Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Air-Berlin-Rettung wirkt wie von langer Hand vorbereitet
Leitartikel Im Bundestagswahlkampf lassen die Scheichs die Airline fallen. Dann verspricht der Bund einen Kredit und Lufthansa steht als Käufer bereit. Das hat ein Geschmäckle
Angela Merkel kann froh sein, dass Karl-Theodor zu Guttenberg nach eigenem Bekunden für die deutsche Politik nur noch „ein kurzzeitig auftretender Ackergaul“ist. Denn mit diesem CSU-Mann im Kabinett wäre es ihr sicher nicht so leicht gelungen, satte 150 Millionen Übergangskredit für die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin lockerzumachen.
Der später an sich gescheiterte Guttenberg bot 2009 als Bundeswirtschaftsminister der Kanzlerin in einem anderen spektakulären Wirtschaftskrimi die Stirn. Damals ging es um die Frage, ob Opel mit Staatsgeld stabilisiert werden soll, ehe der kanadisch-österreichische Magna-Konzern und die russische Sberbank den Autobauer kaufen.
Guttenberg setzte sich erfolgreich als marktwirtschaftliches Gewissen der Union in Szene und äußerte Bedenken gegen staatliche Hilfen. Ja, er soll mit Rücktritt gedroht haben. Als kantiger Typ wusste sich der Bayer im Wahlkampf mit seiner Opel-Sturheit auf Kosten Merkels zu profilieren.
All das ist wichtig, um zu verstehen, wie die Kanzlerin acht Jahre später im Fall „Air Berlin“vorgeht. Sie hat ihre Guttenberg-Lektion gelernt und setzt alles daran, dieses Mal den Wahlkampf ohne Insolvenz-Störfeuer zu überstehen. Die Kanzlerin versucht, das heikle Thema auf ihre pragmatisch-konsensuale Methode zu lösen, nachdem die Scheichs aus Abu Dhabi Air Berlin mitten im Bundestagswahlkampf fallen gelassen haben.
Die Rettungs-Inszenierung wirkt dabei wie von langer Hand vorbereitet, schließlich ist seit Monaten mit einer Air-Berlin-Pleite zu rechnen. Da passt auffällig kein Blatt Papier zwischen Merkel und ihren sozialdemokratischen Genossen. Querschüsse aus der CSU bleiben aus. Ruhe scheint in diesem Jahr die oberste Wahlkampftugend der Union zu sein. Ohnehin steht die Einhaltung marktwirtschaftlicher Prinzipien bei den meisten Wählern nicht auf dem Wunschzettel. So versuchen Merkel und SPD-Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries das Thema „Air Berlin“rasch zu entschärfen.
In dem Plan steht die Lufthansa bereits als Interessent gerade für die Langstrecken des abgestürzten deutschen Konkurrenten bereit. Um sich die europäischen Kartellwächter gewogen zu stimmen, soll wohl auch die britische Billig-Fluggesellschaft Easyjet an der AirBerlin-Hinterlassenschaft beteiligt werden. Aus Sicht der Beschäftigten des insolventen Luftfahrt-Unternehmens klingt der MerkelPlan vernünftig. Doch ihm haftet ein Geschmäckle an. Denn das Arrangement der Kanzlerin begünstigt die Lufthansa und vor allem deren Billigtochter Eurowings. Um das etwas zu kaschieren, dient Easyjet als marktwirtschaftliches Feigenblatt. So verwundert es nicht, dass sich mit Ryanair der Hauptleidtragende der deutschen Air-BerlinLösung zur Wehr setzt. Denn es ist mehr als offensichtlich: Die Verantwortlichen in Berlin lassen die erfolgreichen und lästigen Preisbrecher aus Irland außen vor. So soll verhindert werden, dass die bei Kunden beliebte Airline hierzulande ihren Einfluss ausbaut. Air Berlin ist bekanntlich stark in Düsseldorf und Berlin vertreten, Flughäfen, die für Ryanair interessant sind. Airline-Chef Michael O’Leary durchkreuzt also die Merkel-Strategie und trägt mit plausiblen Argumenten kartellrechtliche Bedenken vor. Doch das kann der CDUChefin egal sein, solange die europäischen Wettbewerbshüter vor der Bundestagswahl am 24. September keine Auflagen für die Air-BerlinRettung à la Kanzlerin machen.
Mit O’Leary kommt Merkel bis dahin sicher gut klar. Der DauerProvokateur wirkt oft nur wie ein Clown, soll er doch schon beim Konkurrenten Easyjet mit einem Panzer vorgefahren sein.