Augsburger Allgemeine (Land West)
Nele geht jetzt wieder in die Schule
Leukämie Wie Freundinnen und Lehrer der 13-Jährigen nach ihrer schweren Erkrankung zurück in den Alltag helfen
Meitingen/Langweid Stettenhofen
Seit einigen Wochen stehen Deutsch, Mathe und Englisch wieder auf dem Stundenplan von Nele – die 13-Jährige geht wieder zur Schule. Es sind zwar nur einige Stunden, die das Mädchen jeden Tag büffelt. Aber genau diese Zeit bringt sie wieder zurück in ein Leben, das Nele und ihre Eltern viele Monate nicht hatten. Zweimal wurde in der Vergangenheit bei ihr Leukämie festgestellt – ein Schock für die Familie.
Die erste Diagnose erhielt Nele im Januar 2014. Damals war sie neun Jahre alt. Stiefvater Andreas Unger erinnert sich: „Nele war immer ein sehr quirliges Kind. Sie hat sich oft mit Freundinnen getroffen und gespielt, getanzt, getobt.“Zum Jahresende 2013 veränderte sich das Mädchen. Es wurde deutlich ruhiger. „Der Krebs ist eine schleichende Krankheit. Über Wochen hinweg haben wir gemerkt, dass es Nele schlechter geht und sie immer schwächer wird. Es gab nicht den einen Moment, an dem die Krankheit ausgebrochen ist“, berichtete Unger. Der Hausarzt konnte nicht weiterhelfen.
Obwohl Nele keine gravierenden Symptome hatte, entscheiden sich ihre Eltern Anfang Januar schließlich, sie in die Notaufnahme zu bringen. Die Diagnose im Krankenhaus ließ die Eltern den Boden unter den Füßen verlieren: Leukämie – Blutkrebs. Umgehend begannen die Ärzte mit einer Chemotherapie. Zwölf Monate verbrachte Nele im Klinikum, bevor sie wieder nach Hause durfte. Im April 2016 die nächste Hiobsbotschaft: Der Krebs ist wieder zurück. Doch eine Chemotherapie sollte dieses Mal nicht ausreichen.
Nur eine Stammzellenspende konnte Neles Leben noch retten. Weltweit wurde aber kein passender Spender gefunden. Als im Juli 2016 in Gersthofen eine Typisierungsaktion stattfand, ließen sich knapp 3000 Menschen für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) registrieren. Zur Finanzierung wurde ein Spendenkonto eingerichtet, auf das Firmen und Privatpersonen einzahlten. Auch Neles Mitschüler halfen mit: Ein Spendenlauf wurde organisiert. Die Einnahmen wurden genauso wie der Erlös des Sommerfests an die DKMS überwiesen.
Die Hilfe für Nele war riesig: Insgesamt rund 160 000 Euro wurden von vielen Seiten gespendet – ein Betrag, mit dem nicht nur die Gersthofer Aktion, sondern auch andere Typisierungsveranstaltungen finanziert werden können. Zwei Wochen danach kam die erlösende Nachricht für alle Beteiligten: Es gibt einen Spender! Ein Riesenglück: Laut DKMS liegt die Wahrscheinlichkeit, einen geeigneten Stammzellspender zu finden, zwischen 1:20 000 und eins zu mehreren Millionen.
Im Oktober dann eine weitere gute Nachricht: Neles Körper hatte die Stammzellen angenommen. Langsam erholte sich ihr Immunsystem. Im Februar durfte Nele wieder nach Hause. Endlich wieder in den eigenen vier Wänden sein. Endlich wieder Kässpatzen essen. Und endlich ausgiebig das kleine Brüderchen drücken. Nele kämpfte sich Schritt für Schritt zurück in die Normalität.
Über die Osterfeiertage musste sie ins Augsburger Klinikum. Ihr Stiefvater Andreas Unger erklärte: „Die vergangenen drei Jahren stecken ihr einfach in den Knochen.“Doch das junge Mädchen ließ sich nicht entmutigen. Auch als klar wurde, dass sie nicht wie erhofft zwischen Ostern und Pfingsten wieder in die Schule kann.
Es sollten noch weitere Monate vergehen, bis Nele nach den großen Ferien zum ersten Mal wieder die großen Glastüren der Meitinger Realschule aufziehen konnte: Freilich halfen ihr die Freundinnen dabei. Sie sind auch zur Stelle, wenn beim Klassenzimmerwechsel der Schulranzen zu schwer wird. Vom Erdgeschoss in den dritten Stock: Kein Problem, die Mädels packen an. Stiefvater Andreas Unger ist glücklich: „Die Schule ist extrem flexibel“, die Lehrer setzen sich für Nele ein. Sie nehmen sich Zeit für die 13-Jährige und geben ihr nach Möglichkeit Nachhilfe. Nele wird mit jedem neuen Tag selbstständiger. Mit ihren Freundinnen geht sie ab und an sogar ins Kino oder zum Shoppen in die Stadt. Die Eltern freuen sich: „Im April war an so etwas noch nicht zu denken. Jetzt sind ihre Werte wieder tipptopp.“Damals ging es darum, langsam wieder auf die Beine zu kommen. Erst kurze Spaziergänge, dann längere Ausflüge: Nele bewies Willenstärke. Jetzt auch. Sie sagt sich: „Ich packe es, ich will es schaffen.“