Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Flucht endet im Weinberg
Spanien Vier Tage nach dem Anschlag von Barcelona erschießt die Polizei den hauptverdächtigen Marokkaner. Der Imam, der auch ihn radikalisierte, lebte unauffällig in der Kleinstadt Ripoll
Madrid
Als er am Montagnachmittag entdeckt wurde, trug Younes Abouyaaquoub noch das gleiche blau-weiß gestreifte Polohemd, das er auch am Tag des Attentats vor vier Tagen in Barcelona am Körper hatte. Eine Dorfbewohnerin hatte den schlanken, 1,80 Meter großen jungen Mann in der Nähe des nordspanischen Ortes Subirats erkannt, als er sich den Häusern ihres Dorfes nähern wollte. Die Frau alarmierte per Handy die Polizei, die schon seit Tagen die ganze Umgebung Barcelonas durchkämmte und mit schwerbewaffneten Kräften in der Nähe war. Als die Beamten am Ort eintrafen, fanden sie den meistgesuchten Terroristen Europas in der Nähe einer Tankstelle am Rande der Landstraße C-243 b. Er war in einen Weinberg geflüchtet. Der 22-jährige Extremist trug einen Sprenggürtel am Körper. Er schrie beim Auftauchen der Beamten „Allah ist groß“und drohte, sich in die Luft zu sprengen. Daraufhin eröffneten die Polizisten das Feuer und erschossen den Terroristen.
Mit der Aufspürung Abouyaaquoubs gilt die Terrorzelle als zerschlagen: Fünf Terroristen waren in Cambrils erschossen worden. Zwei Terroristen, darunter der Hassprediger und Anführer, starben bei der Explosion der Bombenwerkstatt in Alcanar. Vier weitere Terroristen wurden in Ripoll und Alcanar fest- Vier Tage nach dem Terrorschock von Barcelona ging mit Younes Abouyaaquoub der zwölfte Mann ins Netz. In der Bombenwerkstatt in Alcanar hatte die Polizei mehr als 120 Butangasflaschen und Spuren des hochexplosiven Gemischs Triacetontriperoxid (TATP) gefunden, das wegen seiner verheerenden Wirkung in der Terrorszene auch „Mutter des Satans“genannt wird.
Unterdessen kommen immer mehr Einzelheiten des furchtbaren Anschlags zutage. Wie die Zeitungen El País und La Vanguardia am Montag unter Berufung auf die Sicherheitsbehörden meldeten, soll Abouyaaquoub nach seiner Terrorfahrt eine Sonnenbrille aufgesetzt haben und zu Fuß durch die bei Touristen beliebten Markthallen des Mercat de la Boqueria entkommen sein.
Auf der weiteren Flucht habe Abouyaaquoub später auf dem Unigelände in Barcelona in der Nähe des Fußballstadions auch einen 34-jährigen Spanier erstochen, um an den Wagen des Mannes zu gelangen, so die Behörden. Mit dem Fahrzeug wurde eine Polizeisperre überfahren. Das Auto mit der Leiche des Besitzers auf dem Rücksitz wurde später im Vorort Sant Just Desvern gefunden. Abouyaaquoub sei allein auf der Flucht gewesen, sagte der katalanische Polizeichef Josep Lluís Trapero. Man habe „überhaupt keine Zweifel“, dass er der Hauptattentäter sei. Seine Mutter hatte am Wochenende erst an ihn appelliert, sich zu stellen. „Mir ist es lieber, er kommt ins Gefängnis, als dass er stirbt“, sagte sie.
Mittlerweile sind alle 15 Todesopfer der Anschläge identifiziert. Darunter sind keine Deutschen. Mehr als 120 Menschen, darunter nach Angaben des Auswärtigen Amtes 13 Deutsche, wurden verletzt. Rund 50 Verletzte wurden am Montag noch in Krankenhäusern behandelt. Neun von ihnen schwebten nach Angaben der Rettungsdienste noch in Lebensgefahr.
Unterdessen verdichtet sich immer mehr der Verdacht, dass der bei einer Explosion getötete Imam Abgenommen. delbaki Es Satty der Kopf der Bande gewesen ist. Er lebte in der kleinen katalanischen Stadt Ripoll am Fuße der Pyrenäen unauffällig, eher einzelgängerisch. Von den Menschen in Ripoll wird er als „normal“und „zurückhaltend“beschrieben. Idyllisch wirkt das katalanische Städtchen rund 90 Kilometer nördlich von Barcelona. Von Es Sattys Wohnung aus sind rote Ziegeldächer zu sehen, die Bäume an den Hängen der Pyrenäen. Mohamed Akhayad, ein 26-jähriger marokkanischer Elektrotechniker, war Besucher des Gebetssaals, in dem Es Satty predigte. Er beschreibt ihn als „ganz normal in der Öffentlichkeit“. „Falls er die Jugendlichen vollgequatscht hat, muss er es heimlich gemacht haben, an einem geheimen Ort“, meint Akhayad. Die günstige Zwei-ZimmerWohnung hatte sich der Imam seit vier Monaten mit dem 45-jährigen Nordeen El Haji geteilt. Dem Mitbewohner zufolge war der Imam recht verschlossen: „Er hat wenig gesprochen, war oft mit seinem Computer in seinem Zimmer und hatte ein altes Mobiltelefon ohne Internet, nur sehr wenige Bücher.“
Am Dienstagmorgen der vergangenen Woche sagte Es Satty laut seinem Mitbewohner, er fahre in sein Heimatland Marokko in Urlaub. Seitdem sei der Imam verschwunden gewesen. Statt nach Marokko zu fahren, starb El Satty aber am Mittwoch dann bei den Anschlagsvorbereitungen.