Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Sanierung der Linie 2 läuft wie geschmiert
Verkehr Augsburgs derzeit ambitioniertestes Verkehrsprojekt sind die Gleisarbeiten in der Haunstetter Straße. Wie sie vorangehen und warum es einen Anruf bei der Polizei gab
Während andere Ferien machen, ist Klaus Rhee ständig auf Achse. Oder genauer gesagt: auf Schiene. Der Leiter des Bereichs Gleisbau bei den Stadtwerken ist derzeit mit einem Mammutprojekt betraut: Gleisarbeiten in der Haunstetter Straße.
Radlader, Bagger und Betonmischer-Lastwagen: Der Fuhrpark in der Schertlinstraße macht schon auf den ersten Blick deutlich, wie ambitioniert das Projekt der Stadtwerke ist. Nach 37 Jahren im täglichen Einsatz wird die Straßenbahnlinie 2 saniert. Bis zum Ende der Sommerferien sollen die in die Jahre gekommenen Gleise der dreieinhalb Kilometer langen Strecke bis zur Schafweidstraße durch neue ersetzt werden. Außerdem werden die Betonschwellen geprüft und bei Bedarf ausgetauscht. Zudem wird der darunter liegende Schotter gereinigt und wieder eingesetzt. „Innerhalb von sechs Wochen ist das eine sehr sportliche Aufgabe“, weiß Rhee. Der 46-Jährige hat vor wenigen Jahren das komplexeste StraßenbahnBauprojekt Deutschlands mitbetreut: Er war seit 2012 verantwortlich für die Gleise am Königsplatz. „Gleisbau ist mein Ding“, schwärmt er. „Man hat die Möglichkeit, die Stadt mitzugestalten.“
Der Zeitpunkt in den großen Ferien ist natürlich nicht zufällig gewählt. Die betroffenen Anwohner, Straßenbahnkunden und Autofahrer sollen so wenig wie möglich durch die Baumaßnahmen entlang der Linie 2 beeinträchtigt werden. Da bietet sich die Urlaubszeit an. Damit ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann, arbeiten fünf Baufirmen mitsamt ihren Subunternehmen gleichzeitig. Teils auch an Feiertagen und am Wochenende. Das Prozedere beginnt mit dem Ausbau der Altgleise. Dann folgt der Aushub des Schotters.
Als Nächstes werden die Schienenstränge mitsamt vormontierten Schwellen aufgesetzt. Dann verbinden die Schweißer die Schienenstücke nach je 15 Metern, indem in die Zwischenräume flüssiger Stahl gegossen wird. Nun wird das Gleis bis zur Oberkante aufgeschottert. Ab dem 27. August kommt dann eine Gleisstopf-Maschine zum Einsatz. Das imposante Gefährt sieht aus wie eine überlange Lokomotive und richtet die Gleise dank Digitaltechnik nach exakt vorgegebenen Koordinaten ein. Danach kehrt ein Schotterpflug nebst Schotterbesen das Gleis aus. Zum Abschluss folgen letzte händische Planierarbeiten, damit die Oberfläche ansehnlicher aussieht.
In der Alten Ziegelei in Inningen werden die abmontierten Gleise mitsamt Schwellen zwischengelagert. Während die Gleise ausgetauscht werden, reicht beim Schotter eine Reinigung. Nötig ist das, weil die Gesteinskörnungen im Laufe der Jahre immer mehr mit organischem Material durchmischt wurden. Wenn Frost das Gleis anhebt, fallen die Steine danach anders, als sie ursprünglich lagen. Diese Lagefehler führen dazu, dass die Straßenbahn während der Fahrt schaukelt und nicht so schnell fahren kann wie zuvor. Um das sogenannte „Fehlkorn“zu beheben, müssen die Feinanteile ausgesiebt werden – und alles andere, was nicht dorthin gehört. In 37 Jahren hat sich da einiges angesammelt: Unterkorn, Humus, Sand, Staub, Wurzeln, große Steinbroder cken, Grasbüschel oder gar Installationsrohre. Eine Trommelsiebeanlage reinigt den Schotter, der danach wieder eingesetzt wird.
„Die ersten Gleise werden schon wieder reingelegt, das geht sehr schnell“, sagt Klaus Rhee zufrieden. Die betroffenen Fahrgäste werden das zu schätzen wissen, denn ganz ohne Auswirkungen auf deren Alltag kann so eine Maßnahme an einer Hauptverkehrsader der Stadt natürlich nicht bleiben. Von der Geräuschemission über die Ersatzbusse bis zu Tempo-40-Passagen für Autofahrer.
Anja Keller aus Inningen wunderte sich über die Geräusche aus der Alten Ziegelei. Ein Anruf bei der Polizei brachte Klarheit. „Seit wir wissen, dass es für einen guten Zweck ist, gehen wir lockerer mit der Geräuschkulisse um“, erklärt die 42-Jährige. In dieser Hinsicht funktionieren Großbaustellen nicht anders als eine Party im Hochhaus: Wer den Nachbarn im Vorfeld mitteilt, dass es ausnahmsweise etwas lauter wird, darf auf mehr Verständnis hoffen. Deshalb haben die Stadtwerke die Anwohner vor Beginn der Maßnahmen informiert. „Wir hatten noch keine einzige Beschwerde“, freut sich auch Rhee. Und das, obwohl private Einfahrten teils einen halben Tag lang nicht zugänglich sind. Der Ingenieur hält es mit der schwäbischen Volksweisheit: „Ned gschimpft, isch globt gnua“. Geschont werden sollen nicht nur die Anwohner, sondern auch die Natur. Rhee ist stolz darauf, dass es dank ökologischer Baubegleitung trotz der engen Bepflanzung gelungen ist, alle Bäume zu erhalten. I Weitere Bilder zu den Bauarbeiten unter
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