Augsburger Allgemeine (Land West)
„Wo ist sie hin, die Hippiezeit?“
Die Amerikanerin Lana Del Rey hat Coolness und verträumte Traurigkeit vereint. Jetzt hat sie sich neu erfunden – und Donald Trump verhext
Dein Debütalbum vor fast fünf Jahren hieß „Born To Die“, das neue „Lust For Life“. Spiegeln die Albumtitel, wo du jeweils im Leben stehst und wie es dir geht?
Lana Del Rey: Ja. Ich habe mich gut entwickelt, was das Gesamtglücksgefühl angeht. Ich bin immer noch auf dem Weg, und Wachstum wie auch Chaos werden mich weiter durchs Leben begleiten, machen wir uns keine Illusionen. Und doch fühle ich deutlich die Veränderung. Ich habe klar mehr Spaß im Leben als vor einigen Jahren.
Geht es in deinem neuen Song „Change“um diese Veränderungen?
Del Rey: Ganz genau. „Change“ist das letzte Lied, das ich für dieses Album geschrieben habe. Die vier Worte, die ich im Refrain singe, sagen im Grunde schon alles: Ehrlich, fähig, schön und stabil. So will ich werden. Mein gesamtes Leben ist von dieser Suche geprägt, der Suche danach, irgendwo hinzugehören, Teil von etwas zu sein. Auf diesem Weg bin ich ein gutes Stück gegangen. Ich komme voran, definitiv.
Woran machst du das fest?
Del Rey: An meinem Verhalten. Und an meinem Umgang mit Menschen. Ich fühle mich um einiges entspannter, bin offener geworden. Freier. Sicherlich auch selbstbewusster. Zu Beginn war ich schrecklich ängstlich. Ich wusste oft nicht, was die Leute von mir wollen und erwarten. Ich stand heftig unter Beobachtung, ich lebte wie unter einer Glocke, in die alle reinschauen wollten.
Warum eigentlich?
Del Rey: Die Leute waren mir gegenüber misstrauischer als vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern gegenüber. „Video Games“, meine erste Single, hat total polarisiert, ohne dass ich bis heute genau weiß, warum. Und so hatte ich lange das Gefühl, zwar einen Fuß in der Tür, aber keinen sicheren Stand in dieser Musikwelt zu haben. Mittlerweile habe ich einige Alben im Säckchen und bin selbstsicherer geworden. Ich habe keine Scheu mehr, auf andere Leute zuzugehen.
So wie Stevie Nicks von Fleetwood Mac, die auf „Beautiful People Beautiful Problems“mitsingt.
Del Rey: Stevie ist eine Freundin meines Produzenten Rick Nowels, die kennen sich schon ewig. Sie war so toll, ich würde sie inzwischen als Freundin bezeichnen. Stevie macht seit fünfzig Jahren Musik, sie war in
den Siebzigern dabei, sie hat alles gesehen. Da kann man fast neidisch werden. The Eagles, Crosby, Stills, Nash & Young, dieser ganze Sound der damaligen Zeit, ich liebe ihn einfach abgöttisch. Und seitdem ich in L.A. lebe, suche ich immer nach anderen Musikern, überhaupt anderen Menschen, denen es genauso geht.
Und? Hast du viele Fans des Sixtiesund Seventies-Pop kennengelernt?
Del Rey (lächelt): Witzigerweise habe ich mir in Los Angeles inzwischen einen fantastischen Freundeskreis aufgebaut, der diese Leidenschaft teilt. Father John Misty und seine Frau Emma Tillman zählen zum Beispiel dazu. Oder auch Miles Kane und Alex Turner, die Jungs von The Last Shadow Puppets. Wir sind so eine kleine Folkgemeinde. Wir strahlen dieses Laurel-CanyonGefühl aus, das ich so sehr mag.
Auch Sean Lennon ist auf der Platte dabei, bei „Tomorrow Never Came“. Wie kam das?
