Augsburger Allgemeine (Land West)
Die „Liebe“lässt einfach nicht nach
Landwirtschaft Bayerns älteste Milchkuh lebt in Attenhausen. Mit bald 22 Jahren liefert sie weiter Milch und Nachwuchs. Ein Fest wird gefeiert
Wenn „Liebe“will, kann sie die nächsten Wochen ausschließlich im Freien verbringen. Landwirt Edgar Merkle hat seiner gleichnamigen Milchkuh am südlichen Ortsrand Attenhausens nämlich ein exklusives, eingezäuntes Plätzchen auf einer Wiese geschaffen. Gewissermaßen für ihre Mutterschutzzeit, denn Liebe erwartet im September zum mittlerweile 20. Mal Nachwuchs – und das im fortgeschrittenen Alter.
22 wurd sie vor zwei Wochen. Unter Milchkühen ist sie damit ein Methusalem. Die älteste Milchkuh in ganz Bayern. Aber: Nach wie vor ausgesprochen produktiv, sowohl in puncto Milch als auch in puncto Nachwuchs. „Die Kuh hat uns schon so viel Freude gemacht“, sagt Edgar Merkle. „Wir sind einfach froh, dass sie noch da ist.“Wer den Attenhauser Landwirt über seine Kuh reden hört und seine Augen leuchten sieht, merkt schnell, dass das der Wahrheit entspricht. Die betagte Milchkuh hat längst einen besonderen Platz in Merkles Herzen inne.
Aber sie ist auch mit bald 22 nicht einfach nur da, sie liefert. Und liefert. Und liefert. 23 Kälber hat sie in ihrem Leben schon zur Welt gebracht und – was noch eindrucksvoller ist – mehr als 143000 Liter Milch abgegeben.
Besonders bemerkenswert: Liebe ist noch produktiver, seit sie nicht mehr von Hand gemolken wird. Seit etwas mehr als vier Jahren lässt sie sich von einem Melkroboter anzapfen. Wann sie will und so oft sie will, bis zu fünfmal am Tag. Seitdem ist ihre Milchmenge noch einmal deutlich angestiegen: Waren es bis dahin im Schnitt 7300 Liter pro Jahr, sind es seitdem 9200 Liter. „Wenn sie aus dem Melkroboter rauskommt, schaut sie einen an, als würde sie sagen: ,Warum ist der nicht schon früher gekommen?‘ “, sagt Edgar Merkle.
Unter Leistungsdruck setzt er seine Topkuh nicht, vielmehr hat er beobachtet, dass ihre Milchproduktion ein Spiegel der Entwicklungen und Geschehnisse auf seinem Hof ist. Als Beispiel nennt Merkle das Jahr 2010. Das Jahr, in dem er seine Biogasanlage im Süden des Ortes baute. Ein Jahr, das für seine Familie ein sehr anstrengendes war. Ein Jahr, in dem er weniger Zeit als sonst für seine Kühe hatte. Und ein Jahr, in dem Liebe deutlich weniger Milch gab als sonst: 5200 Liter seien es da „nur“gewesen, sagt Merkle.
Das Durchschnittsalter in seinem Rinderbestand mit rund 150 Milchkühen beträgt etwa sieben Jahre – Liebe ist mehr als dreimal so alt. „Gute Gene“hätte sie eben, meint Merkle, der ihr natürlich auch einen Platz am Hof verspricht, wenn sie ihre Produktion eines Tages einstellen sollte. Doch dafür gibt es noch keinerlei Anzeichen.
Liebe liefert aber nicht nur fleißig Milch und Nachkommen, sie ist darüber hinaus auch eine Energieproduzentin: Ihre Gülle wandert in die Merklesche Biogasanlage, die derzeit 66 Haushalte im Krumbacher Ortsteil mit Wärme versorgt. Nahe der Biogasanlage am südlichen Rand Attenhausens hat die außergewöhnliche Milchkuh seit einigen Tagen auch ihr exklusives Plätzchen. Am kommenden Sonntag, 30. Juli, wird es aber für einige Stunden mit der Beschaulichkeit vorbei sein: Anlässlich ihres 22. Geburtstages hat die Landwirtsfamilie Merkle recht kurzfristig ein Fest organisiert.
Einen „Tag der Milch“, bei dem rund zehn Aussteller von 10 bis 16 Uhr zum Themenspektrum Milch und Landwirtschaft informieren, unter anderem Ochs vom Spieß auf den Tisch kommt, die Blechbagasch spielt und auch für Kinder wird einiges geboten sein. Auf Liebe können die Besucher dann aus gewisser Distanz ebenfalls einen Blick werfen. Auch der Bayerische Rundfunk hat sich angekündigt und überregionale Zeitungen wollten schon im Vorfeld über die älteste Milchkuh Bayerns berichten.
Ihren Namen erhielt sie übrigens vor knapp 20 Jahren von einer der beiden Töchter der Merkles. Damals, als sie noch nicht lange auf dem Hof in Attenhausen lebte und zum ersten Mal kalbte.
Liebe – ein Name, der kaum besser gewählt sein könnte in Anbetracht der besonderen Verbindung zwischen der Attenhauser Landwirtsfamilie und ihrer außergewöhnlichen Milchkuh.
Durchschnittsalter beträgt etwa sieben Jahre