Augsburger Allgemeine (Land West)
Heuchelei in Hannover
Man muss es weder für normal noch für akzeptabel halten, dass ein Ministerpräsident dem wichtigsten Konzern in seinem Bundesland komplette Reden vorab zur Durchsicht zur Verfügung stellt. Mit gleichem Recht kann darüber gestritten werden, ob es zeitgemäß ist, dass das Land Niedersachsen nicht nur politisch, sondern eben auch unternehmerisch – via Aktienpaket – mit Volkswagen verwoben ist.
Dennoch sind die Rücktrittsforderungen aus der Union an die Adresse von Regierungschef Stephan Weil (SPD) heuchlerisch. Zumal sich die CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff und David McAllister ebenso eng mit VW abgesprochen haben, wie es Weil getan hat. Bezeichnend ist, dass die Änderungen in der Rede Weils seit vielen Monaten bekannt sind, ohne dass die Union oder die FDP daran Anstoß genommen haben. So billig sollte man auch im aufziehenden Wahlkampf nicht agieren.
Die Politik – ob in Berlin, Stuttgart, München oder eben Hannover – hat durch Wegschauen und Kungeleien Anteil daran, dass sich in den Vorständen der Autokonzerne eine Arroganz breitmachen konnte, die mitunter in Allmachtsfantasien gipfelte. Behörden, die sie kontrollieren sollten, deckten die Betrügereien offensichtlich. Wer das kritisierte, dem wurde vorgeworfen, Arbeitsplätze zu gefährden. Heute – einige Skandale später – ist der Ruf dieser Schlüsselindustrie weltweit angeschlagen. Und das ist wirklich gefährlich für tausende von Arbeitsplätze.