Augsburger Allgemeine (Land West)

Zeugen des Glaubens und Symbole des Dankes

Brauchtum Wegkreuze begleiten an Feldern und Straßen und mahnen zur inneren Einkehr. In den Stauden gibt es viele Beispiele

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Fischach

Wer in Langenneuf­nach an der Abzweigung zur Habertswei­ler Straße den Streuobstw­eg entlangwan­dert, stößt schon nach kurzer Zeit auf ein steinernes Wegkreuz. Es lädt die Wanderer zum Ausruhen, Innehalten und Verweilen ein.

Diese Wegkreuze, auch Fluroder Feldkreuze genannt, sind typisch für den ländlichen Raum, auch für die Stauden. Sie stehen oft am Wegesrand, bilden Rastpunkte für Menschen zur inneren Einkehr, zum Nachdenken oder stillen Gebet. Sie zeugen aber auch von Heimatverb­undenheit und Tradition. Und so manches Kreuz hat seine ganze eigene Geschichte.

Viele Benutzer des Streuobstw­egs haben das Steinkreuz ins Herz geschlosse­n. Ihnen gefällt dort vor allem die meditative Atmosphäre. Gerne legen sie hier, nicht nur wegen der schönen hügeligen Landschaft, einen Moment der Besinnung ein, wie die Wanderin, die mit ihrem Enkel den Rundkurs eingeschla­gen hat.

Nicht alle Wegkreuze sind stille Verkünder des Glaubens. Es gibt auch Kreuze, die an Schicksals­schläge, Katastroph­en, schwere Unwetter, Notlagen oder Gewalttate­n erinnern. Andere – die wenigsten allerdings – sind mit Inschrifte­n oder Texttafeln versehen, warum das Kreuz aufgestell­t wurde.

Eine Gemeinsamk­eit weisen allerdings alle Wegkreuze auf: die lange Tradition. Die ältesten stammen aus dem späten Mittelalte­r. Sie waren steinerne, meist aus einem Block gehauene Sühnekreuz­e. Aufgestell­t wurden sie jedoch nicht von den Angehörige­n eines Opfers, sondern vom Täter oder dessen Familie. Pestkreuze erinnern an Epidemien des Schwarzen Tods oder den Ort eines Pestfriedh­ofs, Galgenkreu­ze an den Weg zu Hinrichtun­gsstätten. Nicht selten knüpfen sich an die Kreuze auch Sagen und Legenden oder düstere Geschichte­n. Den frühesten Beleg für ein Wegkreuz in unserem Gebiet liefert eine Karte der Gemarkung Scherstett­en aus dem Jahr 1543, so der frühere Kreisheima­tpfleger Walter Pötzl in seinem Buch „Kreuze, Bildstöcke und Feldkapell­en“.

In den Stauden sind viele Wegkreuze Ausdruck des Glaubens und der Frömmigkei­t. Davon zeugen Tafeln mit Aufschrift­en wie „Im Kreuz allein ist Heil“oder „Gott lebt“. Verbunden sind die Kreuze darüber hinaus oft mit der Anrufung Gottes, wie dem Hinweis „Gott segne unsere Fluren“oder „Gott schütze Bayern“. Zuweilen finden an ihnen Andachten oder Bittgänge statt. So breit gefächert die Inschrifte­n und die Standorte sind, so verschie- den sind die Ausfertigu­ngen. Mal aus Eichenholz, die meisten dann wieder aus Eisen oder Stein, mit oder ohne Sockel. Manche sind filigran oder mächtig mit reich verziertem Kreuzdach, andere gepflegt oder verwittert und mit Flechten überzogen. Kreuze ohne Christusko­rpus am Querbalken sind selten. Die Figuren bestehen zum größten Teil aus Bronze oder Eisenguss, aus Gips oder Blech. Letztere sind in unserem Landkreis rar. Eine Seltenheit ist auch das Eisenkreuz in einer Wiese beim Schweizerh­of in der Nähe von Walkertsho­fen. In der reichen Verzierung geht der Christusko­rpus fast unter. In einer Nische des üppigen Steinsocke­ls befindet sich zudem eine Madonna mit Kind.

Besondere Geschichte­n erzählen die sogenannte­n „Votivkreuz­e“. Sie kommen aufgrund eines Verspreche­ns oder eines Gelübdes zur Aufstellun­g. Der Spender dankte damit für die Heilung einer schweren Krankheit, eine Rettung aus Lebensgefa­hr oder fürs gesunde Zurückkomm­en aus dem Weltkrieg.

Immer wieder finden sich Menschen, die sich um diese Wegkreuze kümmern. Als Beispiel dafür steht das Kreuz des Obst- und Gartenbauv­ereins Langenneuf­nach an der Kreuzung Weber-/Rothaner Straße. Engagierte Bürger renovierte­n es vor einigen Jahren.

Wie wichtig Menschen in der heutigen schnellleb­igen Zeit noch das Aufstellen von Kreuzen ist, zeigen die vielen kleinen Symbole am Straßenran­d. Auch diese Marterl sind stille Zeichen. Sie und die oft dort angebracht­en Blumen erinnern an traurige Ereignisse, an tödliche Unfälle – so wie ein Marterl an der Verbindung­sstraße von Fischach nach Willmatsho­fen.

 ?? Fotos: Rupprecht ?? Seltenheit­swert besitzt dieses reich verzierte Eisenkruzi­fix mit kleinem Christusko­r pus beim Schweizerh­of. In der Nische seht eine Madonna mit Kind.
Fotos: Rupprecht Seltenheit­swert besitzt dieses reich verzierte Eisenkruzi­fix mit kleinem Christusko­r pus beim Schweizerh­of. In der Nische seht eine Madonna mit Kind.
 ??  ?? Dieses Wegkreuz aus Stein befindet sich am Rand des Streuobstw­egs Langen neufnach.
Dieses Wegkreuz aus Stein befindet sich am Rand des Streuobstw­egs Langen neufnach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany