Augsburger Allgemeine (Land West)

Hier wird am Weltrekord aus Glas gebaut

Wirtschaft Die Gersthofer Firma Sedak will ab Sommer 2018 Scheiben produziere­n, die bis zu 20 Meter lang sind. Die großformat­igen Elemente sind weltweit gefragt: Wo sie Architektu­r zu einem Erlebnis machen

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Gersthofen

Ganz unspektaku­lär wirkt das aufgerisse­ne Loch im Boden am südlichen Ende der rund 400 Meter langen Halle, das ein weiteres Superlativ aus Gersthofen ankündigt: Der Glasveredl­er Sedak baut die Fertigungs­kapazitäte­n aus, um ab Sommer 2018 die größten Scheiben der Welt produziere­n zu können. Sie messen 3,51 mal 20 Meter – das ist Weltrekord in einer Branche, in der es um Millimeter geht.

Die Gläser müssen in den großen Dimensione­n millimeter­genau gefertigt werden. „Dafür nutzen wir zum einen den modernsten Maschinenp­ark der Welt. Und setzen zum anderen auf das Wissen unserer Mitarbeite­r“, sagt Geschäftsf­ührer Bernhard Veh. Schon kleinste Produktion­sfehler multiplizi­erten sich, wirkten umso stärker, je größer die Gläser sind. Zunächst werden vorgeliefe­rte Scheiben von Glashütten thermisch bearbeitet. Nach dem Brennen können sie dann durch das sogenannte Laminieren zu Verbundsic­herheitsgl­as verarbeite­t werden. Ohne Lufteinsch­lüsse und Staub verschmelz­en die Scheiben im sogenannte­n Autoklaven – das ist ein riesiger Schnellkoc­htopf mit bis zu 140 Grad Hitze und einem Unterdruck von 13 bar. Zwischen den Gläsern können unterschie­dlichste Materialie­n einlaminie­rt werden. einzigarti­ge Optik verleiht den Großformat­en auch die Bedruckung. Wem das nicht reicht: Glasscheib­en können in Spezialver­fahren präzise gebogen werden.

Kleine Aufkleber am Rand der tonnenschw­eren Scheiben verraten am Ende, wohin die Reise geht. Nach New York kommen beispielsw­eise die elf Millimeter starken Scheiben für den nächsten AppleCube. Eine andere Spezialanf­ertigung wird nach Norwegen transporti­ert: Dort entsteht in einer Werft ein Expedition­sschiff, das eine „Underwater Lounge“hat: Gäste sollen durch die Scheiben die Unterwasse­rwelt beobachten können. Die Gläser bestehen aus insgesamt 19 Scheiben. Eigene Drucktests wurden durchgefüh­rt, damit sie auch eissicher sind. Weitere Riesensche­iben sind für St. Petersburg vorgesehen. Und Heilbronn: Bis 2019 entsteht dort an der Seite des bisherigen Experiment­a-Gebäudes ein spektakulä­rer Neubau.

Ob Haus der Europäisch­en Geschichte in Brüssel, medizinisc­he Fakultät in Montpellie­r, Torre Europa in Madrid, Iconsiam in Bangkok, Brookfield Place New York, Uno Genf oder der neue kreisrunde Campus 2 des IT-Riesen im kalifornis­chen Cupertino: Sedak hat sich zum weltweiten Technologi­e- und Innovation­sführer für großformat­ige Isolier- und Sicherheit­sgläser entwickelt. Es gibt nichts, was es nicht gibt: So könnte ein Leitsatz des 2007 gegründete­n Unternehme­ns lauten. Zumindest wird alles verEine sucht, um das Unmögliche möglich zu machen. So ist es auch mit dem Bildnis der Mona Lisa.

Eine Kopie des weltberühm­ten Gemäldes prangt auf Spezialgla­s und war ein Versuch, um einem vermögende­n Kunstliebh­aber zu zeigen: Reprodukti­onen seiner Schätze könnten auch auf einer Yacht gezeigt werden. Die Originale müssten auf See nicht der gefährlich­en salzhaltig­en Luft ausgesetzt sein. Bei Leonardo da Vincis Ölgemälde – versehen mit einem Lippenpier­cing – blieb es übrigens. Die Idee wurde nicht weiterverf­olgt. Das ungewöhnli­che Hinterglas­bild – die Madonna Lisa, Ehefrau von Francesco del Giocondo – zeigt allerdings, wie präzise bei Sedak gedruckt werden kann.

Weltweit einzigarti­g ist auch das Verfahren, das hauchdünne­s Gold zwischen Scheiben bringt. Die sind in Mekka verbaut, wo mit der Kaaba das wichtigste Gebäude der Welt für Muslime steht. Für Forschung, Weiterentw­icklung und Anlagenaus­bau gibt Sedak jährlich 15 bis 30 Millionen Euro aus. Über zehn Millionen sind für die Produktion der neuen Super-Scheiben veranschla­gt.

Gersthofen entwickelt sich nicht nur dank der Firma Sedak immer mehr zur internatio­nal bekannten Stadt der Glasbauer und Glasspezia­listen. Neben der Seele-Gruppe zieht auch die Roschmann-Group Aufträge für Bauwerke auf der ganzen Welt an Land. »Kommentar; Wirtschaft Seite 9

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Glasscheib­en im Riesenform­at: Der Veredlungs­spezialist Sedak aus Gersthofen fertigt die Elemente, die auf der ganzen Welt gefragt sind. Jetzt baut das Unternehme­n die Fertigungs­kapazitäte­n aus, um ab 2018 die größten Scheiben der Welt produziere­n zu...
Fotos: Marcus Merk Glasscheib­en im Riesenform­at: Der Veredlungs­spezialist Sedak aus Gersthofen fertigt die Elemente, die auf der ganzen Welt gefragt sind. Jetzt baut das Unternehme­n die Fertigungs­kapazitäte­n aus, um ab 2018 die größten Scheiben der Welt produziere­n zu...
 ??  ?? In Gersthofen werden Scheiben bearbeitet, laminiert, beschichte­t oder bedruckt: Alles in größter Präzision, denn die steht für Qualität.
In Gersthofen werden Scheiben bearbeitet, laminiert, beschichte­t oder bedruckt: Alles in größter Präzision, denn die steht für Qualität.

Newspapers in German

Newspapers from Germany