweisen, vor der niemand gefeit sei. Erst am Mittwochnachmittag war eine 56-jährige Autofahrerin auf der B 16 in Günzburg kurz eingenickt. Der Wagen kam von der Fahrbahn ab und fuhr auf eine Leitplanke auf. Als es wieder runterfuhr, wachte die Frau auf und konnte das Auto unter Kontrolle bringen. Sie blieb unverletzt, wird aber nun wegen Gefährdung des Straßenverkehrs angezeigt. Neben der Polizei macht in Leipheim am Freitag auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat auf die Folgen des Sekundenschlafs aufmerksam. Mitarbeiter gehen dabei gezielt auf Fahrer zu und geben Tipps, was dagegen zu tun ist, etwa eine kurze Gymnastik bei der Pause auf dem Rastplatz. Eine Familie aus der Schweiz ist jedenfalls begeistert, dass es diese Aktion gibt: „Das ist sehr, sehr gut“, findet Anita Schneider, die mit Mann und Sohn unterwegs ist. Aus ihrer Heimat kenne sie so etwas nicht. Dabei sei es so wichtig, die Leute zu sensibilisieren.