Del Rey: Ich erzähle in dem Lied von meiner Idealvorstellung einer Beziehung, der Song ist einer der wenigen auf dem Album, der nicht von mir selbst handelt. John Lennon und Yoko Ono nenne ich als Beispiel. Ich stellte mir die beiden vor, wie sie innig auf einer Bank im Central Park sitzen, dieses Paar weckt romantische Vorstellungen in mir. Somit lag es sehr nah, Sean zu fragen, zumal ich seine Musik sehr schätze. Er war auch sofort am Start.
Ist dir eine vergleichbar intensive Beziehung selbst mal widerfahren?
Del Rey: Solch eine innige Liebe? Nein, leider noch nicht.
Wünscht du dir das?
Del Rey: Davon träume ich, ja. Ich will es so gern schaffen, einmal etwas festzuhalten, richtig festzuhalten. Anstatt es wieder und wieder zu vermasseln. Das ist mir leider so oft passiert, keine Ahnung, weshalb. Manchmal habe ich komische Sachen gemacht, manchmal habe ich Männer enttäuscht, oft war ich nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Heiraten und Mutter werden?
Del Rey: Mein Gott ja, das würde mir sehr gut gefallen. Äußerst gut. Ich bin auch zuversichtlich, dass das irgendwann passieren wird. Ich freue mich darauf. Und ich bin überzeugt, dass es möglich ist, Musik UND Liebe gleichberechtigt im Leben zu haben. Wahrscheinlich würden meine Songs dann noch glücklicher.
Wobei die neuen ja ziemlich glücklich sind. Wann hast du das letzte Mal alle Kleider ausgezogen und bist nackt auf dem „H“des Hollywood-Zeichens herumgetanzt, so wie in „Lust for Life“? Del Rey (lacht, wirklich lange): Vor einigen Wochen hatte ich so einen kleinen „Das-Leben-imitiert-dieKunst-Moment“, der ausgezogene Klamotten und die Nähe des Hollywood Signs beinhaltet, auch wenn das nicht gaaanz so wild war, wie ich es in dem Song beschreibe.
Hast du auch auf dem „H“getanzt? Del Rey: Nein, das ist voll hoch. Da kommst du nicht einmal mit einer Leiter rauf. Nein, aber ganz in der Nähe sind ein paar coole Cafés und außerdem der Beachwood Canyon, in dem es wunderbar ruhige, versteckte Ecken gibt. Wenn wir abends weggehen, dann machen wir manchmal echt Quatsch. Und jene besagte Nacht, also, ich werde hier nicht alles verraten, aber sie war schon recht romantisch.
Im Stück „Love“singst du, „young and in love“zu sein. Bist du? Del Rey (kichert): Ich denke, die Antwort hängt davon ab, wen du fragst. Bin ich jung? Tja. 32. Wenn ich den Song noch mal schriebe, würde ich die Zeile wohl ändern in „to feel young and to have love in your heart“, also sich jung fühlen und Liebe im Herzen haben. Obwohl: Das wäre wahrscheinlich zu lang. Also: Ich denke schon, dass ich noch jung bin. Und die meisten meiner Gedanken sind liebevolle Gedanken.
Du hast Donald Trump mit einem Hexenfluch belegt. Hat er schon gewirkt?
Del Rey (lacht): Was denkst du? Man weiß es nicht. Alles, was wir jetzt mit ihm erleben, kennen wir schon aus dem Wahlkampf. Er macht eigentlich so weiter wie immer. Deshalb fürchte ich, der Fluch hat noch nicht gewirkt. Ich würde mir so sehr eine friedliche, lockere Zeit wünschen, darüber spreche ich zum Beispiel im Song „Coachella (Woodstock On My Mind“). Wo ist sie nur hin, die goldene Hippiezeit? Stattdessen gibt es bedrohliche Szenarien rund um die Raketentests in Nordkorea, und Trump gießt nimmer nur weiter Öl in alle Feuer. Er hat einige Dinge gesagt, über die sich Frauen wirklich ängstigen sollten. Ich hoffe nur, dass nichts ernsthaft schiefgeht in den nächsten dreieinhalb Jahren. Dass niemand verletzt wird.