Augsburger Allgemeine (Land West)
DFB lockt Ultras mit Zugeständnissen
Horrend hohe Ablösesummen. Investoren aus China. Halbzeitshows mit Anastacia oder Helene Fischer. Spieltage, die sich über mehrere Tage zu unterschiedlichen Anstoßzeiten ziehen. Dass der Deutsche Fußball-Bund, die Deutsche Fußball Liga und die Vereine als deren Mitglieder in der Kritik stehen, ist nachvollziehbar. Die Debatten darüber, in welche Richtung sich der Fußball in Deutschland entwickelt, müssen geführt werden. Nichts spricht gegen Protestaktionen, Meinungsfreiheit ist ein zu schützendes Gut. Verbände und Verantwortliche müssen allerdings einschreiten, wenn Grenzen überschritten werden. Wenn vermummte Gewalttäter randalieren und Raketen in Menschenmengen feuern.
Falsch wäre es, pauschal die Ultra-Szene für die neuerliche Eskalation in den Stadien verantwortlich zu machen. Denn die Szene existiert nicht. Hoch explosiv ist vielmehr die Gemengelage innerhalb des harten Fan-Kerns. Einige tendieren politisch nach rechts, andere nach links; einige sind gewaltbereit, andere wollen vor allem, dass Pyrotechnik legalisiert wird; einige sind gemäßigt und gesprächsbereit, andere sind kriminell und werfen Steine auf Leipziger Anhänger.
Seit Wochen mobilisieren sich Ultra-Gruppierungen in ganz Deutschland, die dem DFB den „Krieg“angesagt haben. Politiker und Verbände mühen sich um Deeskalation. Statt auf die Fan-Gewalt mit weiteren Sicherheitsmaßnahmen und härteren Strafen zu reagieren – in der Vergangenheit verschärfte sich dadurch der Konflikt –, wollen sie mit den Ultras in Dialog treten und allgemein über Probleme des Fußballs diskutieren.
Als Lockmittel dienen Zugeständnisse. DFB-Präsident Reinhard Grindel will die Kollektivstrafe abschaffen, die sich unter anderem in Geisterspielen ausdrückte. Zudem erklärte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, er könne sich vorstellen, in bestimmten Bereichen Pyrotechnik zu erlauben.
Stellt sich die Frage, wie Ultras und ihre Splittergruppen reagieren? Grenzen sie sich klar von Gewalttätern ab? Akzeptieren sie Bedingungen? Welche Teile sind überhaupt an einer Befriedung interessiert? Bisher waren Rauchbomben und Feuerwerkskörper nicht nur Teil gelebter Fan-Kultur, sie waren ebenso Ausdruck des Widerstands gegen die Obrigkeit. Ultras hielten sich lediglich an eigene Gesetze, erhoben sich über andere Stadionbesucher und widersetzten sich Verordnungen.
Nun also soll der mächtig gewordene Fan-Kern nach den Regeln der Verbände Fackeln zum Leuchten bringen? Das wirkt naiv. Schon vor acht Jahren stand eine Legalisierung der Pyrotechnik im Raum. Folge: Die Verhandlungen scheiterten und der Konflikt eskalierte.